REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ

 

 

 

 

 

Bundesministerium für Finanzen

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Sachbearbeiter(in):

Dipl. Ing. Mag. Petra Schindler-Pecoraro

*Durchwahl:

2199

 

 

Betrifft:

FinStrG Novelle 2010

 

Das BMJ nimmt zum Entwurf zum Bundesgesetz, mit dem das Finanzstrafgesetz geändert wird (Finanzstrafgesetznovelle 2010 – FinStrG-Novelle 2010) wie folgt Stellung:

Allgemeines

Zunächst darf angemerkt werden, dass die Intention des Vorhabens zu begrüßen ist. Insbesondere die Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung sind ein wichtiges Anliegen. Mögliche Auswirkungen der Novelle auf den Bundeshaushalt im Bereich Justiz sollten noch Erwähnung finden.

Zu einzelnen Bestimmungen

Zu Z 2 (§ 1):

Die durch die Klarstellung erzielte Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber wird grundsätzlich begrüßt. In diesem Zusammenhang darf schon hier auf die Stellungnahme zu Z 17 hingewiesen werden.

Zu Z 5 lit. b (§ 15  Abs. 3): Die vorgesehene Anwendbarkeit von § 37 StGB wird begrüßt.

Zu Z 10 (§ 29):

Der Text von Abs. 2 könnte noch klarer formuliert werden:

„(2) War mit einer Verfehlung eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden, so tritt die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offen gelegt werden, und binnen einer Frist von einem Monat die sich daraus ergebenden Beträge, die vom Anzeiger geschuldet werden, oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, tatsächlich mit schuldbefreiender Wirkung entrichtet werden. Die Monatsfrist beginnt bei selbst zu berechnenden Abgaben (§§ 201 und 202 BAO) mit der Selbstanzeige, in allen übrigen Fällen mit der Bekanntgabe des geschuldeten Betrages an den Anzeiger zu laufen und kann durch Gewährung von Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO) auf höchstens zwei Jahre verlängert werden. Lebt die Schuld nach Entrichtung ganz oder teilweise wieder auf, so bewirkt dies unbeschadet der Bestimmungen des § 31 insoweit auch das Wiederaufleben der Strafbarkeit.“

Auch § 29 Abs. 3 lit. b könnte einfacher formuliert werden: „b) wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war oder die Entdeckung der Verletzung einer zollrechtlichen Verpflichtung hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale unmittelbar bevorstand und dies dem Anzeiger bekannt war, oder

Hinsichtlich des Zeitpunktes der Offenlegung der bedeutsamen Umstände darf auf ein Redaktionsversehen in der Textgegenüberstellung (Seite 19 von 39) hingewiesen werden, wo es anstelle von „ohne Verzug“ „gleichzeitig mit der Selbstanzeige“ heißt.

Zu Z 11 (§ 30a):

Im Folgenden dürfen einige Vorschläge zur Präzisierung unterbreitet werden:

Im Abs. 1 sollte „kann“ durch „wird“ ersetzt werden, da sonst der Eindruck entsteht, es bestünde noch ein Ermessensspielraum.

Leider etwas verschwommen bleibt der dogmatische Charakter der Maßnahme wegen der Verwendung unterschiedlicher Begriffe: Überschrift und Abs. 1 sprechen von „Strafaufhebung“, Abs. 4 von „Straffreiheit“, Abs. 3 dagegen von „Befreiung von der Verfolgung“. Es könnte sich weiters als sinnvoll erweisen, für das Rechtsinstrument eine Bezeichnung zu wählen, die den Inhalt eindeutig umschreibt (etwa  „Hinterziehungszuschlag“).

Weiters ist nicht gänzlich klar, auf welche Handlung sich die Wendung „eines dadurch begangenen Finanzvergehens“ bezieht. Die Formulierung des Abs. 1 könnte lauten: "Durch Entrichtung einer durch die Abgabenbehörden festzusetzenden Abgabenerhöhung in Höhe von 10 % der im Zuge einer Außenprüfung (§ 147 BAO) oder einer Nachschau (§ 144 BAO) festgestellten Abgabenverkürzung kann die Strafbarkeit eines dadurch begangenen Finanzvergehens aufgehoben werden, …“

Abs. 3 normiert als zusätzliche Voraussetzung die tatsächliche Entrichtung binnen eines Monats. Auf § 29 Abs. 2 wird sinngemäß verwiesen, wo aber von einer Offenlegung der bedeutsamen Umstände und dem Fristbeginn die Rede ist, was im gegenwärtigen Fall nicht anwendbar erscheint. Es wird vorgeschlagen, diejenigen Inhalte ausdrücklich in § 30a Abs. 3 aufzunehmen, die anwendbar sein sollen.

Zu Abs. 7 sollte es zur Präzisierung statt „§ 3 BAO“ „§ 3 Abs. 1 BAO“ heißen.

Bei einem neuartigen Rechtsinstrument wie § 30a könnten das Verhältnis zu bestehenden Rechtsinstrumenten und die verfolgten Zwecke in den Erläuterungen genauer erläutert werden, um der besonderen Bedeutung gerecht zu werden.

Zu Z 12 lit. c (§ 33 Abs. 5):

Die Einführung wird begrüßt, weil ein an der Sorgfaltswidrigkeit des Täters orientiertes System der Bestrafung aus grundsätzlichen strafrechtlichen Überlegungen sachgerechter erscheint als das bisherige, allein am objektiven Erfolg orientierte.

Während § 33 Abs. 5 in der bisherigen Fassung den Charakter einer Strafbemessungsvorschrift hatte, wird – nach den Erläuterungen beabsichtigt – durch die Neufassung eine Deliktsqualifikation geschaffen, die als zusätzliches Tatbestandsmerkmal den 100 000 Euro übersteigenden Verkürzungsbetrag anführt. Nach allgemeinen Grundsätzen muss dieses Merkmal auch vom (zumindest bedingten) Vorsatz des Täters umfasst sein (zB RIS-Justiz RS0094639, RS0093755), wenn auch eine annähernde Vorstellung des Täters über den relevanten Schadensumfang genügt (EvBl 1983/167). Dafür wird die Staatsanwaltschaft im Prozess gegen leugnende Angeklagte den Nachweis führen müssen.

Aus der in den Erläuterungen angeführten E des OGH vom 19.3.2009, 13 Os 105/08b, und der stRsp des OGH, dass sich der Vorsatz des Täters bei Finanzstraftaten nicht auf die Höhe des Verkürzungsbetrages beziehen muss (RIS‑Justiz RS0086997), folgt eine zu erwartende Zunahme an Verfahren bei den Gerichten wegen aus tatbestandlicher Handlungseinheit abgeleiteter Zuständigkeit für alle Beteiligten sowie für alle sonst als von Vorsatz/Sorgfaltswidrigkeit nicht umfasst angesehenen steuerlichen Einzelaspekte. Durch die angestrebte Änderung wird diesem Problem begegnet.

Zu § 33 Abs. 5 lit. c siehe unten zu Z 16.

Zu Z 13 (§ 34 Abs. 3):

Nach dem Vorbild des § 88 Abs. 2 Z 2 StGB soll Abs. 3 als Strafaufhebungsgrund unter ausdrücklicher Berücksichtigung auch des Erfolgsunwertes (30 000 Euro übersteigend) umgestaltet werden. Eine Anhebung auf 100 000 Euro (Grenze zwischen verwaltungsbehördlichem und gerichtlichem Finanzstrafverfahren) wird angeregt.

Zu Z 14 lit. a (§ 35 Abs. 4):

In § 35 Abs. 4 lit. c sollte der Vollständigkeit halber „mit einer Verbandsgeldbuße“ eingefügt werden. Zur Höhe der Verbandsgeldbuße siehe unten zu Z 16.

Zu Z 16 (§ 37):

In § 37 Abs. 2 lit. c sollte der Vollständigkeit halber ebenfalls „mit einer Verbandsgeldbuße“ eingefügt werden, um eine einheitliche Terminologie im Sinne von § 28a FinStrG zu erreichen. Zwischen Abs. 2 lit. b und lit. c klafft eine Sanktionslücke für Beträge zwischen 50 000 und 100 000 Euro.

§ 33 Abs. 5 lit. c und § 35 Abs. 4 lit. c drohen Verbänden eine Verbandsgeldbuße in Höhe von bis zu fünf Mio. Euro an, § 37 Abs. 2 lit. c bis zu zehn Mio. Euro. Der Unterschied erscheint nicht zwanglos erklärbar; um dem Unwertgehalt insbesondere bei großen Verbänden besser und vor allem einheitlich gerecht zu werden, wird eine Anhebung in § 33 Abs. 5 lit. c und § 35 Abs. 4 lit. c auf zehn Millionen Euro angeregt.

Zu Z 17 (§ 38 Abs. 1):

Die Aufrechterhaltung der Strafdrohung von fünf Jahren bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von mehr als 500 000 Euro ist zu hinterfragen. Diese Fälle wären auch gemäß § 1 Z. 3 als Verbrechen einzustufen. Jene Fälle, in denen der kriminelle Unwert an jenen des schweren Betruges heranreicht, soll § 39 erfassen; für die übrigen Fälle reicht die in § 38 Abs. 1 vorgesehene Strafschärfung auf das Eineinhalbfache aus.

Sollte der strengere Strafsatz von fünf Jahren beibehalten werden, so wird die Einführung eines eigenen Abs. 2 dafür vorgeschlagen, um Problemen bei der Zitierung und registermäßigen Erfassung aus dem Weg zu gehen.

Die Überschrift könnte deutlicher gefasst werden (etwa „Gewerbsmäßiges Finanzvergehen, Finanzvergehen im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und mit Waffen“).

Zu Z 18 (§ 39):

Die Einführung des Tatbestandes des Abgabenbetruges wird begrüßt, da sie dazu dienen kann, zielgerichteter als bisher (mit den Qualifikationen nach § 38) Fälle schwerer betrügerischer Kriminalität zu bekämpfen.

Es wird davon ausgegangen, dass bei einer Mehrzahl von strafbaren Handlungen nicht alle Finanzvergehen qualifiziert begangen werden müssen, um unter § 39 zu fallen, vielmehr werden mehrere Tatbestände in Realkonkurrenz vorliegen. Ein Hinweis dazu wäre in die Erläuterungen aufzunehmen.

Um beim Strafrahmen ein Ungleichgewicht zu § 147 Abs. 3 StGB zu vermeiden, wird vorgeschlagen, an Stelle des Strafrahmens von Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren und fakultativer zusätzlicher Geldstrafe bis zu zwei Mio. Euro vorzusehen, dass auf die eine Geldstrafe bis zu zwei Mio. Euro dann erkannt werden kann, wenn eine acht Jahre nicht übersteigende Freiheitsstrafe verhängt wird.

Zu Z 27 lit. a (§ 53 Abs. 1 lit. b):

Die Anhebung der die gerichtliche Zuständigkeit bestimmenden Wertgrenzen wird begrüßt. Ein Entfall der Bezeichnung von "lit. b" als solcher wird angesichts der Abschaffung der lit. a im Jahr 1999 angeregt.

Zu Z 35 lit. c (§ 99 Abs. 5):

Soweit die Erläuterungen bemerken, dass eine besondere datenbankmäßige Erfassung über die bereits nach der geltenden Rechtslage in das Finanzstrafregister gem. § 194b aufzunehmenden Daten hinaus nicht vorgesehen ist, wäre wohl eine Löschungsverpflichtung der gewonnenen Personendaten (etwa nach Vorbild von § 75 Abs. 4 StPO) ausdrücklich vorzusehen.

Zu Z 46 und 47 (§ 188):

Die Neufassung des Entschädigungsrechtes wird begrüßt.

Zu Z 50 (§ 196 Abs. 3):

Der Staatsanwaltschaft sollte zumindest auch die Möglichkeit eingeräumt werden, eines solchen Zuständigkeitswechsel anzuregen, um Einfluss auf die Verfahrensdauer zu erlangen; der letzte Satz der vorgeschlagenen Änderung könnte in diesem Sinn etwa lauten: „Darüber ist der Staatsanwaltschaft zu berichten, die ein solches Vorgehen auch anregen kann.“

Zu Z 51 (§ 202 Abs. 7):

Die vorgeschlagene Bestimmung erscheint grundsätzlich nicht notwendig: Die gesetzwidrige Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die StA wegen Unzuständigkeit kann ohnehin bereits jetzt von der Finanzstrafbehörde mit Antrag auf Fortführung des Verfahrens gemäß §§ 205 FinStrG iVm 195 Abs 1 Z 1 StPO releviert werden. Gemäß § 195 Abs 3 StPO (bzw. nach stattgebender Entscheidung des Gerichtes gemäß § 196 Abs 3 StPO) wird die StA das Verfahren fortzuführen und gemäß § 202 Abs 1 FinStrG die gerichtliche Entscheidung über die Zuständigkeit einzuholen haben.

Eine Einstellung des Verfahrens (wegen Unzuständigkeit) kann weder als eine Verweigerung der Ausübung eines Rechtes iSd § 106 Abs 1 Z 1 StPO noch als eine (das Gesetz verletzende) Anordnung oder Durchführung von Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahmen iSd § 106 Abs 1 Z 2 StPO angesehen werden. Überdies ist ein Einspruch wegen Rechtsverletzung nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens (und sohin auch nach Einstellung des Verfahrens gemäß § 190 StPO, selbst wenn diese verfehlt gewesen sein sollte) gemäß § 107 Abs 1 StPO nicht mehr zulässig.

Grundsätzlich steht der Staatsanwaltschaft auch im Ermittlungsverfahren wegen eines Finanzvergehens die Möglichkeit eines Vorgehens gemäß § 190 Z 2 StPO zu. Anders wäre auch die Bestimmung des § 201 FinStrG nicht zu erklären, weil sich daraus ja ergibt, dass die Staatsanwaltschaft auch auf Grund eines Antrags das Verfahren aus den in § 108 Abs. 1 Z 2 StPO geregelten Grund (eines Unterfalls des § 190 Z 2 StPO) einzustellen hat.

Das BMJ spricht sich daher mit Nachdruck gegen diese Bestimmung aus; im Gegenteil wäre es wohl angebracht, die Notwendigkeit einer originären gerichtlichen Kompetenz auch im Fall des § 202 zur Gänze zu hinterfragen und der Staatsanwaltschaft zusätzlich ein ausdrückliches Einstellungsrecht einzuräumen, was auch der durch die StPO-Reform normierten Stellung der Staatsanwaltschaft als Leiterin des Ermittlungsverfahrens besser entspräche.

Es wird daher eine Regelung nach Vorbild von § 48m BörseG angeregt. § 202 Abs. 1 könnte lauten: „Stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren mangels Zuständigkeit des Gerichtes (§ 53) oder sonst gemäß § 190 StPO ein, so hat sie die Finanzstrafbehörde davon zu verständigen (§ 194 StPO).“ Die Abs. 3 bis 5 des § 202 FinStrG könnten entfallen.

Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft hätte die Finanzstrafbehörde gemäß § 205 FinStrG wie bisher die Möglichkeit, die Fortführung des Ermittlungsverfahrens nach § 195 StPO zu beantragen.

 

**Genehmigungsdatum**
Für die Bundesministerin:
**Genehmiger(in)**

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