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Betrifft: Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) im Rahmen des BBG
Stellungnahme des Datenschutzrates
Der Datenschutzrat hat in seiner 200. Sitzung am 15. November 2010 einstimmig beschlossen, zu der im Betreff genannten Thematik folgende Stellungnahme abzugeben:
Zu Z 24 (§ 31c Abs. 3):
Nach dieser Norm soll Schulen die Pflicht zu Aufzeichnungen treffen, aus denen die Empfänger der Schulbücher hervorgehen. Daran knüpft eine Pflicht zur Auskunftserteilung der Schulen gegenüber dem das FLAG vollziehenden Bundesministerium und den gem. § 17a Abs. 4 AVOG örtlich zuständigen Finanzämtern sowie ein korrespondierendes Einsichtsrecht Letzterer. Dazu sei angemerkt, dass unklar bleibt, wie lange diese personenbezogenen Daten aufzubewahren sind. Im Sinne der Rechtsklarheit sollte eine ausdrückliche Höchstspeicherfrist angedacht werden.
Zu Z 29 (§ 46a Abs. 2):
Zufolge dieser Bestimmung soll durch Einfügung einer neuen Z 4 in § 46a Abs. 2 FLAG ein automationsunterstützter Datenverkehr mit den Abgabenbehörden eingerichtet werden, uzw. „mit den öffentlichen Universitäten als Auftraggeber über deren Datenverbund“. In dessen Rahmen sollen dem Datenverbund von den Abgabenbehörden die Versicherungsnummern und die Namen der Kinder, für die die Familienbeihilfe beantragt wurde oder gewährt wurde bzw. wird, übermittelt werden. Zu diesen Angaben sollen die öffentlichen Universitäten über deren Datenverbund den Abgabenbehörden übermitteln: a) Bezeichnung, Beginndatum, Beendigungsdatum, Meldungen der Fortsetzung und Zulassungsstatus des Studiums bzw. der Studien, b) Art und Datum von Prüfungen, die ein Studium oder einen Studienabschnitt eines Diplomstudiums abschließen, sowie c) Stundenvolumen bzw. ECTS-Anrechnungspunkte abgelegter Prüfungen eines Semesters oder Studienjahres.
Mit dem „Datenverbund“ der öffentlichen Universitäten im vorstehenden Sinne ist das in § 7a Bildungsdokumentationsgesetz BGBl. I Nr. 12/2002, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 48/2010, normierte Informationsverbundsystem der Universitäten und der Pädagogischen Hochschulen gemeint.
Der in Aussicht genommene automationsunterstützte Datenverkehr zwischen Abgabenbehörden und Universitäten soll zufolge den Erläuterungen zum Entwurf als Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung verstanden werden. Tatsächlich würde es für die betroffenen Antragsteller (Studierende) eine Erleichterung bedeuten, wenn diese keine Nachweise im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b. letzter Satz FLAG mehr zu erbringen hätten, sondern sich auf die Stellung eines „unbegründeten“ Antrages gemäß § 10 FLAG beschränken könnten. Einen Entfall der Pflicht zur Erbringung solcher Nachweise durch die Antragsteller etwa beginnend mit dem Zeitpunkt der technischen Umsetzung sieht der Entwurf allerdings nicht vor. Ob eine stichprobenartige Überprüfung vorgelegter Unterlagen im Einzelfall als Zweck schon ausreicht, um einen „Online-Zugriff“ durch die Abgabenbehörden auf die hier interessierenden Daten zu rechtfertigen, erscheint diskussionswürdig. Kein Zweifel besteht jedenfalls dahin, dass ein solcher automatisierter Zugriff kein Fall des § 8 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 wäre. Das Wesen der Amtshilfe liegt nämlich darin, dass aufgrund einer Einzelfallbeurteilung insbesondere zu entscheiden ist, ob die empfangende Behörde über eine entsprechende Eigenzuständigkeit verfügt bzw. die Übermittlung in concreto erforderlich ist. Die Einräumung eines Online-Zugriffs schließt eine solche Einzelfallprüfung durch die angefragte Stelle (hier: Universitäten) jedoch aus. Insofern ist es unzutreffend, wenn die Erläuterungen davon sprechen, dass hier eine „automationsunterstützte Form von Amtshilfe“ vorliege und (deshalb) schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen nach § 8 Abs. 3 Z 2 des Datenschutzgesetzes 2000 nicht verletzt werden.
Die Nichtverletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen durch die Etablierung einer automationsunterstützten Abfragemöglichkeit (Online-Zugriff) durch die Abgabenbehörden im Datenverbund der Universitäten und der Pädagogischen Hochschulen kann daher nicht bloß mit dem Verweis auf § 8 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 gerechtfertigt werden. Es bedarf vor allem eines entsprechenden plausiblen Zwecks. Letzterer ist aber derzeit aus dem Entwurf nicht klar ersichtlich.
Eine mögliche Lösung könnte allenfalls darin bestehen, die Zulässigkeit der Inanspruchnahme der Onlineabfrage davon abhängig zu machen, dass ein Antragsteller dieser zustimmt und im Gegenzug von der Pflicht zur Vorlage entsprechender Nachweise befreit wird (Wahlmöglichkeit zwischen konventionellem begründeten Antrag samt Nachweisen und „schlichtem“ Antrag iVm Zustimmung zur Onlineabfrage).
Im Übrigen hat sich der Datenschutzrat wiederholt ablehnend zur auch hier vorgesehenen Verwendung der Sozialversicherungsnummer für Bereiche, die nicht der Ingerenz der Sozialversicherung unterliegen, – quasi als „Personenkennzeichen“ – ausgesprochen (vgl. zuletzt GZ BKA-817.246/0004-DSR/2010). In seiner Stellungnahme zur Untersuchung von Alternativen zur Sozialversicherungsnummer in der Bildungsdokumentation von 25. Februar 2010 hat der Datenschutzrat – wie auch schon zuvor in seiner Stellungnahme vom 27. Juni 2007 – kritisch angemerkt, dass für diesen Bereich weiterhin die Sozialversicherungsnummer verwendet wird. Der Datenschutzrat verwies darauf, dass in Österreich E-Government-Lösungen entwickelt wurden, um die Sozialversicherungsnummer nicht als universelles „Personenkennzeichen“ für Bereiche zu verwenden, welche keinen Bezug zu den Sozialversicherungsagenden aufweisen. Genau zu diesem Zweck wurde das bereichsspezifische Personenkennzeichen im E-Government-Gesetz (E-GovG) vorgesehen. Die Verwendung der Sozialversicherungsnummer als universelles „Personenkennzeichen“ widerspricht daher klar der E-Government-Strategie des Bundes.
Bezogen auf den konkreten Fall wäre grundsätzlich anzustreben, sowohl auf Seite des Datenverbunds der Universitäten und der Pädagogischen Hochschulen als auch auf Seite der Abgabenbehörden mit sog. bereichsspezifischen Personenkennzeichen (bPK) bzw. – auf der Stufe des Datenabgleiches – mit verschlüsselten Personenkennzeichen zu arbeiten.
Kritisch angemerkt sei schließlich, dass die in Aussicht genommene legistische Vorgangsweise im FLAG (neuer Z 4 in § 46a Abs. 2) letztlich dem Ziel der transparenten, möglichst abschließenden Regelung von Datenverwendungszwecken im Rahmen von Informationsverbundsystemen zuwiderläuft. Der mittels Novelle des FLAG angestrebte Zweck findet sich nämlich nicht im den Zweck des Datenverbunds der Universitäten und der Pädagogischen Hochschulen zusammenfassend umschreibenden § 7a Abs. 3 Bildungsdokumentationsgesetz. Insofern erschiene eine abgestimmte Vorgangsweise in Bezug auf die Zweckregelungen in den beiden genannten Gesetzen zweckmäßig.
Weiters sind im Rahmen der Begutachtung datenschutzrechte Aspekte aufgefallen, die den derzeit geltenden Rechtsbestand (Änderung des FLAG im Zuge der Novelle BGBl. 284/1972, d.h. noch weit vor dem Inkrafttreten des seinerzeitigen DSG 1978) betreffen:
Zu Z 11 (§ 30f Abs. 5):
Gemäß § 30f Abs. 5 des Entwurfs hat sich der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) in den Verträgen nach Abs. 1 und 3 (mit Verkehrsunternehmen abschließbare Verträge über die Schülerbeförderung) auszubedingen, dass sich die Verkehrsunternehmen zur Rechnungslegung und Auskunftserteilung verpflichten und den Organen des Bundes die Überprüfung der Unterlagen gestatten, auf die sich der Fahrpreis oder Fahrpreisersatz gründet. Zufolge des letzten Satzes des § 30f Abs. 5 leg. cit. kann der Abschluss eines Vertrages nach Abs. 3 lit. a des § 30f leg. cit. überdies davon abhängig gemacht werden, dass der Schulerhalter die Notwendigkeit der Schülerbeförderung bestätigt und die Namen, die Staatsbürgerschaft und die Anschriften der zu befördernden Schüler sowie das in Frage kommende Verkehrsunternehmen bekannt gibt. Letztere Option wurde durch die Änderung des FLAG im Zuge der Novelle BGBl. 284/1972, d.h. noch weit vor Inkrafttreten des seinerzeitigen DSG 1978 eingeräumt.
Infolge der inzwischen ergangenen Datenschutzgesetzgebung iVm einschlägigen internationalen Verpflichtungen stellen sich zum zuletzt zitierten Passus des § 30f Abs. 5 leg. cit. nunmehr Fragen aus der aus der Perspektive der Erforderlichkeit der Datenverwendung (§ 1 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Z 3 DSG 2000). Vor allem bestehen Zweifel, ob anstelle einer (möglichen) Auferlegung der generellen Bekanntgabepflicht der bezüglichen Schülerdaten an das BMWFJ nicht auch die Auferlegung der Pflicht zur Bekanntgabe auf Anfrage ausreichend wäre.
Zutreffendenfalls regt der Datenschutzrat an, die Ermächtigung im Zuge einer der nächsten Novellen des FLAG in § 30f Abs. 5 leg. cit. einschränkender zu formulieren.
16. November 2010
Für den Datenschutzrat
Der Vorsitzende:
MAIER
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