o. Univ.-Prof.

DR. PETER BYDLINSKI

Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht

Rechtswissenschaftliche Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz

Tel. 0316/380-3314

e-mail: peter.bydlinski@uni-graz.at

 

Univ.-Prof.

DR. RAIMUND BOLLENBERGER

Institut für Zivil- und Unternehmensrecht
Wirtschaftsuniversität Wien
Tel.: +43/1/31336/4651
e-mail: raimund.bollenberger@wu.ac.at

______________________________________________________

 

 

Stellungnahme zum Entwurf eines

Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetzes

 

 

1. Vorbemerkungen

 

Aufgrund der extrem kurzen Begutachtungsfrist kann hier keine Beurteilung des gesamten Gesetzesvorhabens vorgenommen werden; vielmehr beschränken sich die folgenden Überlegungen auf die geplanten – rechtssystematisch auch interessanteren – Änderungen im ABGB.

 

Vorweg ist ausdrücklich zu befürworten, dass auch das Darlehensrecht des ABGB in die Reform mit einbezogen wird; und ebenso, dass dabei keine Beschränkung auf das entgeltliche Gelddarlehen erfolgt, da ansonsten eine bewusste Unvollständigkeit des Gesetzes vorläge, was unnötiger Weise Rechtsunsicherheit mit sich brächte. Auch dem Verzicht auf eine detailreiche Regelung im ABGB (so auf die gesetzliche Anordnung von Informations- und Transparenzpflichten, auf eine spezielle Regelung von Kreditgewährungen an Minderjährige, auf eine Verlegung von das Darlehen betreffende Bestimmungen des WucherG in das ABGB usw) ist zuzustimmen.

 

2. Konsensualvertrag statt Realvertrag

 

Die §§ 983 ff des Entwurfs[1] lösen sich ganz zu Recht von der altertümlichen Realvertragskonstruktion[2]. Nunmehr soll bereits die bloße Vereinbarung einen voll wirksamen Vertrag zustande bringen. Dieses Konsensualprinzip ist im ABGB bereits bei den allermeisten Vertragstypen verwirklicht[3] und entspricht den heutigen Bedürfnissen und Anschauungen[4].Zu diskutieren ist bei dieser Änderung  nur die Frage, ob für unentgeltliche Darlehen (nun) ein Bedarf nach Schutz vor Übereilung besteht (dazu noch unter 7.1.).

 

3. Allgemeines Darlehensrecht (§§ 983-985) und spezielles Kreditrecht (§§ 986-991)

 

Der Entwurf lässt einem knapp gehaltenen allgemeinen Darlehensrecht (§§ 983-985) eine ausführlichere Regelung des praktisch besonders bedeutsamen entgeltlichen Gelddarlehens folgen (§§ 986-991), das „Kreditvertrag“ genannt wird. Das kann man durchaus so machen. Nicht recht gelungen erscheint jedoch die Gestaltung und Gewichtung der allgemeinen Vorschriften im Verhältnis zum entgeltlichen Gelddarlehen. So fragt man sich bei sehr vielen Regelungen der §§ 987 ff, warum sie für Sachdarlehen und unentgeltliche Gelddarlehen nicht gelten sollen (Hinweise darauf folgen bei Behandlung der einzelnen kreditvertragsrechtlichen Bestimmungen). Anordnungen, die für alle Fälle gedacht sind bzw passen, müssten „vor die Klammer“ gezogen, also im allgemeinen Darlehensrecht angesiedelt werden.

 

4. Die Vertragsdefinitionen

 

4.1. § 983 Satz 1 definiert den Darlehensvertrag – genauer: die den Vertragstypus entscheidend prägenden Darlehensgeberpflichten – auf ziemlich schwerfällige Weise („mit der Bestimmung … über die Sachen nach … Belieben zu verfügen“). . Die Regelung könnte einfacher und moderner gefasst werden, wobei primär die typische Pflicht zur Eigentumsverschaffung, subsidiär aber auch das Zur-Verfügung-Stellen aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung (insbesondere als „Buchgeld“ auf dem Konto des Darlehensnehmers oder eines Dritten[5]) Erwähnung finden sollte.

 

Formulierungsvorschlag: „Im Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer vertretbare Sachen zu übereignen oder einen Geldbetrag auf eine vereinbarte andere Weise zur freien Verfügung zu stellen.[6]

 

4.2. § 984 Satz 1 zählt die möglichen Gegenstände eines Darlehensvertrages auf, obwohl die vertretbaren Sachen ohnehin bereits in § 983 erwähnt werden und an der Miterfassung von Geld eigentlich kein Zweifel besteht (während die Verschaffung von Buchgeld eigentlich nicht vorkommt. Jedenfalls dann, wenn man § 983 Satz 1 wie vorgeschlagen umformuliert, könnte dieser Satz ganz entfallen. Das brächte auch Vorteile an Klarheit mit sich, weil § 984 damit allein der Entgeltlichkeitsfrage gewidmet wäre (Formulierungsvorschlag zu § 984 unter 6.4.).

 

4.3. Bei der Definition des Kreditvertrages in § 986 könnte man den vorgeschlagenen Satz 2 ohne Einbuße von Klarheit schlicht streichen: Die Begriffe „Kreditgeber“ und „Kreditnehmer“ sind eingeführt und erklären sich, wenn sie in den folgenden Bestimmungen verwendet werden, von selbst. Stattdessen sollte jedoch die Entgeltsregel für Gelddarlehen aus § 984 Satz 2 hierher wandern (dazu noch unter 6.4.).

 

5. Darlehensverträge auf bestimmte und auf unbestimmte Zeit

 

5.1. Während die bestimmte oder unbestimmte Dauer eines Darlehensvertrages in § 983 Satz 2 eher versteckt im Zusammenhang mit den Pflichten des Darlehensnehmers angesprochen wird, sieht der Entwurf bloß für das entgeltliche Gelddarlehen (in § 987 Abs 1) nähere Regelungen vor. Dies überzeugt nicht, weil die Frage eine allgemeine ist, die alle Darlehensarten betrifft.

 

Wenig glücklich erscheint es überdies, die Frage der Auflösbarkeit von auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Darlehensverträgen in § 983 Satz 2 knapp und wenig durchsichtig gemeinsam mit der Rückgabepflicht des Darlehensnehmers zu regeln, während dafür beim Kreditvertrag ein eigener Absatz (§ 987 Abs 2) vorgesehen ist. Noch schwerer wiegt uE aber der sachliche Gehalt des § 983 Satz 2: Nach dieser Norm („auf dessen Verlangen“) scheint dem Darlehensgeber ein jederzeit ausübbares fristloses Kündigungsrecht zuzustehen, was nicht sachgerecht wäre (dazu noch näher unter 8.2.).

 

Unser Vorschlag lautet daher, bereits im allgemeinen Darlehensrecht Bestimmungen zu Dauer und Auflösung aufzunehmen und im Kreditrecht bloß davon notwendig erscheinende Abweichungen zu normieren. So passt der Inhalt von § 987 Abs. 1 in der Sache[7] für alle Darlehensverträge, nicht bloß für das entgeltliche Gelddarlehen. Entsprechendes gilt für die Abs. 3 und 4[8].

 

Zugleich sollte § 983 Satz 2 neutraler formuliert werden; etwa, indem die Wendung „dem Darlehensgeber entweder nach einer im Voraus bestimmten Zeit oder auf dessen Verlangen“ durch „dem Darlehensgeber nach Beendigung des Vertrages“ ersetzt wird.

 

5.2. Die Regelung von § 987 Abs. 1 Satz 2 (zur bestimmten Vertragsdauer eines Kreditvertrags trotz fehlender datumsmäßiger Festlegung) sollte uE gänzlich entfallen: Auch bei anderen Dauerschuldverhältnissen wird hierüber nichts Näheres festgelegt; überdies handelt es sich primär um ein generelles Dauerschuldrechts-Problem. Und dass die genannten Kriterien im Einzelfall wirklich weiter helfen, erscheint wenig wahrscheinlich. So ist kaum vorstellbar, dass sich aus der Vereinbarung „über den Kreditbetrag“ eine hinreichend bestimmte (Mindest-)Laufzeit ableiten lässt. Sollte der Satz aber stehen bleiben, so sollte man vor „auch“ das Wort „insbesondere“ schreiben und bei den beachtlichen Vereinbarungen jedenfalls die eines Verwendungszwecks ergänzen. Der Verwendungszweck ist in der Praxis das wesentlichste Indiz für eine von den Parteien beabsichtigte (Mindest-)Vertragsdauer[9].

 

6. Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit des Darlehens

 

6.1. § 984 („Arten des Darlehensvertrages“) kann deutlich vereinfacht werden. Bereits (unter 4.2.) wurde vorgeschlagen, Satz 1 zu streichen, wenn/weil dessen Inhalt in der Sache bereits in den Vertragspflichten des Darlehensgebers gemäß § 983 Satz 1 enthalten ist. Satz 3 betrifft bloß das entgeltliche Gelddarlehen. Entgeltlichkeit an sich steht also schon fest. Daher gehört diese Regel systematisch zumindest hinter den bisherigen Satz 4, der die Entgeltlichkeit klärt. Noch viel besser wäre diese Anordnung jedoch in § 986 aufgehoben, da sie eben allein das entgeltliche Gelddarlehen erfasst (siehe auch den Formulierungsvorschlag unter 6.4. aE).

 

6.2. In § 984 Satz 4 sind für die im Vertrag nicht ausdrücklich geklärte Entgeltlichkeitsfrage gleich mehrere Zweifelsregeln vorgesehen[10]. Allerdings wird bereits deren Verhältnis zu § 915 ABGB sowie zu § 354 UGB nicht recht klar. Überdies wird zuerst die Ausnahme (Unentgeltlichkeit) und dann die Regel (Entgeltlichkeit) genannt, wobei der Grund der Ausnahme (Darlehen unter nahen Angehörigen) erst im Halbsatz über die Regel zu finden ist. Das sollte einfacher zu fassen sein.

 

6.3. Für die geplante Sonderbehandlung von Darlehen im Kreise naher Angehöriger (Unentgeltlichkeitsvermutung) spricht wohl tatsächlich manches. Die gewählte Formulierung wirft allerdings Probleme auf: Zum einen ist es der Rechtsklarheit wenig zuträglich, wenn im zivilrechtlichen Zentralgesetz ein Begriff verwendet wird, der bloß in einem „Nebengesetz“ definiert wird, ohne dass sich im ABGB ein Verweis darauf findet[11]. Zum anderen verweisen die Erläuterungen auf § 32 KO insgesamt, obwohl vermutlich bloß dessen Abs. 1 („natürliche“ nahe Angehörige) gemeint ist. Das Verhältnis zu einer juristischen Person, insbesondere als Gesellschafter, Leitungs-, Aufsichtsorgan usw, das von Abs. 2 leg cit erfasst wird, trägt die Unentgeltlichkeitsvermutung nicht. Überdies wäre zB die Gewährung eines unentgeltlichen Darlehens durch eine Aktiengesellschaft an ein Vorstandsmitglied[12] oder an eine Konzerngesellschaft[13] regelmäßig unzulässig.

 

6.4. Formulierungsvorschläge:

§ 984 sollte nunmehr unter der Überschrift “Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit“ stehen und bloß zwei Sätze enthalten, die lauten (Satz 1 entspricht dabei wörtlich Satz 2 des Entwurfs):

„Ein Darlehen kann entweder unentgeltlich oder gegen Entgelt gewährt werden. Sachdarlehensverträge[14] sind im Zweifel unentgeltlich; Gelddarlehensverträge sind im Zweifel entgeltlich, sofern sie nicht zwischen nahen Angehörigen (§ 32 Abs. 1 KO)[15] abgeschlossen werden.“

 

Der bisherige § 984 Satz 3 sollte in den § 986 verschoben werden und dort lauten: „Das vom Kreditnehmer geschuldete Entgelt besteht mangels anderer Vereinbarung[16] in den Zinsen; ihre Höhe bemisst sich[17] nach § 1000 Abs. 1.“

 

6.5. In den §§ 987 ff ist immer bloß von den Zinsen die Rede, obwohl auch ein anderes Entgelt vereinbart werden kann. Vermutlich sollen alle Regelungen, die das Wort „Zinsen“ enthalten, auch dann entsprechend anwendbar sein, wenn es um andere Entgelte geht. Klarheit und Lückenlosigkeit könnte man daher am besten dadurch erreichen, dass man immer vom weiter reichenden Begriff des Entgelts spricht. (Diese Änderung liegt dann besonders nahe, wenn man all jene Anordnungen der §§ 987 ff, die eigentlich allgemeiner Natur sind, in das allgemeine Darlehensrecht verschiebt.)

 

7. Das unentgeltliche Darlehen

 

7.1. Wie bereits unter 2. erwähnt, sieht der Entwurf auch bei unentgeltlichen Darlehen keinen Schutz vor Übereilung für den Darlehensgeber vor. Wie schon an anderer Stelle ausgeführt[18], liegt darin ein Wertungswiderspruch zur strengen Form des § 1 NotaktsG für Schenkungsversprechen (Notariatsakt). Solange es keine allgemein gültigen Bestimmungen für unentgeltliche Geschäfte gibt – etwas, was bei einer größeren ABGB-Reform keinesfalls vergessen werden sollte –, müsste (etwa als neuer Abs 2 in § 984) also jedenfalls ein Formgebot für das (bloße) Versprechen, ein unentgeltliches Darlehen zu gewähren, aufgenommen werden.

 

Für die Festlegung der Strenge des Formerfordernisses spielen verschiedene Gesichtspunkte eine Rolle: Legt man das Hauptgewicht darauf, dass das unentgeltliche Darlehen den Geber wegen seines Rückgabeanspruchs tendenziell weniger belastet als einen Schenker, könnte man – wie bei der Bürgschaft nach § 1346 Abs 2[19] – für die Erklärung des Darlehensgebers einfache Schriftform verlangen. Allerdings wird de lege lata für die Schenkung auch nicht nach der Massivität der Belastung differenziert und können Darlehen mit langer Laufzeit den Geber stärker belasten als ein kleines Geschenk. Dies spräche – vor einer systematischen Reform des gesamten Rechts der Rechtsgeschäftsform – für eine Parallele zur Schenkung, also für einen Notariatsakt. Derzeit ist allerdings auch für den Vorvertrag zur Leihe (§ 971 Satz 2 ABGB), so wie bisher für den Vorvertrag zum Darlehen (§ 983 Satz 2 aF ABGB)[20], keine spezielle Form angeordnet (was aber wohl ebenfalls zu überdenken wäre); und für die besonders „übereilungsriskante“ Bürgschaft reicht einfache Schriftform aus. Schon aufgrund dieses (wenig) systematischen Umfeld kann daher nicht ohne weiteres entschieden werden, ob der Umstand, dass der Darlehensgeber im Unterschied zum Verleiher Eigentum überträgt, die strenge Form des Notariatsakts rechtfertigt. Unter diesem Gesichtspunkt könnte man, jedenfalls bis zu einer Gesamtreform, auch einfache Schriftform genügen lassen.

 

7.2. Keinerlei Anordnung enthält der Entwurf für Leistungsstörungen auf Seiten des Darlehensgebers[21]. Für entgeltliche Darlehen besteht zwar kein Regelungsbedarf, da insoweit auf allgemeine Regeln (§§ 918 ff ABGB) zurückgegriffen werden kann. Für das unentgeltliche Darlehen müsste aber wohl zumindest eine § 945 ABGB entsprechende Anordnung (Haftung nur bei wissentlicher Übergabe fremder Sachen) ergänzt werden, wobei ein schlichter Verweis auf diese Norm („ist entsprechend anzuwenden“) genügen sollte[22]. Praktische Bedeutung hat das Problem wegen des erleichterten gutgläubigen Erwerbs an fremdem Geld gemäß § 371 ABGB vor allem für das Sachdarlehen.

 

8. Die Beendigung von Darlehens- und Kreditverträgen

 

8.1. Abgesehen vom Zeitablauf bei befristeten Verträgen, der keine nennenswerten Probleme aufwirft (die Regel des § 987 Abs 3 gehörte allerdings „vor die Klammer“, also in das allgemeine Drlehensrecht), ist selbstverständlich auch beim auf unbestimmte Zeit geschlossenen Darlehensvertrag zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung (Auflösung aus wichtigem Grund) zu unterscheiden.

 

8.2. Nach einem ganz anerkannten Grundsatz ist die ordentliche Kündigung von DauerschuldverhäItnissen nur fristgebunden möglich. § 983 Satz 2 sieht allerdings vor, dass der Darlehensnehmer das Darlehen dem Darlehensgeber entweder nach einer im Voraus bestimmten Zeit oder „auf dessen Verlangen“ zurückzugeben hat. Damit kann wohl nur gemeint sein, dass der Darlehensgeber jederzeit kündigen kann und dass der Zugang der Kündigung eine sofortige („fristlose“) Rückgabepflicht des Darlehensnehmers auslöst. Denn auch in den Erläuterungen zu § 983 Satz 2, die im übrigen nur auf eine Kündigung durch den Darlehensnehmer eingehen, wird keine Frist für die Kündigung durch den Darlehensgeber erwähnt. Das erscheint nicht sachgerecht[23]. So wird zum einen eine danach offenbar schon kurz nach der Darlehensgewährung mögliche Kündigung sehr häufig den typischen und verständlichen Erwartungen des Darlehensnehmers widersprechen. Diesem Problem kann man zwar uU noch durch Vertragsauslegung im Einzelfall Herr werden, doch sollte schon im Gesetz eine Abstimmung zwischen § 983 und den Beendigungsregeln erfolgen.

 

Zum anderen und vor allem aber erscheint eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit mit sofortiger Rückzahlungspflicht nicht als ausgewogenes Dispositivrecht. Der Darlehensnehmer verfolgt mit dem Darlehen ja bestimmte Zwecke: Er benutzt und verbraucht die Sachen. Daher benötigt er regelmäßig gewisse Zeit, um sich gleichartige zwecks „Rückgabe“ wiederzubeschaffen. Beim entgeltlichen Sachdarlehen besteht uE insoweit keinerlei Wertungsunterschied zum entgeltlichen Kreditvertrag, für den § 987 Abs 2 eine einmonatige Kündigungsfrist vorsieht. Aber auch bei Unentgeltlichkeit sollte man dem Darlehensnehmer eine gewisse Zeit geben, um sich auf die Rückgabepflicht vorzubereiten. Dem entspricht, dass für die ordentliche Auflösung von auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Dauerschuldverhältnissen bloß die Auflösung mit (angemessener) Kündigungsfrist allgemein, nicht nur bei entgeltlichen Verträgen anerkannt ist[24].

 

Daraus folgt, dass bereits in das allgemeine Darlehensrecht eine Kündigungsregel mit einer – ohnehin bloß dispositiven – Kündigungsfrist aufgenommen werden sollte.

 

8.3. Zu § 987 Abs 2 stellt sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, die Kündigung von Kreditverträgen durch Kreditnehmer oder Kreditgeber sofort ab Vertragsabschluss mit einmonatiger Frist generell, also unabhängig von der Auszahlung bzw Ausnützung, zuzulassen. UE spricht mehr dafür, die ordentliche Kündigung erst ab Auszahlung (bzw ab dem vereinbarten Auszahlungstermin) zu gestatten; auch der vorgeschlagene § 983 Satz 2 sieht eine Kündigung vor Darlehensgewährung nicht vor. Vor der Gewährung sollte der Kreditgeber mit § 991 (Verweigerung der Auszahlung aus bestimmten Gründen) das Auslangen finden.

 

8.4. § 988 regelt die außerordentliche Kündigung speziell für den Kreditvertrag, obwohl sich das Problem und die beachtlichen Kriterien bei (nahezu) allen Dauerschuldverhältnissen gleichen. Die in Satz 1 genannten Kriterien sind – wohl notwendigerweise – recht allgemein und entsprechen damit dem für Dauerschuldverhältnisse ohnehin allgemein Anerkannten[25]. Sie gerade (nur) zum Kreditvertrag in das Gesetz zu schreiben, überzeugt daher wenig. Vielmehr trägt § 988 eher zur Verwirrung bei, denn es stellt sich wiederum bereits die Frage, ob (und wenn ja warum) diese Norm für andere als entgeltliche Gelddarlehensverträge nicht gilt. Eine Aufnahme in das allgemeine Darlehensrecht wäre hingegen wohl diskutabel, da anlässlich der Neuregelung des Darlehensrechts schon angesichts der knappen Zeit die Schaffung von Regeln für Dauerschuldverhältnisse überhaupt nicht in Betracht kommt. Die Analogiebasis für den Grundsatz (Auflösungsmöglichkeit bei Unzumutbarkeit aus beim Partner liegenden Gründen)[26] würde dadurch verbreitert.

 

Der konkretisierende Satz 2 (gröbliche Verletzung von Zahlungspflichten) versteht sich einerseits von selbst, andererseits ist er wenig greifbar. Da es um den Verzug mit zentralen Leistungspflichten des Kreditnehmers geht, läge es nahe und böte mehr Rechtssicherheit, in Wertungseinheit mit § 918 ABGB statt „gröblich verletzt“ etwa zu formulieren: „trotz Aufforderung zur Zahlung innerhalb angemessener Frist nicht erfüllt“. Dass die Berufung des Kreditgebers auf das Fehlen weniger Euro nach Treu und Glauben nicht gehört wird[27], ist wiederum ein allgemeineres Problem der Grenzen des Rechts bzw des Rechtsmissbrauchs, dass bei den Gesetzesformulierungen – wie auch bei anderen Vertragstypen – selbstverständlich nicht eigens mitbeachtet werden muss. Schließlich passen die Kriterien der außerordentlichen Kündigung wiederum auch (unter anderem) für sonstige Darlehensverträge, weshalb die Regelung ebenfalls nach vorne gezogen werden sollte.

 

8.5. Gleiches gilt für die in § 990 angeordnete Unwirksamkeit einer Vereinbarung, die dem Kreditgeber das Recht zu vorzeitiger „grundloser“ Kündigung gewährt: Neuerlich fragt sich, warum diese Regel nicht im allgemeinen Darlehensrecht steht; jedenfalls für das entgeltliche Sachdarlehen treffen die Wertungen genauso zu. Des Weiteren überzeugt die – in den Erläuterungen nicht weiter begründete – Einschränkung (der Unwirksamkeit) auf die Fallgruppe bereits ausgezahlter Kredite nicht. Insbesondere angesichts des § 991 (kreditrechtliche Unsicherheitseinrede) ist kein durchschlagender Grund zu sehen, dem Kreditgeber vor Auszahlung die Berufung auf ein vereinbartes freies Kündigungsrecht zu ermöglichen (danach aber nicht); sei es, dass der Kreditgeber mit der Auszahlung bereits in Verzug ist (auch dieser Fall ist vom Entwurfstext „und seinerseits schon erfüllten“ erfasst!); sei es, dass der vereinbarte Termin noch nicht erreicht ist (der Kreditnehmer aber auf das benötigte Geld wartet und auf dessen pünktliche Auszahlung vertraut).

 

8.6. Zum Problem der Teilkündigung noch kurz unter 9.5.

 

9. Recht des Kreditnehmers zur vorzeitigen Rückzahlung

 

9.1. § 989 will mit dem Recht des Kreditnehmers zur vorzeitigen Rückzahlung (des gesamten Kredits samt Zinsen oder eines Teils davon) bewusst den Kern einer aus dem Verbraucherkreditrecht stammenden Regelung (Art 16 der RL) in das ABGB übernehmen. Es ist jedoch äußerst fraglich, warum gerade beim entgeltlichen Gelddarlehen der im ABGB noch immer zentrale Grundsatz des pacta sunt servanda[28] außer Kraft gesetzt werden soll. Wie für andere Verträge sollte auch beim Geldkredit gelten, dass jeder Teil mit der ihm wirksam versprochenen Gegenleistung (hier etwa: 5% Zinsen für zwei Jahre) voll kalkulieren darf. Die Begründung der Erläuterungen („Schieflage“; „strukturelles Ungleichgewicht“) berücksichtigt den genannten Grundsatz nicht und ist auch faktisch unzutreffend, da sich der Kreditgeber für die gesamte Laufzeit refinanzieren muss, so dass man nicht sagen kann, er habe mit der Auszahlung ohnehin alles bereits vorweg erledigt. Der Entwurf weicht – was die Erläuterungen nicht sagen – überdies von § 1434 Satz 2 ABGB ab, der an die vorzeitige Schuldtilgung keine Vorteile des Zahlers knüpft. Somit stellt sich auch die Frage, warum gerade (nur) für den Kreditvertrag und nicht etwa auch für den bloß nach ABGB zu beurteilenden Ratenkauf (bei dem der Verkäufer tatsächlich mit der Übergabe schon vorweg alles getan hat), die vorzeitige Rückzahlung vorgesehen wird. Wenn die Erläuterungen ausführen, dass der Anspruch auf Zinsen (= Entgelt) für die Zeit nach der Rückzahlung „seine Grundlage verliert und deshalb in Abzug zu bringen ist“, so ist das sehr vom Ergebnis her gedacht. Natürlich wurzelt auch dieser Anspruch in der für eine bestimmte Zeit getroffenen (unbedingten) Vereinbarung und es ist gerade die Frage, ob und inwieweit sich der Kreditnehmer von seiner unwiderruflich übernommenen Zinszahlungsverpflichtung kraft Gesetzes einseitig lösen können soll. Zum Vergleich: Wer eine für drei Wochen gemietete Ferienwohnung bereits nach einer Woche räumt, muss jedenfalls die Miete zahlen, bis der Vertrag beendet ist; auch dann, wenn er dem Vermieter sagt, dieser könne über die Wohnung nun wieder nach Belieben verfügen.

 

Zusammengefasst bestehen bereits ernste Bedenken gegen den Grundgedanken des § 989. Die Streichung dieser Norm wäre auch deshalb wenig dramatisch, weil jeder Darlehensnehmer bei den Vertragsverhandlungen versuchen kann, sich eine für ihn möglicherweise interessante vorzeitige Rückzahlungsmöglichkeit vertraglich auszubedingen. Das sollte genügen und ist als Dispositivnorm weit systemgerechter als die umgekehrte Option, das vorzeitige Rückzahlungsrecht des Kreditnehmers vertraglich auszuschließen. Im übrigen werden rechtskundige Kreditgeber, insbesondere Banken, in aller Regel für eine Abbedingung des § 989 sorgen. Die Norm wird daher praktisch kaum Bedeutung erlangen und nur in Einzelfällen nicht gewerbliche, unerfahrene Kreditgeber treffen.

 

9.2. Diese Bedenken werden noch durch manche Details verstärkt: So durch die in Satz 4 vorgesehene Notwendigkeit des Kreditgebers, zu klären, wie viel Entschädigung wegen des ihm „voraussichtlich unmittelbar entstehenden Vermögensnachteils“ „angemessen“ ist (die Erläuterungen verlangen vom Kreditgeber eine nachvollziehbare Darlegung seines Nachteils); das ist für eine Privatperson wohl nicht zumutbar. Warum bekommt der Kreditgeber überdies nicht wenigstens den gesamten ihm (voraussichtlich) entstehenden Nachteil ersetzt? Wenn das aber ohnehin in diesem Sinn gemeint ist, was die Erläuterungen nahe legen, sollte es auch so formuliert werden. Die Rede von der Angemessenheit verwirrt in diesem Zusammenhang nur (zumindest das Wort „angemessen“ wäre daher zu streichen).

 

9.3. § 989 Satz 2, wonach die vorzeitige Totalrückzahlung („samt Zinsen“) als Kündigung gilt – die Erläuterungen messen dieser Anordnung eine „rechtshygienische Funktion“ zu –, wirft gleich mehrere Probleme auf. Zum einen ist es merkwürdig, eine Kündigung anzunehmen, wenn dem Kreditnehmer wegen der noch offenen Befristung des Vertrages gar kein Kündigungsrecht zukommt. Doch sogar wenn man annimmt, dass gerade § 989 ein solches Kündigungsrecht (zusätzlich) gewährt, reicht § 863 ABGB vollauf, um in der vollständigen Rückzahlung eine Kündigung zu sehen (oder mit dieser Norm ebenso einfach wie überzeugend zu begründen, dass eine Rückführung bei bestimmten Kreditformen – zB dem wieder ausnützbaren Kontokorrentkredit – nicht als Kündigung zu werten ist). Schließlich ist nicht klar, was mit „samt Zinsen“ gemeint ist, da der Kreditnehmer häufig ja gar nicht weiß, wie viel er bei vorzeitiger Rückzahlung genau schuldet. Oder müsste er zunächst die gesamten Zinsen für die volle vorgesehene Laufzeit entrichten, damit die Rechtsfolge des Satzes 2 eingreift (und sich dann den nach § 989 gerade nicht geschuldeten Teil wieder zurückholen?) Fazit: Vieles spricht dafür, den vorgeschlagenen Satz 2 ersatzlos zu streichen.

 

9.4. In den Erläuterungen ist davon die Rede, dass die Regelung über die vorzeitige Rückzahlung auch für auf unbestimmte Zeit geschlossene Verträge anwendbar sein soll. Das verträgt sich aber zum einen nicht mit dem vorgeschlagenen Gesetzestext „vor Ablauf der bedungenen Zeit“ und erscheint zum anderen auch in der Sache fraglich: Ist etwa eine vereinbarte Mindestlaufzeit noch nicht abgelaufen, greifen alle gegen die vorzeitige Rückzahlung bereits vorgebrachten Argumente; nach Ablauf kommt ohnehin eine Kündigung (mit Frist) gemäß § 987 Abs 2 in Betracht.

 

9.5. Bemerkungen zu den unbefristeten Verträgen in den Erläuterungen weisen auch auf das generelle Problem der Teilkündigung (unter bloß teilweiser Rückführung des Kredits) hin, über deren Zulässigkeit durchaus Unklarheit bestehen dürfte. Teilbarkeitsfragen stellen sich nun aber bei vielen Vertragsarten, so dass eine Regelung gerade für das Darlehensrecht eher nicht zu empfehlen ist. Will man § 989 jedoch trotz der hier geäußerten Kritik grundsätzlich beibehalten, so muss man die gewählte Konstruktion sauber und durchgängig beachten: Gesteht man dem Kreditgeber bloß einen Anspruch auf angemessene Entschädigung zu (die Erläuterungen sprechen gar von einer „mögliche[n] Erhöhung der Zahlungspflichten des Kreditnehmers“!), so sagt man damit zugleich, dass sein vertraglicher Anspruch auf Zinsen ab der Rückzahlung erloschen ist. Damit muss aber jede vorzeitige Rückzahlung als wirksame (Teil-)Kündigung angesehen werden (ein weiteres Argument gegen Satz 2). Anders bei der – daher wohl relativ gesehen vorzugswürdigen – Konstruktion, wonach sich der Kreditgeber von seinem (grundsätzlich nach wie vor aufrechten) Zinsenanspruch nach dem Vorbild der §§ 1155 Abs 1 und 1168 Abs 1 ABGB das abziehen lassen muss, was er sich infolge des vorzeitigen Rückerhalts erspart, erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Die Beweislast für Ersparnis usw läge dann beim Kreditnehmer.

 

9.6. Auch zu § 989 ist nicht zu sehen, warum die Regelung auf das entgeltliche Gelddarlehen beschränkt ist, ein Recht zu vorzeitiger Rückführung beim entgeltlichen Sachdarlehen hingegen nicht bestehen sollte.

 

10. Recht des Kreditgebers zur Verweigerung der Auszahlung

 

10.1. In § 991 wird für das Recht, die Auszahlung zu verweigern, darauf abgestellt, dass sich bestimmte Umstände nach Vertragsabschluss „ergeben“; auch ist von einer „Verschlechterung der Vermögenslage“ die Rede. Wertungsmäßig genau gleich liegen aber – wie schon § 1052 Satz 2 ABGB zeigt – auch jene Fälle, in denen der Kreditgeber erst nach Vertragsschluss die wahre (entsprechend schlechte) Vermögenslage des Kreditnehmers erkennen konnte. Diese Konstellation ist vom Entwurfstext („Verschlechterung“) nach üblichem Wortverständnis nicht abgedeckt, auch wenn die Erläuterungen davon ausgehen. Daher wird zur Sicherheit die ergänzte Formulierung „Verschlechterung oder Fehleinschätzung der Vermögenslage“ vorgeschlagen. Ferner sollten bei der Gefährdung der Rückzahlung auch die Zinsen ausdrücklich erwähnt werden: Es ist ja ebenfalls nicht zumutbar, auszuzahlen, wenn („bloß“) die Gegenleistung vermutlich ausbleiben wird, weshalb der Kreditgeber wohl schon nach derzeitiger Rechtslage unter (analoger) Anwendung des § 1052 Satz 2 ABGB auch in diesem Fall die Auszahlung verweigern kann[29]; ein Grund, die Position des Kreditgebers zu verschlechtern, ist nicht ersichtlich. Daher: „… Rückzahlung des Kredits einschließlich[30] Zinsen[31] selbst bei …“.

 

10.2. Auch bei § 991 stellt sich die bereits bekannte Frage, warum diese Norm auf andere Darlehensverträge nicht Anwendung finden sollte. Bei Unentgeltlichkeit ist die Verweigerung doch sogar umso mehr gerechtfertigt!

 

11. Wertveränderungen

 

11.1. § 985 sieht in zwei Sätzen, getrennt nach Wertverlust und Wertsteigerung, in der Sache vor, dass mangels anderer Vereinbarung Wertveränderungen der als Darlehen gegebenen Sachen zwischen Hingabe und Rückgabe außer Betracht bleiben. Das könnte man ohne weiteres auf einen Satz verkürzen (Formulierungsvorschlag unter 11.3.). Erfasst werden – so ausdrücklich auch die Erläuterungen – sowohl Änderungen des objektiven Wertes von (sonstigen) Sachen als auch die des inneren Wertes von Geld. Diese Regel steht in der Tradition des ABGB[32]. Und auch wenn es im 21. Jahrhundert manche Gründe gibt, die Gerechtigkeit einer Dispositivregel anzuzweifeln, die auf die – nach längerer Zeit häufig massive[33] – Veränderung des inneren Wertes keine Rücksicht nimmt, so ist es jetzt wohl schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich, diese Grundsatzfrage anlässlich der Novellierung des Darlehensrechts zu entscheiden[34]. Wünschenswert wäre es aber, in den Materialien klarzustellen, dass § 985 anerkannte Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht berührt[35].

 

11.2. Aufgrund des gesetzlichen Grundsatzes „Geldschuld ist Geldsummenschuld“ werden immer wieder Wertsicherungsklauseln vereinbart. Zu deren – grundsätzlich unbestrittener – Zulässigkeit muss im Darlehensrecht nichts Näheres gesagt werden. Wohl aber erscheint wegen der in mancher Hinsicht unterschiedlichen Folgen (uU auch: Voraussetzungen; siehe die Formfrage unter 7.1.) die Frage regelungsbedürftig, ob allein die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel zur Entgeltlichkeit des Darlehens führt. UE ist sie zu verneinen, da der Darlehensgeber nur so viel an Wert zurück erhalten will, wie er seinerzeit hingegeben hat.

 

11.3. Formulierungsvorschlag für § 985: „Mangels anderer Vereinbarung ist bei der Rückgabe des Darlehens eine seit der Hingabe eingetretene Wertveränderung nicht zu berücksichtigen. Die Vereinbarung einer Wertsicherung führt nicht zur Entgeltlichkeit des Darlehensvertrags.“

 

 

 

12. Die Verzinsungsvorschrift des § 1000 ABGB

 

Aus systematischen Gründen erscheint es schließlich zwar wenig glücklich, die – inhaltlich unangetastete – Regelung des § 1000 (mit der neuen Überschrift „Zinsen und Zinseszinsen“) im Darlehensrecht zu belassen, regelt die Norm doch generell die Verzinsung von Geldschulden. Mittelfristig wäre es jedenfalls vorzugswürdig, im ABGB einen eigenen kurzen Abschnitt über die praktisch so überaus wichtige Geldschuld zu schaffen und den Inhalt des § 1000 (wie zB auch § 905 Abs 2 über den Erfüllungsort bei der Geldschuld oder § 905a über die Fremdwährungsschuld) dort unterzubringen. So lange es einen solchen Abschnitt nicht gibt, ist die Ansiedelung beim Darlehen als Notlösung (so seit dem Jahre 2002) aber wohl noch vertretbar.

 

13. Resümee und Ausblick

 

Im Entwurf der Erläuterungen zum DaKRÄG wird darauf hingewiesen, dass die Novellierung der §§ 983 ff als ein erster Schritt zur generellen Erneuerung und Modernisierung des ABGB („ABGB 2011“) anzusehen ist, dass diese Erneuerung aber angesichts der „gegenwärtig sehr bescheidenen Ressourcen“ nur schrittweise vor sich gehen könne. Bereits die vorstehenden Bemerkungen zu konkreten Einzelnormen haben deutlich gemacht, dass punktuelle Änderungen ohne Gesamtkonzept nicht unproblematisch sind. Blickt man bloß auf das Darlehensrecht und die geplanten Änderungen im ABGB, so wäre es etwa ideal gewesen, zunächst allgemeine Vorschriften zu unentgeltlichen Verträgen, zu Dauerschuldverhältnissen und zur Geldschuld zu schaffen und diese anschließend – soweit überhaupt noch nötig – für den betreffenden Vertragstyp zu konkretisieren. Diese Chance besteht für das Darlehensrecht zwar nicht mehr. In der Zukunft sollte man sie aber nützen und bei der geplanten Erneuerung des ABGB vom Allgemeinen zum Besonderen gehen, nicht umgekehrt. Dass dies nicht nur wünschenswert, sondern auch möglich erscheint, hat uns Deutschland mit der zum 1.1.2002 in Kraft getretenen großen Schuldrechtsreform vorgezeigt, die unter Einbindung mancher Kräfte aus der Rechtswissenschaft in relativ kurzer Zeit mit ganz überwiegend für gut befundenen Ergebnissen gelungen ist.

 

14. Anhang: Der Entwurf der §§ 983 bis 991 im Volltext

 

Darlehensvertrag

§ 983. Im Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem Darlehens­nehmer vertretbare Sachen mit der Bestimmung zu übergeben, dass der Darlehensnehmer über die Sachen nach seinem Belieben verfügen kann. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, dem Darlehensgeber entweder nach einer im Voraus bestimmten Zeit oder auf dessen Verlangen ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben.

 

Arten des Darlehensvertrags

§ 984. Gegenstand eines Darlehensvertrags können Geld oder andere vertretbare Sachen sein. Ein Darlehen kann entweder unentgeltlich oder gegen Entgelt gewährt werden. Bei einem Gelddarlehen besteht das Entgelt in der Regel in den vom Darlehensnehmer zu zahlenden Zinsen. Wenn die Parteien nichts über ein Entgelt vereinbaren, gilt der Darlehensvertrag als unentgeltlich; das Gegenteil trifft aber auf einen außerhalb des Kreises naher Angehöriger geschlossenen Gelddarlehens­vertrag zu; für diesen gilt im Zweifel § 1000 Abs. 1.

 

Steigerung und Minderung des Werts

§ 985. Der Darlehensnehmer hat, sofern nichts anderes vereinbart ist, bei der Rückgabe der Sachen einen in der Zwischenzeit eingetretenen Wertverlust nicht auszugleichen. Gleichermaßen kann er sich auch nicht auf eine Wertsteigerung zur Minderung seiner Rückgabepflicht berufen.

 

Kreditvertrag

§ 986. Der entgeltliche Darlehensvertrag über Geld heißt Kreditvertrag; dazu zählt auch ein Vertrag, mit dem ein Geldbetrag zum Abruf zur Verfügung gestellt wird. Die Parteien dieses Vertrags heißen Kreditgeber und Kreditnehmer.

 

Dauer und Auflösung des Kreditvertrags

§ 987. (1) Der Kreditvertrag kann auf eine im Voraus bestimmte oder auf unbestimmte Zeit geschlossen werden. Eine bestimmte Vertragsdauer erfordert nicht die datumsmäßige Festlegung eines Endtermins, sondern kann sich auch aus den Vereinbarungen über den Kreditbetrag sowie über die Art der Rückzahlung des Kredits und die zu leistenden Zinsen ergeben.

(2) Ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Kreditvertrag kann von jedem Vertragsteil unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden.

(3) Ein auf bestimmte Zeit geschlossener Kreditvertrag endet durch Zeitablauf.

(4) Nach Ende des Kreditvertrags hat der Kreditnehmer den Kreditbetrag samt den noch zu leistenden Zinsen zurückzuzahlen.

 

Außerordentliche Kündigung des Kreditvertrags

§ 988. Jeder Vertragsteil kann den Kreditvertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags aus schwerwiegenden Gründen auf Seiten des Vertragspartners unzumutbar ist. Dies ist etwa der Fall, wenn der Kreditnehmer seine Zahlungspflichten aus dem Kreditvertrag gröblich verletzt.

 

Vorzeitige Kreditrückzahlung durch den Kreditnehmer

§ 989. Der Kreditnehmer hat das jederzeit ausübbare Recht, den Kreditbetrag vor Ablauf der bedungenen Zeit zum Teil oder zur Gänze zurückzuzahlen. Die vorzeitige Rückzahlung des gesamten Kreditbetrags samt Zinsen gilt als Kündigung des Kreditvertrags. Die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen verringern sich bei vorzeitiger Kreditrückzahlung entsprechend dem dadurch verminderten Außenstand und gegebenenfalls entsprechend der dadurch verkürzten Vertragsdauer; laufzeit­abhängige Kosten verringern sich verhältnismäßig. Der Kreditgeber kann vom Kreditnehmer eine angemessene Entschädigung für den ihm aus der vorzeitigen Rückzahlung voraussichtlich unmittelbar entstehenden Vermögensnachteil verlangen.

 

Unwirksame Vereinbarungen über das Kündigungsrecht des Kreditgebers

§ 990. Vereinbarungen, durch die dem Kreditgeber ein nicht an sachlich gerechtfertigte Gründe geknüpftes Recht zur vorzeitigen Kündigung eines auf bestimmte Zeit geschlossenen und seinerseits schon erfüllten Kreditvertrags eingeräumt wird, sind nicht wirksam.

 

Verweigerung der Kreditauszahlung

§ 991. Der Kreditgeber kann die Auszahlung des Kreditbetrags verweigern, wenn sich nach Vertragsabschluss Umstände ergeben, die eine Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers oder eine Entwertung bedungener Sicherheiten in einem solchen Ausmaß erweisen, dass die Rückzahlung des Kredits selbst bei Verwertung der Sicherheiten gefährdet ist.“

 

 

 

 

Graz/Wien, 25. Jänner 2010

o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski eh.

Univ.-Prof. Dr. Raimund Bollenberger eh.



[1] Paragrafenangaben ohne weitere Konkretisierung sind in der Folge immer solche des ABGB in der Fassung des Ministerialentwurfs (Volltext unter 14.).

[2] Dafür statt vieler Kathrein in Fischer-Czermak ua, Das ABGB auf dem Weg in das 3. Jahrtausend 171, 182; P. Bydlinski in Fischer-Czermak ua, ABGB 2011, 19, 21 f; vgl ferner etwa Riedler am zuletzt aO 73, 91.

[3] Für die auch nach dieser Novelle verbleibenden Realverträge (wie Leihe und Verwahrung) sollte es im Rahmen einer größeren Reform zu entsprechenden Umgestaltungen kommen.

[4] Siehe schon Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 1/4 ff; aus der jüngeren Judikatur etwa OGH 8 Ob 156/03d in ÖBA 2005, 138; 7 Ob 263/03g in ÖBA 2005, 278.

[5] Siehe etwa Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 1/8; OGH 1 Ob 150/01t in SZ 74/114 = ÖBA 2002, 256; 8 Ob 156/03d in ÖBA 2005, 138.

[6] Ebenso wenig wie bei anderen Verträgen wird von der Formulierung der Fall mit abgedeckt, dass die Leistung des Darlehensgebers von vornherein an einen vom Darlehensnehmer benannten Dritten (oder auf dessen Konto) zu erfolgen hat. Gleichbehandlung versteht sich jedoch auch schon de lege lata von selbst. Will man aber auch diese Konstellation ausdrücklich vom Wortlaut miterfassen, so könnte man entweder eine entsprechende Ergänzung vorsehen (was die Regelung schwerfälliger machen würde) oder den Satz durch Streichung der Wendung „dem Darlehensnehmer“ offener gestalten. Dritte Möglichkeit: nach dem Vorbild des § 1053 Satz 1 ABGB die Wendung „dem Darlehensnehmer“ durch „einem anderen“ ersetzen.

[7] Soweit er überhaupt überzeugt (zu dessen Satz 2 sofort unter 5.2.).

[8] Zur besonderen Problematik eines Umkehrschlusses aus der Kündigungsregel des Abs. 2 für andere Darlehensverträge sowie der Wendung „auf dessen Verlangen“ in § 983 noch unter 8.2.

[9]  Vgl nur OGH 1 Ob 160/07x in ÖBA 2008, 516.

[10] Darauf, dass der Entwurf für den – sicherlich seltenen – Fall, dass die Parteien eines Sachdarlehensvertrages Entgeltlichkeit vorsehen, aber nichts Näheres zur Gegenleistung vereinbaren, keine Dispositiv- bzw Zweifelsregel enthält, sei hier bloß aufmerksam gemacht.

[11]  Gegen ein „legistisches Dogma“, im ABGB Verweise auf konkrete Bestimmungen anderer Gesetze zu unterlassen, P. Bydlinski in Fischer-Czermak ua, ABGB 2011, 25.

[12] Vgl § 80 Abs 1 Satz 4 AktG, wonach die Zustimmung des Aufsichtsrats ua die Verzinsung zu regeln hat; siehe auch Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht Rz 3/296: Verhinderung einer unangemessen niedrigen Verzinsung.

[13] Zum Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr durch Upstream-Finanzierungen siehe etwa Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht Rz 3/874 mwN.

[14] Unter Bedachtnahme auf die Wertung des § 354 UGB könnte hier zwecks Klarstellung (bereits wegen der lex-posterior-Regel könnte es sonst zu Unsicherheiten kommen) ergänzt werden: „zwischen Nichtunternehmern“ oä.

[15] Oder, wenn ein ausdrückliches Zitat von § 32 Abs. 1 KO nicht in Frage kommt: „nicht zwischen nahe angehörigen natürlichen Personen“ bzw „… nicht von einer natürlichen Person einem ihrer nahen Angehörigen gewährt werden“ oä.

[16] Das ist wohl deutlicher als „in der Regel“, wenn man damit den Dispositivcharakter ausdrücken will. Da aber ohnehin kein Zweifel darüber besteht, dass man auch ein Gelddarlehen kraft Vereinbarung mit einer anders gearteten Gegenleistung verknüpfen kann und darf, könnte sogar diese Wendung („mangels anderer Vereinbarung“) entfallen.

[17] Das im Entwurf hier vorgesehene „im Zweifel“ ist jedenfalls überflüssig: Ergibt Vertragsauslegung einen anderen Prozentpunktesatz, geht dieser ja jedenfalls vor.

[18]  P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote für Rechtsgeschäfte auf dem Prüfstand, insb 65 f.

[19] Vgl ferner die bis heute im ABGB enthaltene Formulierung des § 943 Satz 2 ABGB („schriftliche Urkunde“), obwohl dieser Norm bereits im Jahre 1871 (mit dem NotAktsG) materiell derogiert wurde (dazu etwa P. Bydlinski in Fischer-Czermak ua, ABGB 2011, 19, 24)!

[20]  Koziol (Bankvertragsrecht II Rz 1/4) meinte hiezu, dass der Kreditgeber beim entgeltlichen Kredit keines weiteren Schutzes bedürfe.

[21] Auf diesen Punkt hat uns dankenswerter Weise o. Univ.-Prof. Dr. Peter Apathy aufmerksam gemacht.

[22] Nicht übersehen wird dabei, dass § 945 ABGB (ebenso wie eine darlehensrechtliche Parallelnorm) vor allem durch ihre Lückenhaftigkeit manche Probleme aufwirft. Sie lässt ja etwa ganz offen, was für den Verzug und für Sachmängel gelten soll. Diese Fragen können aber im Rahmen einer Reform bloß des Darlehensrechts selbstverständlich nicht geklärt werden.

[23] Siehe auch OGH 1 Ob 160/07x in ÖBA 2008, 516: Ein Darlehen darf nicht, weil gegen dessen Wesen verstoßend, sogleich fällig gestellt werden.

[24] Siehe zu Darlehen und Kredit nach bisheriger Rechtslage etwa Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 1/49, wo nicht nach der Entgeltlichkeit differenziert wird. Zur Leihe auf unbestimmte Zeit vgl Griss in KBB2 § 971 Rz 4; ein Prekarium mit jederzeitiger Rückforderbarkeit wird im Zweifel nicht vermutet (Griss aaO § 974 Rz 1).

[25]  Zuletzt etwa OGH 9 Ob 16/08f in JBl 2009, 374; 8 Ob 119/08w in JBl 2009, 651.

[26] Dazu statt vieler Dullinger, Schuldrecht Allgemeiner Teil3 Rz 3/158.

[27]  Vgl dazu OGH 3 Ob 2212/96g in ÖBA 1998, 400; 1 Ob 193/99k in ÖBA 2000, 812; 3 Ob 151/09s.

[28] Auf die Vertragstreue weist gerade im Zusammenhang mit Kreditverträgen Kathrein in Fischer-Czermak ua, Das ABGB auf dem Weg in das 3. Jahrtausend 171, 180, zwar ganz zutreffend hin; dennoch tendiert er (185) zum Recht auf vorzeitige Rückzahlung auch außerhalb von Verbrauchergeschäften.

[29] Siehe nur Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 1/19: einer besonderen Begründung bedarf nach § 1052 ABGB nur, dass die Einrede auch wegen Gefährdung der Rückzahlung zusteht.

[30] Oder: „zuzüglich“.

[31] Bzw „des Entgelts“ (siehe dazu schon unter 6.5.).

[32] Siehe statt vieler Griss in KBB2 §§ 989-990 Rz 1 f mwN. Ausführlich Ertl, Inflation, Privatrecht und Wertsicherung.

[33] So kann die Inflation etwa aus einem zunächst angemessenen Entgelt (zB für die Miete eines Grundstücks) nach mehreren Jahren einen Betrag machen, der im Vergleich zum Wert der Gegenleistung die Grenze der laesio enormis überschreitet (Missverhältnis von mehr als 1 zu 2).

[34] Bei der zu befürwortenden künftigen Schaffung eines eigenen Gesetzesabschnitts über die Geldschuld sollte diesem Aspekt jedoch Aufmerksamkeit geschenkt werden.

[35] Siehe hierzu, auch zum Fall plötzlicher Hyperinflation nach langer Währungsstabilität, F. Bydlinski, ÖBA 1996, 499, 500 ff. Judikaturnachweise auch bei Bollenberger in KBB2 § 901 Rz 11.