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Wien, am 16. November 2010

Zl. B,K-743/151110/HA

 

GZ: BMVIT-239.597/0014-V/INFRA6/2010

GZ: BMVIT-244.017/0024-II/ST7/2010

 

 

Betreff: BG, mit dem das BG über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 – ÖPNRV-G 1999) geändert wird

 

Betreff: BG, mit dem das BG über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG) geändert wird

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Österreichische Gemeindebund erlaubt sich mitzuteilen, dass zu obig angeführten Gesetzesentwürfen vorerst folgende Stellungnahme abgegeben wird:

 

Mit dem ÖPNRV-G 1999 wurde die Aufgaben- und Ausgabenverantwortung für Verkehrsdienste im Kraftfahrlinienverkehr auf die Länder und Gemeinden übertragen. Damit treten Länder und Gemeinden als Besteller von Verkehrsdienstleistungen im Straßenpersonenverkehr auf.

Vorweg ist zu betonen, dass in beiden Novellierungsvorschlägen die Besteller-Autonomie (Land, Gemeinde) auf der einen Seite und die Qualität für den Fahrgast unter den wirtschaftlich besten Rahmenbedingungen (Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit) im Vordergrund stehen sollte.

Gute Rahmenbedingungen sind bspw. die Bestellung von Linienbündel für einen bestimmten Bereich, der sowohl wirtschaftlich lukrative Kurse als auch Kurse mit Abgang (Querverbindungen, Anschlüsse) beinhaltet. Auf diese Weise ist es dem Besteller möglich, kostengünstig Beauftragungen durchzuführen.

Mit den vorliegenden Novellen sollen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 für den Betrieb des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs im Hinblick auf  die Gewährung von Ausgleichszahlungen durch die öffentliche Hand umgesetzt werden.

Der Handlungsbedarf in Bezug auf die EU-rechtlich gebotene Umsetzung der PSO-Verordnung in innerstaatliches Recht bietet die Chance, die Vergabe bzw. Förderung von Verkehrsdienstleistungen gegenüber der derzeitigen historisch gewachsenen Situation vor allem auch im Interesse des sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Einsatzes der erheblichen öffentlichen Mittel, die in diesem Bereich eingesetzt werden, wesentlich zu verbessern.

Aus den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf (ÖPNRV-Gesetz) geht hervor, dass einerseits die finanziellen Mittel des Bundes, die für den Betrieb des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs zur Verfügung gestellt werden, in unveränderter Höhe aufrecht erhalten werden und andererseits für die regionalen Gebietskörperschaften keine finanziellen Mehrbelastungen gegeben bzw. Kostenüberwälzung zu befürchten sind.

Abgesehen davon, dass eine Kürzung der bereitzustellenden Mittel ohnedies undenkbar ist, muss darauf hingewiesen werden, dass diese Mittel unzureichend sind um den Personennahverkehr aufrecht zu erhalten.

Die Situation im Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr ist geradezu dramatisch. Insbesondere die wirtschaftlich benachteiligten, peripheren ländlichen Gemeinden müssen immer höhere Aufwendungen für die Aufrechterhaltung des ÖPNV treffen. Während die bestehenden, etablierten Verkehrsdienstleister sich naturgemäß auf die stark frequentierten, kommerziell tragfähigen Hauptverkehrslinien konzentrieren, bleiben die Gemeinden immer mehr auf den weniger ausgelasteten, defizitären Kursen „sitzen“.

Abgesehen davon, dass es durch die vorliegenden Entwürfe zu einer Verfestigung des bestehenden Systems kommt, trifft die Finanzierungslast für kommerziell weniger interessante Verkehrsdienste (Zwischentakte, Tagesrandverbindungen etc.) in vollem Umfang die Gemeinden.

Vor allem Gemeinden mit stagnierenden oder sinkenden Bevölkerungszahlen müssen trotz sinkender Finanzkraft immer höhere und in letzter Konsequenz nicht mehr tragbare finanzielle Belastungen durch Zuschüsse zu den Verkehrsdiensten tragen.

Ergänzend dazu tritt die Tatsache, dass eine Ausschreibung von Verkehrsdiensten durch Verkehrsverbünde bzw. die Gemeinden durch die fehlenden Mitteln – und fehlenden langfristigen Finanzierungszusagen – schwierig ist: Erst nach einer gewissen Vertragslaufzeit wird ein Verkehrsdienstleister seine Investitionskosten „hereingefahren“ haben. Insofern ist es kaum zumutbar, die Verträge lediglich für die Laufzeit der zugesagten Finanzierung (ein bis zwei Jahre) abzuschließen.

Gute Qualität zu guten Preisen kann daher aufgrund der kurzen Finanzierungssicherheit durch Bund und Land nicht erreicht werden. Die Amortisationszeiten bzw. sinnvolle Vertragszeiten setzen zu mindestens einen Zeitraum von 5 Jahren voraus.

 

In § 2 KflG ist vorgesehen, dass der Antragsteller einer Konzession für nicht-kommerzielle Verkehrsdienste bereits bei Antragstellung eine Kopie des Verkehrsdienstevertrages anzuschließen hat und dabei an Fristen gebunden ist (12 bis 6 Monate vor Beginn des beantragten Gültigkeitszeitraumes). Es darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass dies für den Besteller unzumutbar ist, da Ausschreibungsverfahren und Fristen zu Laufen anfangen ohne die Sicherheit zu haben, dass die Finanzierungen überhaupt sichergestellt werden können.

 

§ 23 Abs 2 KflG verlangt, dass bei Bestellung nicht-kommerzieller Verkehrsdienste im Kraftfahrlinienverkehr, sofern es sich nicht um die bloße Bestellung zusätzlicher Kurse einer bestehenden Linie handelt (Abs 1), "diese Verkehrsdienste nur dann in einem wettbewerblichen Vergabeverfahren beschafft werden" dürfen, "wenn diese Verkehrsdienste nicht durch kommerzielle Verkehrsdienste ... abgedeckt sind".

Diese Formulierung bringt die massive Problematik hervor, dass gewisse Kurse gar nicht mehr ausgeschrieben werden können und die teuren und nicht interessanten Tagesrandverbindungen bzw. Zwischentaktverbindungen meist zu hohen Kosten beauftragt werden müssen. Dadurch wird aber eine sinnvolle Ausschreibung von (kostengünstigen) Linienbündeln unmöglich gemacht. Damit geht aber wiederum eine beträchtliche Verteuerung des ÖPNV für die Besteller (Länder und Gemeinden) einher.

Verschärfend kommt hinzu, dass erteilte Konzessionen im kommerziellen Verkehr ohne Kenntnisnahme und Anhörungsrechte der Verkehrsverbünde oder Besteller erteilt werden können (§ 23 Abs. 4 erklärt § 5 für nicht anwendbar).

Die in § 3 ÖPNRV-G festgelegte Definition der kommerziellen und nicht-kommerziellen Verkehre ist grundsätzlich zu begrüßen, da hier die Problematik der eigenwirtschaftlich und gemeinwirtschaftlich erbrachten Dienstleistungen gelöst wird. Es fehlen jedoch zur Gänze Regelungen über die „Ausgleichsleistungen“, so etwa bei den Entgelten für die Schüler- und Lehrlingsbeförderung.

 

Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass sich die vorliegenden Entwürfe als verkehrspolitisches „Flickwerk“ darstellen, mit der die massiven Probleme der Gemeinden im ländlichen Raum nicht gelöst, sondern teilweise sogar verschärft werden. Mit den vorgeschlagenen Änderungen wird es insbesondere nicht möglich sein, Leistungen zu Marktpreisen einzukaufen, da die „Zuckerl“ in privaten Händen verbleiben und der Rest – da immer nur Teile einer Gesamtleistung ausgeschrieben werden können – teuer von der öffentlichen Hand dazugekauft werden muss.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für den Österreichischen Gemeindebund:

 

Der Generalsekretär:

Der Präsident:

 

 

Hink e.h.

Mödlhammer e.h.

 

Dr. Robert Hink

Bgm. Helmut Mödlhammer

 

 

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