Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 1176-1/10                                                          Wien, 16. Dezember 2010

Entwurf eines Bundesgesetzes,                                        

mit dem das Kraftfahrlinien-

gesetz geändert wird;

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMVIT - 244.017/0024-II/ST7/2010

 

 

 

An das

Bundesministerium für

Verkehr, Innovation und Technologie

Rechtsbereich Personen- und Güterverkehr

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 


Zum Gesamtentwurf:

 

Zum vorliegenden Entwurf ist auszuführen, dass die geplante Beibehaltung des derzeitigen rechtlichen Gesamtsystems des Kraftfahrliniengesetzes zum jetzigen Zeitpunkt im Sinne einer raschen Lösung durchaus nachvollziehbar ist. Dennoch darf nicht
ignoriert werden, dass das innerstaatliche System des Kraftfahrlinienrechts insgesamt nicht vollständig in das System der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (kurz: PSO-VO) passt. Eine umfassende Neuordnung des gesamten Rechtsbereiches wäre daher aus Sicht des Landes Wien zumindest längerfristig zu planen.

 

Zu Z 5 (§ 2):

 

Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Kraftfahrlinienbehörde in jedem Fall weiß, welche Verkehre kommerzieller Natur sind und welche nicht. Wenn ein Verkehrsunternehmen daher im Konzessionsantrag nichts über Ausgleichszahlungen der öffentlichen Hand anführt, hat die Behörde keine Möglichkeit der Prüfung, ob dies den wahren Gegebenheiten entspricht. Um der Kraftfahrlinienbehörde die Einschätzung, ob nun ein kommerzieller oder ein nicht-kommerzieller Verkehr vorliegt, zu erleichtern, sollte in jedem Antrag auf Erteilung einer Kraftfahrlinienkonzession auch die Erklärung des Antragstellers, ob und welche öffentliche Mittel er für den Betrieb des Verkehrs empfängt, enthalten sein. Dies wäre, gekoppelt mit der verpflichtenden Bekanntgabe des Verkehrsdienstevertrages, für die Kraftfahrlinienbehörde von wesentlicher Bedeutung.

 

Die Verkehrsdiensteverträge sind das Herzstück des wirtschaftlichen Gebarens der Verkehrsunternehmen, weshalb jedenfalls sichergestellt werden müsste, dass der Verkehrsdienstevertrag selbst von der Akteneinsicht durch Parteien ausgenommen wird und auch nur in dem Umfang zitiert wird, als dies allenfalls für die Beurteilung als
nicht-kommerzieller Verkehr notwendig ist. Eine Verankerung entsprechender Verschwiegenheitspflichten im Gesetz wäre erforderlich, um den vollziehenden Behörden die Berücksichtigung der berechtigten Geheimhaltungsinteressen beteiligter Unternehmen zu ermöglichen.

 

Die Eingrenzung des Zeitraumes für die Beantragung einer Konzession ist grundsätzlich zu begrüßen, um die momentan feststellbaren Wettläufe zur Konzessionsbehörde zu verhindern. Es wird aber vorgeschlagen auch für nicht-kommerzielle Verkehre einen solchen Zeitraum zu fixieren. Vorgeschlagen wird ein Zeitraum von 18 bis drei Monate vor Betriebsaufnahme.

 

Der Konzessionsantrag soll bereits 18 Monate vor dem Beginn des beantragten Gültigkeitszeitraums gestellt werden können, da sich eventuell noch ein Vergabeverfahren zur Führung im Auftragsverkehr an die Konzessionserteilung anschließen kann.

 

Weiters wird angeregt, der jeweiligen finanzierenden Stelle im Konzessionsverfahren Parteistellung einzuräumen. Die Parteistellung sollte sich auf Konzessionsverfahren für nicht-kommerzielle Linien beziehen, die von dieser Stelle finanziert werden. Weiters sollte der finanzierenden Stelle auch in Verfahren hinsichtlich anderer Kraftfahrlinien, die den Verkehrsbereich der von ihr finanzierten nicht-kommerziellen Verkehre berühren, eingeräumt werden.

 

Zu Z 11 (§ 7):

 

Der in § 7 Abs. 1 Z 4 lit. d vorgesehene Ausschließungsgrund wird ausdrücklich befürwortet.

 

Die auch kommerzielle Verkehre umschließende Bevorzugung des Konzessionsinhabers nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. e geht jedoch zu weit, zumal in dieser Bestimmung sogar ein noch nicht einmal bestehender aber beabsichtigter Verkehr geschützt wird. Diese Dimension des Schutzes für Konzessionäre ist abzulehnen, da sie dem Konzessionsinhaber die Möglichkeit gibt, durch die bloße Behauptung, einen zusätzlichen Verkehr oder eine Verbesserung schon geplant zu haben, andere Verkehre (vorerst) zu verhindern.

Im Rahmen der Hinderungsgründe wegen Beeinflussung von anderen Verkehrs­unternehmen im Verkehrsbereich wird angeregt, die früher im Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 vorgesehene Bevorrangung des Schienenverkehrs wieder aufzunehmen. Demnach sollten Parallelverkehre von Schienenverkehren weitgehend vermieden werden.

 

Zu Z 12 (§ 8 Abs. 1):

 

Die Bestimmung lässt weiterhin offen, wie vorzugehen ist, wenn Kraftfahrlinienunternehmen in mehreren Bundesländern tätig sind. Bei der Anwendung der Bestimmung sind daher auch künftig unnötige Doppelgleisigkeiten zu erwarten, wenn Unternehmen über Konzessionen unterschiedlicher Landeshauptleute verfügen und damit die Zuständigkeit verschiedener Aufsichtsbehörden gegeben ist. Es wird daher angeregt, für derartige Fälle eine ausdrückliche Regelung zu schaffen. Denkbar wäre etwa eine Zuständigkeit des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie zur Erlassung von Bescheiden gemäß § 8 Abs. 1 bezüglich Unternehmen, die in mehreren Bundesländern tätig sind.

 

Zu Z 20 (§ 14):

 

Die Definition des Verkehrsbereiches ist naturgemäß schwierig, insbesondere in vernetzten Verkehrsrelationen. Mit der beabsichtigten Definition (§ 14 Abs. 1) wurde aber ein Zirkelschluss geschaffen. Die, wenn auch vage Definition in § 14 Abs. 6 dürfte noch die am ehesten geeignete Begriffsbestimmung sein.

 

Inhaltlich bleibt anzumerken, dass bei Verkehren innerhalb von Verkehrsverbünden bzw. bei Verkehren mit einem hohen Zeitkartenanteil oftmals die Einnahmesituation (wie in § 14 Abs. 2 angeführt) nicht die wirkliche Kenngröße für den wirtschaftlichen (oder betrieblichen) Erfolg einer Kraftfahrlinie ist. Gerade bei sehr großen innerstädtischen Netzen ist die Kennzahl, an der sich die Ausgleichszahlungen durch den Aufgabeträger orientieren, oftmals die der Platzkilometer und nicht die der Personenkilo­meter oder die Einnahmen. Dabei erfolgt auch oftmals eine Netzbetrachtung, sodass Beurteilungen der einzelnen Linie im innerstädtischen Bereich aus Erlössicht kaum möglich sind.

 

Aufgrund des in § 14 Abs. 2 verwendeten Begriffs „sichtlich“ entsteht weiters eine unnötige Unschärfe. Es wird daher vorgeschlagen, das Wort „sichtlich“ in § 14 Abs. 2 ersatzlos zu streichen.

 

Die Bestimmung des § 14 Abs. 3 könnte in all jenen Verkehrsdienstleistungsverhältnissen problematisch sein, die in Form einer Dienstleistungskonzession konzipiert sind. In diesem Fall gibt es zwar Ausgleichszahlungen der öffentlichen Hand, das wirtschaftliche Risiko, insbesondere das Einnahmenrisiko, liegt aber überwiegend beim Verkehrsunternehmen. Solche Verträge sind daher in der Regel so aufgebaut, dass zusätzliche Ausgleichszahlungen nicht in Anspruch genommen werden können, weshalb die Führung eines Nachweises für eine ernsthafte Beeinträchtigung durch eine andere Linie in der Praxis schwierig sein könnte.

 

Zu Z 21 (§ 15):

 

Die unterschiedliche Höchstdauer von Konzessionen für Kraftfahrlinien, die Gegen­stand eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages im Sinne der PSO-VO sind, und von Konzessionen für Linien, auf welche dies nicht zutrifft, erscheint sachlich nicht gerechtfertigt. Es ist auch weder aus dem Gesetzestext noch aus den Erläuterungen ersichtlich, was gegen eine generelle Anhebung der Höchstdauer von Konzessionen auf zehn Jahre spricht. Eine solche Erhöhung der Höchstdauer würde zur leichteren Verständlichkeit der Regelung beitragen und eine Vereinheitlichung bewirken. Das Land Wien regt daher erneut an, die Höchstdauer von Konzessionen einheitlich mit zehn Jahren festzulegen, wobei die in Art. 4 Abs. 3 zweiter Satz PSO-VO eingeräumte Möglichkeit für Leistungen, die mehrere Verkehrsträger umfassen, aber jedenfalls unberührt bleiben sollte.

 

Zu Z 26 (§ 23):

 

§ 23 Abs. 2 enthält nunmehr eine Bestimmung, die generell das Regelungsgebiet des Kraftfahrliniengesetzes (KflG) verlässt und in die wirtschaftliche Selbstverwaltung der Gebietskörperschaften eingreift. Sie untersagt nämlich die Beschaffung eines nicht-kommerziellen Verkehrs im Wege eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens, wenn die Verkehrsdienste bereits durch kommerzielle Verkehre abgedeckt sind. Es liegt aber auf der Hand, dass bei bereits bestehender kommerzieller Abdeckung eines Verkehrsbedürfnisses üblicherweise überhaupt kein Bedarf nach der Bestellung eines nicht-kommerziellen Verkehrsdienstes vorliegt. Demnach bleibt schon der Sinn der Regelung unklar. Nichtsdestotrotz kann wohl die Aufgabe des Kraftfahrliniengesetzes nur sein, zu regeln, ob und unter welchen Bedingungen jemand eine Konzession erhält, und nicht, ob eine Gebietskörperschaft berechtigt ist, eine Dienstleistung, die sie in Anspruch nehmen will, auszuschreiben. Keinesfalls sollte die statuierte Voraussetzung eine Nachweispflicht des Bestellers bezüglich des Nicht-Vorliegens kommerzieller Verkehrsdienste begründen.

 

Die Bestimmung ist auch legistisch unscharf, da sie in Abs. 2 auf die Beschaffung
„in einem Vergabeverfahren“ abstellt. Damit sind wahrscheinlich alle Möglichkeiten der Entscheidung einer zuständigen Behörde nach der PSO-VO bzw. alle Formen des Abschlusses eines Dienstleistungsauftrages im Sinne des Bundesvergabegesetzes 2006 gemeint. Dies sollte jedoch zur Klarstellung entweder im Gesetzestext oder in den Erläuterungen explizit angeführt werden.

 

Nicht ersichtlich ist auch, wie der Begriff „abgedeckt“ konkret zu verstehen ist, und wer in letzter Konsequenz über das Vorliegen einer solchen Abdeckung zu entscheiden hat. Aus den genannten Gründen wird insgesamt angeregt, die Bestimmung des § 23 Abs. 2 erster Satz ersatzlos zu streichen.

 

Die Bindung der Konzession an die Bestanddauer des Verkehrsdienstleistungsvertrages nach § 23 Abs. 6 wird begrüßt, da so ein Auseinanderklaffen zwischen Konzession und Vertrag und damit erhebliche Schwierigkeiten im behördlichen Verfahren verhindert werden können.

 

Zu Z 39 (§ 37 Abs. 3):

 

Die vorgesehene Berücksichtigung der Interessen der Verkehrsunternehmen wird grundsätzlich begrüßt. Im gleichen Ausmaß sollte die Bundes- und Landesverkehrsplanung aber auch die Verkehrsbedürfnisse der Gemeinden berücksichtigen, da die Aufgabenträgerschaft für den Personennahverkehr zumindest teilweise bei diesen liegt. Es wird daher eine entsprechende Ergänzung vorgeschlagen.

 

Weitere Anregungen:

 

§ 22 KflG sieht im Auftragsverkehr eine Reglementierung der Übertragung der Führung des Betriebes einer Kraftfahrlinie vor. Diese Begrenzung sollte jedoch für nicht-kommerziell betriebene Kraftfahrlinien nicht gelten. Für nicht-kommerzielle Linien gelten ohnedies die Regelungen des Art. 4 Abs. 7 und des Art. 5 Abs. 2 lit. e PSO-VO. Es wird daher angeregt § 22 Abs. 2 zweiter Satz KflG dahingehend zu ändern, dass die Genehmigung u. a. zu verweigern ist, wenn „der Konzessionsinhaber bereits für ein Drittel der ihm konzessionierten kommerziellen Kraftfahrlinien die Führung des Betriebes übertragen hat oder zur Gänze im Auftragsverkehr führen lässt“. Damit ist klar, dass die Drittel-Beschränkung nur für kommerzielle Kraftfahrlinien gilt.

 

Ebenso wird angeregt, im Zusammenhang mit § 47 Abs. 6 KflG, der die Festsetzung vorläufiger Sicherheiten regelt, eine an § 134 Abs. 4a und 4b Kraftfahrgesetz angelehnte Möglichkeit der Fahrtunterbrechung zur Durchsetzung einer Sicherheitsleistung zu schaffen.

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                              Mag. Andrea Mader

Mag. Andreas Wostri                                                 Senatsrätin

Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

 

 

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  MA 65

     (zu MA 65 -3401/2010)

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen