Wien, am 6. Juli 2010

 

Positionspapier Finanzstrafgesetznovelle 2010/

Betrugsbekämpfungsgesetz 2010

Die Wirtschaft, deren CFOs und deren Berater werden kriminalisiert

 

Mit der Finanzstrafgesetznovelle 2010 soll die Verfahrensabwicklung im Finanz­strafverfahren einerseits effizienter, zeitnäher und rascher erfolgen, indem „kleine Fälle“ entkriminalisiert werden, andererseits soll die damit verbundene Reduktion der Kontrolldichte mit extrem hohen Strafdrohungen bei Abgabenver­kürzungen bei größeren Beträgen verbunden werden. Dieses kriminalpolitische Leitbild der Novelle ist nicht nur empirisch längst zigfach widerlegt[1], vielmehr führt die gesamte rechts­politische Überlegung dieser Novelle zu einer extremen Risikoverschiebung zu Lasten der österreichischen Wirtschaft und vor allem der für Finanzen zuständi­gen Vorstände und Geschäftsführer.

 

Die Risikoverschiebung zu Lasten der Wirtschaft ergibt sich aus folgenden Grün­den:

 

1.  Absolute Betragsgrenzen sind kein tauglicher Anknüpfungspunkt für drastische Strafdrohungen

 

Im vorliegenden Gesetzesentwurf wird die Höhe der Steuernachzahlung vielfach zum entscheidenden Kriterium dafür gemacht,

 

·         ob in der Praxis überhaupt ein Finanzstrafverfahren einzuleiten ist (bis zu EUR 10.000,00 sollen als „Kavaliersdelikt“ ähnlich einer Anonymverfügung durch so genannte „Abgabenerhöhung“ abgedealt werden können), hinge­gen

·         sollen Berater ab einem Beratungsfehler von EUR 30.000,00 kriminalisiert werden, und

·         Nachzahlungen, die einen Betrag von EUR 100.000,00 übersteigen, sollen zu massiven Strafdrohungen gegen die handelnden Personen führen.

 

Würden sich die in der Wirtschaft tätigen Manager und deren Berater ständig an derartigen Wertgrenzen orientieren müssen, um das persönliche Haftungsrisiko ihrer Tätigkeit zu beurteilen, würde man jedes effiziente Management eines größeren Unternehmens massiv behindern, weil die Entscheidungsgeschwindig­keit extrem verlangsamt werden würde. Heikle Entscheidungen würden zwischen Management und Beratern hin- und hergeschoben werden, viele wirtschaftlich sinnvollen Entscheidungen würden nicht rechtzeitig erfolgen können:

 

Viele Sachverhalte (grenzüberschreitende Verrechnungspreise, Konzernumlagen, etc) sind eben nicht exakt und außer Streit bewertbar, liegen aber immer über den EUR 100.000,00 – und damit wird der Berufsstand CFO zwangsläufig krimi­nalisiert.

 

Eine Versicherungsdeckung der handelnden Personen für Geldstrafen wäre zwei­felhaft, würde jedenfalls zu einem Kostenschub führen und das Risiko für Haft­strafen (dazu später) würde die Entscheidungsfindung endgültig einbremsen.

 

2.  Der Sanktionsmechanismus ist völlig aus dem Rahmen geraten

 

2.1    Verhängung primärer Freiheitsstrafen

 

Bei Abgabenhinterziehung mit einem Verkürzungsbetrag von mehr als EUR 100.000,00 ist zwingend eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren und zusätzlich eine Geldstrafe bis zu EUR 2 Mio zu verhängen. Die Vorstellung, dass ein Betrag von EUR 100.000,00 die Grundlage für die Beurteilung eines allenfalls deliktischen Verhaltens eines Managers abgeben kann, ist völlig wirtschafts­fremd. Alleine beim Volumen an Umsatzsteuer und Vorsteuer, das in tausenden österreichischen Unternehmen jährlich bewegt wird, ist diese Betragsgrenze ab­surd gering.

 

Jede Korrektur von Verrechnungspreisen führt zu zigfach höheren Beträgen. Jede Unternehmenstransaktion in der österreichischen Wirtschaft zieht zigfach höhere Steuerkonsequenzen nach sich. Jede Bewertungsüberlegung, die Steuerrelevanz hat, könnte im Hinblick darauf, dass sie eine bewusste Entscheidung unter Unsi­cherheit dargestellt hat, unter dem weiten Begriff des „dolus eventualis“ von einer Abgabenbehörde auf eine vorsätzliche Abgabenhinterziehung der Entschei­dungsträger untersucht werden.

 

Alleine das Drohpotential, das vor dem Hintergrund dieser drastischen Erhöhung der Sanktionen bewirkt wird, führt zu einer völlig unangemessenen Belastung der österreichischen Wirtschaft.

 


2.2    Kumulation der primären Freiheitsstrafe mit Geldstrafen

 

Die zwingend vorgeschriebene Kumulation von Freiheits- und Geldstrafe wertet Finanzvergehen strenger als Vermögensdelikte im österreichischen Strafrecht, die vergleichsweise geringer pönalisiert werden. Damit wird die Eintreibung von Steuern zu einem höheren Rechtsgut hochstilisiert als der Schutz des Eigentums im privaten Be­reich. Völlig überzogen ist auch die vorgeschlagene Verbandsgeld­buße bis zu EUR 5 Mio.

 

Aus Sicht der österreichischen Wirtschaft ist es völlig inakzeptabel, dass der zwar verständliche Wunsch des Staates, durch Einsparung von Ressourcen im Bereich von Prüfungen dadurch kompensiert wird, dass die Wirtschaft mit überzogenen Strafdrohungen bedroht wird.

 

Die Anknüpfung einer primären Freiheitsstrafe ab einem Absolutbetrag von EUR 100.000,00 ist daher ebenso abzulehnen, wie die Beibehaltung des anti­quierten und für die Wirtschaft systemimmanent ungerechten Systems der Geld­summenstrafe.

 

3.  Einführung eines neuen Deliktstypus „Abgabenbetrug“

 

Der Abgabenbetrug soll typische Tatmuster, wie Umsatzsteuerkarusselle, Vorsteuerschwindel durch Scheinrechnungen, etc. treffen. Gegen ein Vorgehen dieser organisierten Kriminalität ist nichts einzuwenden. Die gefundene Lösung, wonach eine drastische Sanktionserhöhung (Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren als Primärstrafen!, daneben Geldstrafe bis zu EUR 2 Mio, Verbandsbußen bis zu EUR 10 Mio) daran gekoppelt wird, ob

 

a)   falsche oder verfälschte Urkunden verwendet werden,

b)   die Zurechnung von Einkünften oder Wirtschaftsgütern unrichtig dar­gestellt wird bzw

c)   „Scheingeschäfte“ und „Scheinhandlungen“ festgestellt werden,

 

ist für die Wirtschaft keine akzeptable Lösung. Die zunehmende Internationali­sierung der Wirtschaft, die in den Erläuterungen als Gefahrenpotential für den österreichischen Staat genannt wird, ist nämlich nicht nur ein Gefahrenpotential, sondern auch eine große Chance für die österreichische Volkswirtschaft – und die damit verbundene erhöhte Komplexität der zugrunde liegenden Aktivitäten und Transaktionen kann nicht dazu führen, dass dies den Managern der Wirtschaft zum Vorwurf gemacht wird.

 

Die Zurechnung von Einkünften oder Wirtschaftsgütern kann eine hochkomplexe Aufgabenstellung sein – die gesamte Leasingwirtschaft beschäftigt sich laufend mit dieser Frage – und die Beurteilung eines Geschäfts oder einer Handlung als „Scheingeschäft“ oder „Scheinhandlung“ ist sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich gesehen einer jener Graubereiche, die in jedem Rechtssystem seit Bestehen der Rechtsordnungen zu den herausforderndsten Beschäftigungen von Juristen zählen. Jede Korrektur von Verrechnungspreisen könnte unter diesen Titeln abgehandelt werden, viele Bilanzierungsentscheidungen im Bereich der Projektfinanzierung, etc.

 

4.  Beraterhaftung

 

Die österreichische Wirtschaft braucht Berater, die gerade bei steuerlichen Fra­gen rasch und kompetent Auskunft geben können. Im vorliegenden Entwurf wird die besondere Gefahrengeneigtheit dieser Berufsgruppe zur Seite geschoben: Der Erfolgsunwert wird daran geknüpft, ob der Beratungsfehler zu einer Abga­benverkürzung führt, die EUR 30.000,00 übersteigt. In diesem Fall soll eine strafrechtliche Beraterhaftung schon bei leichter Fahrlässigkeit gegeben sein.

 

Eine derartige Risikoerhöhung der Berater ist aus Sicht der österreichischen Wirt­schaft in höchstem Maße unbefriedigend, weil davon auszugehen sein wird, dass nahezu jede steuerliche Beratungstätigkeit für die österreichische Wirtschaft potenziell kriminalisiert wird (für Bagatellfälle werden Berater aus Kosten­gründen nicht beschäftigt). Diese Risikoerhöhung würde daher dazu führen, dass die Ver­bindlichkeit von Beratungsempfehlungen extrem reduziert wird. Dies kann aber auch nicht im Interesse der österreichischen Finanzverwaltung sein, weil damit bereits jetzt vorprogrammiert ist, dass das neue „Ruling-System“ – wenn es überhaupt anwendbar wäre, was gar nicht für alle Sachverhaltsgruppen sicher ist – von Be­ginn weg hoffnungslos überlastet wird.

 

Letztlich bleibt dem CFO dann eine Entscheidung in Unsicherheit und bei grenz­überschreitenden Sachverhalten eine loose-loose-Situation, weil dort die auslän­dische Finanzverwaltung mit Sicherheit nicht die gleiche Ansicht wie die österrei­chische haben wird.

 

5.  Betrugsbekämpfungsgesetz

 

Durch § 109 b EStG sollen umfangreiche Mitteilungspflichten bei Auslandszah­lungen eingeführt werden. Diese Abwälzung von Verwaltungsarbeit auf die Unternehmen trifft vor allem die redlichen Abgabepflichtigen. Und sie entspricht nicht dem Geist der seit mehreren Jahren vom BMF propagierten Initiative in den Unternehmen, den Aufwand für öffentliche Verwaltung zu reduzieren.

 

Bei im Ausland tätigen Unternehmen Wohnsitz, Geburtsdatum und Sozialversi­cherungsnummer der Empfänger zu verlangen zeugt von der irrigen Vorstellung, dass in allen Ländern in Afrika oder Asien, mit denen Unternehmen Geschäftsbe­ziehungen haben, diese Daten problemlos zu bekommen sind.

 

Auch durch den Zuschlag bei fehlender Empfängerbenennung (§ 22 Abs 3 KStG) wird nicht den Tätern die prohibitive Steuerlast auferlegt, sondern jenen Unter­nehmen, die im Sinne der österreichischen Wirtschaft Aufträge in schwierigeren Exportländern akquirieren wollen (und damit Steuersubstrat nach Österreich holen). Gerade bei den 50 größten Unternehmen ist die Gefahr der verdeckten Gewinnausschüttung an natürliche Personen („zweite Besteuerungsebene“) nicht gegeben.

 

6.  Zusammenfassung

 

Insgesamt sehen wir aus diesen Zusammenhängen das Risiko einer lähmenden Verlangsamung unserer Entschei­dungsprozesse und eine Kriminalisierung des Berufsstandes der CFOs. Die geplante Novelle sollte grundlegend überdacht wer­den und das Sanktionssystem grundlegend an die oben dargestellten Überlegun­gen angepasst werden.

 

Mit dem Betrugsbekämpfungsgesetz werden den Unternehmen weitere admi­nistrative Lasten auferlegt, um das Steueraufkommen Dritter zu sichern.

 

 

Der Vorstand des CFO Club Austria – Verein der Finanzvorstände Österreichs

 

 

    Mag. Hannes Bogner                                David C. Davies

 

 

MMag. Dr. Klaus-Bernhard Gröhs                 Mag. Franz Hiesinger

 

 

         Dr. Georg Krause                                 Mag. Hans Tschuden



[1]      Siehe dazu die Stellungnahme der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 28.6.2010.