Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 1219/10                                                             Wien, 16. November 2010

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit

dem das Familienlastenausgleichs-

gesetz 1967, BGBl. Nr. 376, geän-

dert wird;

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMWFJ-510101/0008-II/1/2010

 

 

 

An das

Bundesministerium Wirtschaft,

Familie und Jugend

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 28. Oktober 2010 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 


Zur geplanten Änderung der §§ 2 Abs. 1 lit. c und 6 Abs. 2 lit. d sowie der §§ 2 Abs. 1 lit. h und 6 Abs. 2 lit. g des Familienlastenausgleichsgesetzes:

 

Nach derzeit geltendem Recht gebührt die Familienbeihilfe volljährigen Kindern, wenn eine Behinderung vor dem 21. Lebensjahr oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist und das Kind wegen dieser Behinderung voraussichtlich dauernd nicht imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Altersgrenze für das spätest mögliche „Eintreten der Behinderung“ soll nunmehr auf das 25. Lebensjahr herabgesetzt werden.

 

Vergleichbare Anpassungen sind auch in § 2 Abs. 1 lit. h und § 6 Abs. 2 lit. g vorgesehen, womit erheblich behinderte Kinder, die sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden, betroffen sind.

 

Aus sozialen Gesichtspunkten erscheint es als eine besondere Härte, wenn auch (schwer) behinderte Kinder von der Herabsetzung der Altersgrenze betroffen sein sollen. Die pensionsrechtlichen Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, aber auch etwa der Pensionsordnung 1995 und des Pensionsgesetzes 1965, sehen für verwaiste Kinder, welche die obigen Kriterien erfüllen (Eintritt der die Erwerbsunfähigkeit auslösenden Behinderung bis zur Beendigung der Schul- bzw. Berufsausbildung, spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres), praktisch einen lebenslangen Anspruch auf Waisenpension vor, um den Charakter der Waisenpension als „Unterhaltsersatzleistung“ zu wahren. Bedenkt man, dass gleichzeitig die Zugangshürden zum Pflegegeld der Stufe 1 und 2 verschärft werden sollen (Begutachtung zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit welchen das Bundespflegegeld, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz und das Bundesbahngesetz geändert werden; Zl. BMASK-40101/0017-IV/2010), träfen die geplanten Maßnahmen im Familienlastenausgleichsgesetz 1967 behinderte Kinder möglicherweise doppelt, nämlich wenn ein Kind, das durch die gesenkte Altersgrenze für den „Eintritt der Behinderung“ keinen Anspruch

auf Familienbeihilfe mehr besitzt, auch keinen oder nur mehr einen verminderten Anspruch auf Pflegegeld geltend machen kann.

 

Aus diesen Gründen werden die oben bezeichneten Novellierungsvorschläge durch die Stadt Wien entschieden abgelehnt.

 

Zum geplanten Entfall der §§ 2 Abs. 1 lit. f und 6 Abs. 2 lit. e:

 

Es steht zu befürchten, dass der Entfall der Familienbeihilfe für Arbeitssuchende zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr zu einem vermehrten Aufkommen im Bereich der Bedarfsorientierten Mindestsicherung führt. Die dadurch entstehenden Mehrkosten sind von den Ländern zu tragen, weshalb die geplante Änderung ebenfalls ausdrücklich abgelehnt wird.

 

Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

 

Der Darstellung im Allgemeinen Teil der Erläuterungen, wonach das Regelungsvorhaben keine geschlechtsspezifischen Auswirkungen aufweist, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr steht zu befürchten, dass insbesondere Alleinerzieherinnen von den geplanten Änderungen massiv betroffen sind.

 

So schiebt etwa die mit einer Verkürzung der Bezugsdauer der Familienbeihilfe für Studierende verbundene mögliche Verlängerung der Studiendauer - Studierende müssten bei Fehlen entsprechender Unterstützung von dritter Seite den Entfall durch eine meist geringfügige Berufstätigkeit ausgleichen - die Selbsterhaltungsfähigkeit und damit den Erwerb von Versicherungszeiten hinaus.

 

Bedingt durch die Tatsachen, dass Frauen durch die Erfüllung familiärer Verpflichtungen - insbesondere Kindererziehung - in erhöhtem Maße Unterbrechungen im Erwerbsleben aufweisen und dadurch bedingt ein geringeres Lebenseinkommen und weniger anrechenbare Versicherungszeiten erwerben, ist durch die in Aussicht genommenen Änderungen mit einer (weiteren) diesbezüglichen Benachteiligung von Frauen zu rechnen. Auch ist anzumerken, dass sich die vorgeschlagenen Maßnahmen insbesondere auf studierende Alleinerzieherinnen auswirken, da diesen in der Regel eine Erwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung und Verfolgung eines Studiums nicht zumutbar ist und sich die in Aussicht genommenen Kürzungen so unmittelbar im Einkommen der ohnehin meist finanziell benachteiligten Alleinerzieherinnen niederschlagen würden.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

Mag. Jürgen Fischer                                           Mag. Andrea Mader

                                                                                     Senatsrätin

 

 

Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

 

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  MA 5

     (zu MA 5 - 6368/10)

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen