BKA-600.025/0002-V/8/2010

An das
Bundesministerium

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bearbeiter Herr MMMag Dr Franz KOPPENSTEINER

  herr dr ronald faber

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Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geändert werden;
Begutachtung; Stellungnahme

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst nimmt zum übermittelten Gesetzes­entwurf wie folgt Stellung:

I. Rechtliche Anmerkungen:

Die Unionsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.

Zu Art. 1 Z 2 (§ 52 Abs. 1d Bundesbahngesetz):

Nach dem vorgeschlagenen § 52 Abs. 1d Bundesbahngesetz soll die VAEB die Rechte und Pflichten des Bundes gegenüber den Empfängern der Ruhe- und Versorgungsgenüsse fortsetzen. Dies würde bedeuten, dass sich die Ansprüche auf Ruhe- und Versorgungsgenüsse in Hinkunft nicht mehr gegen die ÖBB, sondern gegen die VAEB richten und dass die VAEB auch sonst die Dienstgeberpflichten gegenüber den Beziehern von Ruhe- und Versorgungsgenüssen wahrzunehmen hätte. Hingegen sollen nach den Erläuterungen die Ansprüche auf Ruhe- und Versorgungsgenüsse nach dem BB‑PG – offenbar weiterhin – gegenüber dem Unternehmen ÖBB bestehen. Die Erläuterungen sind allerdings in sich widersprüch­lich, wenn sie weiter ausführen, dass die VAEB neben den administrativen Aufgaben auch „die finanziellen Verpflichtungen“ gegenüber den Anspruchsberechtigten übernehmen soll, was für einen Übergang der Rechtsbeziehung auf die VAEB spricht.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist dazu auszuführen, dass es nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst zwar zulässig sein dürfte, wenn die VAEB für die bei ihr kranken- und unfallversicherten ÖBB-Bediensteten auch die Berechnung und Auszahlung der gegenüber den ÖBB bestehenden Pensions­ansprüche übernimmt und diese Aufgabe im eigenen Wirkungsbereich besorgt. Zumindest zweifelhaft ist jedoch, ob der VAEB über die bloße Berechnung und Auszahlung hinaus auch sonstige Aufgaben, die dem Dienstgeber gegenüber den Empfängern von Ruhe- und Versorgungsgenüssen zukommen, zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich zugewiesen werden können, handelt es sich doch um Rechte und Pflichten aus einem Dienstverhältnis mit einem Dritten. Es wird daher empfohlen, die Aufgaben der VAEB auf die Berechnung und Auszahlung der Pensionen zu beschränken.

Nach den Erläuterungen handelt es sich bei den Ansprüchen auf Ruhe- und Versorgungsgenüsse nach dem BB‑PG um zivilrechtliche und nicht um sozialver­sicherungsrechtliche Ansprüche. Dies ist eine zutreffende Beschreibung der geltenden Rechtslage (vgl. VfSlg. 17.071/2003). Es ist allerdings unklar, ob diese Rechtslage durch den Entwurf beibehalten werden soll. Nach den Erläuterungen zum vorgeschlagenen Art. 4 (Änderung des ASGG) soll die VAEB über die Höhe des Ruhe- und Versorgungsgenusses nämlich mit Bescheid entscheiden, sodass es sich um ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis handeln würde (was allerdings noch nichts über den Charakter der Rechtsansprüche als civil rights iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK aussagt; vgl. dazu die Bemerkungen zu Art. 4 [Änderung des ASGG]).

Die Unklarheiten über die beteiligten Personen und die Natur des Rechtsver­hältnisses wären jedenfalls zu bereinigen.

Zu Art. 2 Z 1 (§ 2c BB‑PG):

Der vorgeschlagene § 2c definiert die VAEB als „Pensionsbehörde im Sinne dieses Bundesgesetzes, mit Ausnahme der Versetzungen in den Ruhestand sowie der Wiederaufnahme in den Dienststand“. Das BB‑PG enthält den Begriff Pensionsbehörde nur in § 14d. Es wird daher angeregt, anstelle der Begriffs­bestimmung konkret zu normieren, welche Aufgaben die VAEB wahrzunehmen hat (hinsichtlich des Umfangs der zu übertragenden Aufgaben vgl. die Anmerkung zu Art. 1 Z 2 [§ 52 Abs. 1d Bundesbahngesetz]). Im Übrigen ist der Begriff Pensionsbehörde angesichts des privatrechtlichen Charakters des Dienstver­hältnisses und der Pensionsansprüche der ÖBB-Bediensteten missverständlich und sollte daher nach Möglichkeit vermieden werden.

Zu Art. 2 Z 4 (§ 63 BB‑PG):

Nach Abs. 2 erster Satz hat die VAEB bei der Bemessung und Auszahlung der nach dem BB‑PG gebührenden Leistungen „mitzuwirken“. Der verfassungsrechtliche Begriff der „Mitwirkung“ an der Vollziehung (vgl. Art. 97 Abs. 2 B‑VG) bezeichnet lediglich die Teilnahme an den im Vollziehungsbereich einer anderen Autorität liegenden Akten (VfSlg. 8466/1978). Die VAEB soll aber die Pensionsangelegen­heiten „administrativ durchführen“ (Art. 1 Z 5 [§ 52a Abs. 1 Bundesbahngesetz]) und Art. 3 Z 1 [§ 478 ASVG]) und ist Pensionsbehörde im Sinne des BB‑PG (Art. 2 Z 1 [§ 2c BB‑PG]), worin offenbar die Übertragung von Aufgaben und nicht bloß die Setzung von Teilakten liegt (vgl. auch die Erläuterungen zum vorgeschlagenen Art. 4 Z 1 [§ 65 Abs. 1 Z 9 und 10 ASGG], wonach die VAEB über die Höhe des Ruhe- und Versorgungsgenusses einen Bescheid zu erlassen hat). Abs. 2 erster Satz sollte daher entfallen.

Abs. 3 erster Satz normiert einen Anspruch der VAEB gegenüber der ÖBB Holding AG auf Ersatz des ihr durch ihre Mitwirkung gemäß Abs. 2 entstehenden Aufwands; Abs. 4 spricht von Startaufwänden sowie laufenden Aufwänden und Erträgen, Abs. 6 von Verwaltungsaufwand und Abs. 9 von Aufwänden. Es ist unklar, ob der Aufwand­ersatzanspruch des Abs. 3 erster Satz alle Aufwendungen, also nicht bloß den (einmaligen und laufenden) Verwaltungsaufwand, sondern insb. auch die von der VAEB als „pensionsauszahlender Stelle“ iSd § 2c BB‑PG auszuzahlenden Pensionen erfasst (vgl. hinsichtlich der möglichen Aufwendungen zB die Kosten­ersatzregelungen des § 23 BPGG); dies sollte jedenfalls klargestellt werden.

Nach Abs. 12 entscheiden die dort genannten Bundesminister im Fall der Nichteinigung über den von der ÖBB Holding AG an die VAEB zu leistenden Aufwandersatz endgültig, wobei offenbar eine Entscheidung durch Bescheid gemeint ist. Bei diesem Aufwandersatz dürfte es sich um civil rights iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK handeln, die nach der Rechtsprechung des VfGH dem sog. Kernbereich des Zivilrechts zuzurechnen sind (VfSlg. 11.500/1987), sodass darüber ein Tribunal mit eigenständiger Sach- und Rechtskognition zu entscheiden hat; eine bloß nach­prüfende (kassatorische) Kontrolle des Bescheides durch den VwGH bzw. VfGH genügt nicht.

Zu Art. 4 (Änderung des ASGG):

Nach den Erläuterungen soll die Entscheidung über die Höhe des Ruhe- und Versorgungsgenusses nach dem BB‑PG durch Bescheid der VAEB erfolgen und nachfolgend eine sukzessive Kompetenz eröffnet werden. Dazu müsste in § 67 Abs. 1 ASGG die Entscheidung des Versicherungsträgers über die Höhe des Ruhe- und Versorgungsgenusses nach dem BB‑PG als Verfahrensvoraussetzung normiert werden.

Nach § 65 Abs. 1 Z 9 ASGG zählen die dort genannten Rechtsstreitigkeiten nur dann zu den Sozialrechtssachen, „soweit diese Leistungen dem Grunde nach nicht in Frage stehen“. Soll damit der Bestand der Leistungen – vergleichbar der Ver­sicherungszugehörigkeit und ‑zuständigkeit in der Sozialversicherung (§ 65 Abs. 1 Z 1 ASGG) – von der sukzessiven Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte ausgenommen werden, würden darüber Verwaltungsbehörden (in erster Instanz die VAEB) unter der nachprüfenden Kontrolle des VwGH bzw. VfGH entscheiden. Da es sich bei den Ansprüchen auf Ruhe- und Versorgungsgenüsse nach dem BB‑PG unabhängig davon, ob sie einfachgesetzlich als privatrechtliche oder als öffentlich-rechtliche Ansprüche ausgestaltet sind (vgl. die Bemerkungen zu Art. 1 Z 2 [§ 52 Abs. 1d Bundesbahngesetz]), der Sache nach wohl um Ansprüche aus dem Kernbereich des Zivilrechts iSd Rechtsprechung des VfGH zu Art. 6 Abs. 1 EMRK handelt, muss darüber ein Tribunal mit eigenständiger Sachverhalts- und Rechts­kognition in der Sache entscheiden (VfSlg. 11.500/1987). Es wird daher angeregt, die in § 65 Abs. 1 Z 9 ASGG vorgesehene Einschränkung entfallen zu lassen.

II. Legistische und sprachliche Bemerkungen:

Allgemeines:

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL …“) und verschiedene, legistische Fragen betreffende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst zugänglich sind.

Mehrfach fehlt bei Gesetzeszitaten ein Leerzeichen zwischen der Abkürzung „Nr.“ und der Nummer des Gesetzes.

Zu Art. 1 Z 5 (§ 52a Bundesbahngesetz):

Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) wurde zuletzt durch BGBl. I Nr. 29/2010 geändert. Es stellt sich die Frage, ob – und bejahenden Falles warum – statisch auf eine bestimmte Fassung des AVRAG verwiesen werden soll.

Die Stammfassung des Spaltungsgesetzes (SpaltG) in Abs. 3 ist mit „BGBl. Nr. 304/1996“ zu zitieren (vgl. LRL 131 ff).

Zu Art. 2 Z 2 (diverse Bestimmungen des BB‑PG):

Der zu ersetzende Ausdruck hätte zu lauten: „Österreichischen Bundesbahnen“.

Zu Art. 2 Z 3 (§ 62 BB‑PG):

Im Zuge der Novellierung des § 62 sollte die Paragraphenüberschrift „In-Kraft-Treten“ an die überarbeitete Neuregelung der deutschen Rechtschreibung „Inkrafttreten“ angepasst werden (vgl. Duden. Die deutsche Rechtschreibung [2006], 532).

Zu Art. 2 Z 4 (§ 63 BB‑PG):

Es wird angeregt, die Vollziehungsklausel in Abs. 1 entsprechend der legistischen Praxis wie folgt zu formulieren: „Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betraut, mit der Vollziehung des Abs. 12 die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.“

Die Vollziehungsklausel sollte nicht gemeinsam mit anderen Bestimmungen in einem Paragraphen geregelt werden; die Abs. 2 bis 13 sollten daher – wie der vorgeschlagene § 72 – in einem eigenen Paragraphen geregelt werden, wobei allfälliges Übergangsrecht von Dauerrecht getrennt werden sollte.

In Abs. 3 fehlt jeweils ein Punkt am Ende der Abkürzung „BGBl.“.

Die Wortfolge „unter Berücksichtigung der Erträge ausgewiesenen Ergebnisses“ in Abs. 6 ist nicht verständlich; die Bestimmung sollte sprachlich überarbeitet werden.

Zu Abs. 6 wird darauf hingewiesen, dass in der Stammfassung des § 443 ASVG die Wortfolge „rollierenden Gebarungsvorschaurechnungen“ nicht vorkommt.

Zu Art. 2 Z 5 (§ 68 Abs. 2 BB‑PG):

§ 68 Abs. 2 enthält die zu ersetzende Wendung nicht.

Zu Art. 2 Z 6 (§ 72 BB‑PG):

In der Novellierungsanordnung hätte es zu lauten „angefügt“.

Zu den Einleitungssätzen der Art. 3 und 4:

Der Punkt nach der Nennung des Teils I des Bundesgesetzesblattes („BGBl. I Nr. xxx“) hat jeweils zu entfallen.

Zu Art. 3 Z 1 (§ 478 ASVG) und Z 2 (§ 625 Abs. 12 ASVG):

§ 478 ASVG wurde durch Art. V Z 68 der 29. ASVG‑Novelle, BGBl. Nr. 31/1973, ersatzlos aufgehoben. Die Novellierungsanordnung des Art. 3 Z 1 hätte daher zu lauten: „§ 478 samt Überschrift lautet:“.

Angesichts des § 544 ASVG genügt es, wenn die Zitierung der Fundstelle des Arbeitsverfassungsgesetzes und des Bundesbahn-Pensionsgesetzes lediglich beim ersten Zitat erfolgt; wird beim ersten Zitat dem Kurztitel die Abkürzung in Klammer nachgesetzt, kann in der Folge die Abkürzung verwendet werden, wenn dadurch der Informationswert des Zitats nicht beeinträchtigt wird (LRL 133).

Die Novellierungsanordnung des Art. 3 Z 2 hätte wie folgt zu lauten: „Der Punkt am Ende des § 625 Abs. 12 Z 5 wird durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 6 wird angefügt:“.

Zu Art. 3 Z 3 (§ 650 ASVG):

Die Inkrafttretensbestimmung ist um § 625 Abs. 12 Z 5 zu ergänzen.

Ein § 650 ASVG existiert bereits. Es wird darauf hingewiesen, dass derzeit mehrere andere Ministerialentwürfe bzw. Regierungsvorlagen ebenfalls Änderungen des ASVG vorsehen, sodass bei einer Beschlussfassung des vorliegenden Entwurfes auf die richtige Paragraphenbezeichnung zu achten ist.

Zu Art. 4 Z 1 (§ 65 Abs. 1 ASGG) und Z 2 (§ 98 Abs. 23 ASGG):

Die Novellierungsanordnung des Art. 4 Z 1 hätte wie folgt zu lauten: „Der Punkt am Ende des § 65 Abs. 1 Z 8 wird durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 9 und 10 werden angefügt:“; die Inkrafttretensbestimmung des § 98 Abs. 23 wäre um die Z 8 zu ergänzen.

In § 65 Abs. 1 Z 9 wird statisch auf das BB‑PG verwiesen. Sollen nicht bloß die Bestimmungen des BB‑PG in dieser bestimmten Fassung gemeint sein, hätte die Anführung einer bestimmten Fassung des Gesetzes zu unterbleiben. Weiters stellt sich die Frage, weshalb in § 65 Abs. 1 Z 9 die Bundesbahn-Pensionsordnung in ihrer Stammfassung zitiert wird.

Zu Art. 5 Z 2 (§ 23 Abs. 3 BPGG):

Das ASVG kann mit seinem Kurztitel zitiert werden (LRL 133).

Zu Art. 5 Z 3 (§ 23 Abs. 3a bis 3d BPGG):

Die Novellierungsanordnung könnte lauten: „… Abs. 3a bis 3d eingefügt:“.

Zu Art. 5 Z 5 (§ 34 BPGG), Art. 6 Z 2 (§ 12 Abs. 2 KGEG) und Z 3 (§ 13 Abs. 1 KGEG):

Nach den Erläuterungen zu Art. 6 Z 2 und 3 ist die VAEB bei der ihr durch § 52a Bundesbahngesetz übertragenen administrativen Durchführung der Angelegenheiten nach dem KGEG als Pensionsversicherungsträger im Sinne dieses Bundesgesetzes tätig, sodass sich eine ausdrückliche Nennung im Gesetz offenbar erübrigen soll. Mit der genau gegenteiligen Begründung – wonach die VAEB ihre Aufgaben im BB‑PG nicht in der Funktion eines Sozialversicherungsträgers zu erfüllen hat (Erläuterungen zu Art. 5 Z 5) – wird die VAEB in § 34 BPGG neben den sonstigen Sozialver­sicherungsträgern gesondert angeführt; eine einheitliche Vorgangsweise sollte gewählt werden.

Diese Stellungnahme wird im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 6. Juli 1961 u.e. auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis gebracht.

24. Juni 2010

Für den Bundeskanzler:

HESSE

 

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