Betreff: BMVIT-630.333/0001-III/PT2/2009 - Stellungnahme zum Entwurf der Novelle des Telekommunikationsgesetzes 2003 hinsichtlich der Umsetzung der EU-Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung.

 

Sehr geehrte Damen und Herren

Die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung würde eine Erschütterung der demokratischen Grundsätze und einen nachhaltigen nachteiligen Wandel der Beziehung zwischen Bürger und Staatsgewalt bedeuten. Die damit verbundene Abwertung der allgemeinen Bürgerrechte und damit einhergehende Gefahr wurde auch schon  von Verfassungsorganen in Europa erkannt (z.B. Verfassungsgericht Rumänien welches die Unvereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit der Verfassung feststellte).

 

1.)    Grundrechtliche Bedenken

 

Meines Erachtens werden folgende Grundrechte verletzt

 

a.)    Unschuldsvermutung

Der Bürger wird durch die präventive Speicherung von Daten prinzipiell unter Generalverdacht gestellt was im Widerspruch zur verfassungsmäßig verankerten Europäische Menschenrechtskonvention Artikel 6 (2) (vgl. auch Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Artikel 11 (1) steht. Des weiteren wird durch den Generalverdacht bzw. die präventive Speicherung anlasslos ohne Verdachtsmoment ein Schritt gesetzt der bisher in der Regel im Rahmen von Ermittlungen zu Strafverfahren getan wurde und somit den Grundsatz „Nulla poena sine lege“ verletzt. (vgl. EMKR Artikel 7 (1) vgl. auch BVG pers. Freiheit Artikel 1(2);

 

b.)    Eingriff in die Intimsphäre

Da aufgrund der fehlenden Unterscheidungsmöglichkeit jegliche Art von Kommunikation protokolliert wird stellt die Vorratsdatenspeicherung einen Eingriff in die Intimsphäre dar. Es ist ein leichtes aus den Vorratsdaten aufgrund von Dauer, Häufigkeit, offiziellen Personenmerkmalen, Zeitpunkt der Kommunikation etc. auf den vermutlichen Inhalt zu schließen. Dies steht diametral zu dem garantierten Recht der Intimsphäre.

 

-          STGG Artikel 9

-          EMKR Artikel 8 (1) (vgl. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Artikel 12)

 

c.)    Verletzung der Kommunikationsfreiheit

Der garantierte Schutz der Kommunikation und die Informationsfreiheit wird aufgehoben und ist defacto nicht mehr existent. Dies steht im Widerspruch

 

-          STGG Artikel 10 und Artikel 10a

-          EMRK Artikel 8 (1) (vgl. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Artikel 12)

 

Ausgehend davon das der Staat zum Schutz seiner Bürger in gewissem Maße in die Grundrechte einzelner Eingreifen darf und muss,  wird jedoch durch dieses flächendeckende Eingreifen und die defacto Abschaffung der Informationsfreiheit wird auch der Auslegungsgrundsatz

„Keine Bestimmung dieser Konvention darf als Beschränkung oder Minderung eines der Menschenrechte und grundsätzlichen Freiheiten ausgelegt werden, die in den Gesetzen eines Hohen Vertragschließenden Teils oder einer anderen Vereinbarung, an der er beteiligt ist, festgelegt sind.“ (EMRK Artikel 60, vgl. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Artikel 30)

verletzt.

d.)    Verhältnismäßigkeiten des Eingriffs in Bürgerechte

Jeder Eingriff in Bürgerrechte hat dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen. Da schwere Straftaten kein breitenwirksames Gesellschaftsphänomen sind bezweifle ich stark die Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit der durch die Vorratsdatenspeicherung entsthenden Eingriffe. Dementsprechend wäre auch eine allgemein gültige gesetzlich verankerte Ausgangsperre aufgrund der Häufung gewisser Straftaten in den Nachstunden als legitim anzusehen.

2.)    Sonstige Überlegungen

 

a)      Umgehungsmöglichkeiten und Wirksamkeit

Die Umgehungsmöglichkeit der Vorratsdatenspeicherung sind für Jeden ohne spezielles technisches Basiswissen möglich (Verwendung öffentlicher Fernsprecheinrichtung, Verwendung von Internetanonymisierungsdiensten, Verwendung von Mailprovidern außerhalb der EU, etc.).

Sofern man also nicht davon ausgeht dass die eigentlichen Zielgruppen der Richtlinie 2006/24/EG an einem plötzlichem Schwund ihrer kognitiven Fähigkeiten leiden ist die Wirksamkeit der Maßnahme stark anzuzweifeln, was in weiterer Folgen aber auch dazu führt das man selbiges dann auch den Ermittlungsbehörden unterstellen müsste. Es ist eher davon auszugehen das die organisierte Kriminalität und Terroristen über technische Mittel verfügen die das Herz eines jeden technikverliebten Menschen höher schlagen lässt. Man kann meines Erachtens davon ausgehen das es in keinem Fall der organisierten Kriminalität und des Terrorismus zu einer Aufklärung aufgrund der Vorratsdatenspeicherung kommt. Vereinfacht würde die Verfolgung individuell begangener Straftaten werden, welche aber in der Regel mit normaler Ermittlungstätigkeit zu klären sind, insbesondere da Verbindungsdaten alleine nur als mehr oder weniger schwacher Indizienbeweis gelten können. Ob eine Vereinfachung der bisherigen Ermittlungsarbeit die Überwachung der gesamten Bevölkerung rechtfertigt ist fraglich. Aus der Kriminal- und Verurteilungsstatistik lässt sich auch nicht ableiten, dass der österreichische Bürger an sich von Natur aus mit solch einer hohen kriminellen Energie gesegnet ist das jeder zu seiner eignen Sicherheit Überwacht werden muss.

 

b)      Missbrauch

 

-          Missbrauch durch staatliche Stellen

Leider muss in die Vergangenheit blickend gesagt werden, dass Kompetenz- und Datenmissbrauch durch öffentliche Stellen keine Ausnahmen sondern eher die Regel sind, z.B. Stapo-Skandal in den 90 Jahren, EKIS-Affäre 2000, Überwachung von Parlamentariern 2009 nur um die Spitze des Eisberges zu nennen.

Polemisch kann man für die Vorratsdatenspeicherung hier nur vorbringen, dass dies seit den Zeiten Metternichs gute übliche österreichische Tradition ist. Man sollte jedoch ab und an mit Traditionen brechen.

Dass eher mit einer großzügigen Auslegung und Verwendung der Möglichkeiten durch die Behörden zu rechnen ist, hat auch schon die letzte Sicherheitspolizeigesetznovelle gezeigt.

 

-          Missbrauch durch Dritte

Datenmissbrauch durch Dritte wird dadurch vereinfacht, man denke nur wie oft in Medien von verlorenen Datenträgern von Regierungsstellen zu hören und lesen war, oder auch an die Hackerangriffsaffäre z.B. in Deutschland. Solche Datensammlungen vereinfachen dies nur, die Wirtschaftsspionage würde um vieles einfacher werden.

 

c)      Dammbruchthese

 

So hanebüchen die nachfolgenden Thesen im ersten Moment zu seien scheinen so sind sie doch leider schon mancherorts Wirklichkeit

 

-          Schwere Straftaten

Die Terminologie „schwere Straftaten“ ist nicht näher definiert. Was sind schwere Straftaten? Jeder wird hier Kapitalverbrechen anführen, doch was sind Kapitalverbrechen auch hier besteht keine gültige Definition. Die Begründung wird immer subjektiv sein, und kann mit der Zeit bis zum kleinsten Bagatelldelikt ausgeweitet werden, denn moralisch verwerflich ist eigentlich jede Straftat und daher schwer.

 

-          Neodeklaration von schweren Straftaten durch Lobbying

Taten die keine Straftat nach heutigem Verständnis darstellen (z.B. Uhrheberechtsverletzungen)  könnten bald zu Straftaten erklärt werden, die Vorgänge in Frankreich, den USA und die Diskussionen um die Telekommunikationsrichtlinie weisen derzeit diesen Weg und das sogenannte geplante ACTA-Abkommen lässt, zumindest das was darüber bekannt ist, ebenfalls nichts Gutes erwarten.

Das schlimme jedoch daran ist das diese Entwicklung nahezu außerhalb jeglicher Möglichkeit demokratischer Einflussnahme geschieht.

 

-          „Verbesserung“ der Datenspeicherung

Bald wird sich die Ineffizienz der Datenspeicherung herausstellen, einige werden womöglich mit den derzeitigen Mitteln Versuchen ihre Privatsphäre zu schützen und man wird das Gesetz reparieren.

Des Weiteren kann ja das Ziel der Vorbeugung von Straftaten tatsächlich nicht erfüllt werden, womöglich wird man, wie bereits in den USA geschehend, von vornherein eine Zugriffsmöglichkeit zu den Daten schaffen sie verknüpfen Persönlichkeitsprofile anlegen etc.

Man wird versuchen unter dem Deckmantel der „Sicherheit“ die Möglichkeiten sich der Überwachung zu entziehen erschweren, z.B. durch willkürliche Sperrung von Internetadressen. Dies geschieht ja nicht nur in China sondern ist auch in Europa bereits gang und gebe (vgl. Großbritannien wo selbst Wikipedia für einige Zeit gesperrt war, oder Deutschland. ).

Das solche Neigungen auch in Österreich bestehen beweist das Sicherheitpolizeigesetz. Natürlich waren die Änderungen sinnvoll, prinzipiell hat jeder Bergtourengeher einen Laptop dabei und setzt im Fall der Fälle eine Notrufemail ab, wodurch man durch die ermittelte IP-Adresse am Wohnort einen Angehörigen findet der den Behörden mitteilt wo sich der verunglückte aufhält. Als noch besser hierzu geeignet haben sich die sogenannten „IMSI-Catcher“ gezeigt.

 

-          Datenweitergabe ohne Richtervorbehalt

Die Zeiten wo der sogenannte Richtervorbehalt eine nicht mehr ernstgenommen Klausel sein wird ist keine Schwarzmalerei mehr (siehe Swiftabkommen, Fluggastdatenabkommen). Warum sollten angesichts dessen die Vorratsdaten Tabu sein? Warum sollten plötzlich hehre Datenschutzziele verfolgt werden? Es ist zu befürchten dass jede Behörde, jede größere Organisation in naher Zukunft besser über eine Person Bescheid zu wissen scheint als der betroffene selbst.

 

3.)    Resümee

Anstatt die Sammelwut von Daten, welche bereits jetzt ein Unding ist, zu verstärken, sollte man eher über eine Dezentralisierung von Datensammlungen und besseren Datenschutz debattieren. Die Menschen sollten eher bezüglich ihrer Daten und deren Preisgabe sensibilisiert werden, als das selbst der Staat ins gleiche Horn wie die nichtstaatlichen Sammler bläst.

 

Bereits jetzt sind Bestimmungen in Kraft die nichts mehr mit einer freien Gesellschaft gemein haben. Auch auf die Gefahr hin polemisch zu klingen, wir bewegen uns mehr von der Demokratie zu einer Art Wahltyrannis wo sich die Freiheit den Einzelnen darauf beschränkt  den oder die Tyrannen zu wählen.

Es ist und bleibt daher nur zu hoffen dass dieses Gesetz nie über das Stadium eines Entwurfes hinausgeht oder das in weiterer folge jene Organe die die Einhaltung der Verfassung überwachen dieses Machwerk zurückweisen oder seine Anwendung derart einschränken das man es mit ruhigem Gewissen zum „toten Recht“ zählen kann.

 

Mit dem Ruf „liberté, égalité, fraternité“ begann die Entwicklung zu einer freien Gesellschaft, mit  „Remember 9-11 – Remember Ground Zero“ sind wir dabei sie wieder abzuschaffen.

 

 

Raimund Ortner