An die Parlamentsdirektion

Begutachtungsverfahren

1010 Wien

 

An die zuständigen Stellen

 

Gleisdorf, am 13. Jänner 2010

 

 

Stellungnahme des Vereins "Die Tier-WeGe" zum Entwurf der Novelle des Telekommunikationsgesetzes 2003 hinsichtlich der Umsetzung der EU-Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsdatenspeicherung

BMVIT-630.333/0001-III/PT2/2009

 

 

Diese Novelle sieht in ihrer Reichweite einen bisher noch nie dagewesenen Eingriff in die Privatsphäre aller Bürger und Bürgerinnen dieses Landes vor. Wir haben damit den Status erreicht, dass der Staat bereits jeden einzelnen und jede einzelne seiner Bürger und Bürgerinnen grundsätzlich verdächtigt. Die Standortdaten der privaten Kommunikation aller Personen sollen gespeichert werden und eine weitere Verschärfung derartiger Überwachungsmaßnahmen wird nicht lange auf sich warten lassen. Diese Maßnahmen laufen parallel mit immer einschneidenderen Strafverfolgungsparagraphen wie die Novelle zu §278ff zeigt.

 

Diese Entwicklung ist äußerst problematisch und für alle aufrechten Demokraten und Demokratinnen alarmierend. Auffallend ist dabei, dass es für diese Maßnahmen eigentlich überhaupt keine Begründung gibt. Österreich ist weder von Terroranschlägen bedroht noch wären diese eine auch nur annähernd vergleichbare Bedrohung für die Gesellschaft, wie es derartige Gesetze darstellen. Die Erfahrung aus der Geschichte lehrt, dass die großen, epochalen Verbrechen von Regierungen ausgegangen sind und durch verschärfte Überwachung und Strafverfolgung eingeleitet wurden. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir uns in diese Richtung bewegen, ist der Umstand, dass nicht vorgesehen ist, die von den Überwachungsmaßnahmen betroffenen Bürger und Bürgerinnen selbst nach Abschluss der Überwachung überhaupt zu informieren. Die Geheimhaltung von Polizeimaßnahmen und Ermittlungsschritten ist ein untrügliches Kennzeichen totalitärer Systeme.

 

Da diejenigen, die Zugang zu den gespeicherten Daten haben werden, jene sein werden, die an den Schalthebeln der Macht sitzen, ist davon auszugehen, dass derartige Überwachungsmaßnahmen wiederum soziale Bewegungen und Protestkulturen treffen sollen. Die Tierschutzcausa hat deutlich gemacht, dass die Ämter für Terrorismusbekämpfung und die aus politischen Gründen installierten Sonderkommissionen keine Mühe scheuen und keine Hemmungen kennen, alle zur Verfügung stehenden Mittel gegen politischen Protest

 

 

 

 

 

einzusetzen. Es sind aber gerade Protestkulturen, die die Notbremse bei einer Entwicklung der Gesellschaft zu einem totalitären System darstellen. Sie bilden das notwendige Korrektiv um Missbrauch der Staatsgewalt hintan zu halten. Jede Maßnahmen, die also gegen Protestkulturen gesetzt wird, ist eine Schwächung der Demokratie.

 

Der Verein "Die Tier-WeGe" spricht sich daher mit aller Vehemenz aus grundsätzlichen Gründen gegen diese Novelle aus. Es fehlt die breite österreichweite Diskussion zu diesem Thema. Die Bürger und Bürgerinnen werden da von unfassbar weit greifenden Gesetzen betroffen, die sie nicht kennen und mangels Information nicht einschätzen können.

 

Derartige Eingriffe in die Privatsphäre als generalpräventive Maßnahme entsprechend einer umfassenden Verfassungsänderung und sollten daher niemals ohne Volksabstimmung erfolgen. Beängstigender Weise ist genau das Gegenteil der Fall. Diejenigen, die diese drakonischen Gesetze umsetzen wollen, verweigern jede öffentliche Diskussion.

 

Und das betrifft nicht nur diese Novelle, sondern auch jene um §278ff, die damit in direkter Verbindung steht. Nicht von ungefähr wurden beide über die Weihnachtsfeiertage und Neujahr in Begutachtung gegeben, um Kritik und Diskussion zu vermeiden. Immer, wenn die Verantwortlichen jede Kritik einfach ignorieren, jedes Diskussionsangebot an sich abgleiten lassen und nie öffentlich und offen zu Anfragen Stellung nehmen, ja, offenbar überzeugt sind, sich überhaupt nicht rechtfertigen zu müssen, aber trotzdem unbeirrt ihre Vorstellungen durchsetzen, ist in einer Demokratie Feuer am Dach.

 

Die ideale Demokratie legt ihre Regeln nach einem konstruktiven Konflikt, der durch eine offene und öffentliche Diskussion bestimmt ist, selber fest. Wenn dieser Konflikt und diese Diskussion vermieden bzw. verunmöglicht werden, dann ist das Ergebnis kein demokratischer Konsens. Das zeigt einmal mehr die bedrohlich elitäre und totalitäre Einstellung jener Personengruppe, die derartige Gesetze einführen will.

 

Der Widerstand gegen diese Entwicklung regt sich mittlerweile in allen westlichen Demokratien. Es ist jetzt notwendig, eine Nachdenkpause einzulegen und derartige Gesetzesverschärfungen zurück zu stellen. Es muss eine breite öffentliche Diskussion zu diesen Fragen geben, bevor im Konsens entschieden werden kann. Bis dahin darf es keine einzige Gesetzesnovelle geben, die die Überwachungsbefugnisse der Polizei erweitert und damit einhergehend das Recht auf Privatsphäre und andere Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen einschränkt.

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

 

 

Petra Kulmer                                   Nikolaus Kulmer

(Obfrau)                                           (Stv. Obmann)