Bundesministerium für

Wirtschaft, Familie und Jugend

Franz-Josefs-Kai 51

1010 Wien

E-Mail: POST@II1.bmwfj.gv.at

 

 

ZAHL

DATUM

CHIEMSEEHOF

2001-BG-154/38-2010

18.11.2010

* POSTFACH 527, 5010 SALZBURG

 

 

landeslegistik@salzburg.gv.at

 

FAX (0662) 8042 -

2164

TEL  (0662) 8042 -

2290

 

 

Herr Mag. Feichtenschlager

 

BETREFF

Budgetbegleitgesetze 2011 – 2014 - Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird; Stellungnahme

Bezug: Zl BMWFL-510101/0008-II/1/2010

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zu dem im Gegenstand bezeichneten Gesetzentwurf gibt das Amt der Salzburger Landesregierung folgende Stellungnahme bekannt:

 

1. Allgemeines:

Einer der Hauptgesichtspunkte des geplanten Vorhabens sind den Erläuterungen folgend „budgetwirksame Kürzungen und Änderungen der Anspruchsgrundlagen bei der Familienbeihilfe“ als „Konsolidierungsmaßnahme im Bereich des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen im Rahmen der allgemeinen Budgetmaßnahmen“.

Zur Erreichung einer „längerfristigen Konsolidierung des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen“ wird in den geplanten §§ 2 Abs 1 lit b, c, f, g und h und 6 Abs 2 lit a, c, d, f, g und h die allgemeine Altersgrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe auf das vollendete 24. Lebensjahr (bisher: 26. Lebensjahr) herabgesetzt. Für Mütter, Schwangere, Personen, die einen Zivil-, Präsenz- oder Ausbildungsdienst absolvieren und für erheblich behinderte Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden, wird die Altergrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe auf das vollendete 25. Lebensjahr (bisher: 27. Lebensjahr) herabgesetzt. Den eine Arbeit suchenden volljährigen Kindern zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr in den geltenden §§ 2 Abs 1 lit f und 6 Abs 2 lit e eingeräumte Anspruch auf Familienleistung entfällt „aus Gründen der Budgetkonsolidierung“. Aus „Gründen der Budgetkonsolidierung“ wird an Stelle der Verdoppelung der Familienbeihilfe für den Monat September nur mehr ein Zusatzbetrag von 100 Euro für jedes Kind im Alter von 6 bis 15 Jahren geleistet und es entfällt auch der in den geltenden §§ 9 bis 9c geregelte Mehrkinderzuschlag.

 

2. Zusammenfassende Bewertung der geplanten Leistungskürzungen:

2.1. Eine zusammenfassende Bewertung der geplanten Leistungskürzungen ergibt neben den verfassungsrechtlichen Bedenken, denen diese begegnen, dass diese Maßnahmen weder sozial ausgewogen noch sozial treffsicher sind. Gerade in sozial schwächeren Familien wird sich auf Grund der geplanten Kürzungen die ohnehin bereits vielfach angespannte finanzielle Situation noch weiter verschärfen und sich der Leistungsdruck in diesen Familien erhöhen. Der Aussage in den Erläuterungen, wonach das geplante Vorhaben keine Auswirkungen in sozialer Hinsicht haben wird, ist mit aller Klarheit entgegen zu treten.         

2.2. Was die finanziellen Auswirkungen des geplanten Vorhabens anbelangt, so wird erwartet, dass diese einen vorerst nicht weiter bezifferbaren Zuwachs an Beziehern von Sozialleistungen zur Folge haben werden. Im Bereich der Kostenersätze (etwa für Leistungen der Jugendwohlfahrt) ist aufgrund der sich verschärfenden finanziellen Situation in den Herkunftsfamilien bestenfalls mit einer Stagnation, vielmehr jedoch mit einem Rückgang des Mittelrückflusses zu rechnen.

Die geplanten Kürzungen werden daher entschieden abgelehnt!

2.3. Für den Fall einer Realisierung der geplanten Kürzungen wird jedoch gefordert, im Rahmen des § 2 Abs 1 lit b den Bezug von Familienbeihilfe auch noch in weiteren Fällen nach dem vollendeten 24. Lebensjahr zu ermöglichen: Damit soll jenen Konstellationen Rechnung getragen werden, in denen etwa aufgrund des Besuchs einer Handelsakademie oder eines ungünstigen Geburtsdatums und einer damit verbundenen späteren Einschulung erst in einem Alter von 20 Jahren ein Studium oder ein Fachhochschul-Studiengang begonnen werden kann. In derartigen Fällen muss während der gesamten Mindeststudiendauer oder Mindest-Ausbildungszeit einschließlich der im § 2 Abs 1 lit b bereits geregelten „Toleranzsemester“ der Bezug von Familienbeihilfe auch über das vollendete 24. Lebensjahr hinaus möglich sein.

 

3. Verfassungsrechtliche Bedenken:

Die geplanten Leistungskürzungen begegnen auch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung (siehe dazu VfSlg 11.665/1988, mwN) davon aus, dass keine Verfassungsvorschrift den Schutz von erworbenen Rechtspositionen verbürgt und es „in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers fällt, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern“. Schranken für den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bestehen jedoch insofern, als die Aufhebung und Änderung von Rechten sachlich gerechtfertigt sein muss. Die sachliche Rechtfertigung einer nachteiligen Änderung der Rechtslage vermag aber nicht „die Minderung erworbener Rechte jedweder Art in jedweder Intensität“ zu begründen (VfSlg 11.309/1987), vielmehr können schwerwiegende und plötzlich eintretende Eingriffe in erworbene Rechtspositionen, auf deren Bestand der Normunterworfene mit guten Gründen vertrauen konnte, zur Gleichheitswidrigkeit des belastenden Eingriffs führen (Walzl v. Wiestreu, Vertrauensschutz und generelle Norm, ÖJZ 2000, S 1 ff, mwN).

3.2. Zur Frage, ob sich die von den geplanten Leistungskürzungen betroffenen Anspruchsberechtigten in einer schützenswerten Vertrauensposition befinden bzw ob diese auf den Fortbestand ihrer Rechtsposition aus gutem Grund vertrauen durften, ist im Besonderen auf die (pensionsrechtlichen) Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 11.309/1987 sowie VfSlg 11.665/1988) hinzuweisen: In erstzit Erkenntnis ist der Gerichtshof von der grundsätzlichen Annahme ausgegangen, dass „die Aussicht auf einen aus der Amtstätigkeit resultierenden Ruhebezug – wenngleich  keineswegs ein ausschlaggebendes, so doch – ein mitbestimmendes Moment für den Willensentschluss des Amtsträgers bildet, sich für die öffentliche Funktion zur Verfügung zu stellen und sie längerwährend auszuüben“ und dass „dem Ruhebezug (...) die Funktion zukommt, ein erhebliches Absinken unter einen einmal erzielten Standard der Lebensführung nicht eintreten zu lassen.“ Im zweitzit Erkenntnis hat der Gerichtshof ausgesprochen, dass „mit einer bestimmten Pensionsregelung auch Erwartungen der Betroffenen verbunden (sind). Sie vertrauen darauf, dass diese Erwartungen nicht durch plötzliche, ihre Lebensführung direkt treffende Maßnahmen des Gesetzgebers beeinträchtigt werden.“

Nichts anderes gilt im Fall der von den geplanten Leistungskürzungen betroffenen Anspruchsberechtigten: Unter Anwendung einer Durchschnittsbetrachtung ist der Bezug von Familienbeihilfe ein mitbestimmendes Moment für eine – in vielen Fällen in zeitlicher Hinsicht weit vor dem Eintritt der Volljährigkeit – getroffene (Lebens-)Entscheidung. Die Familienbeihilfe soll die damit verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil ausgleichen. Die Anspruchsberechtigten dürfen umgekehrt darauf vertrauen, dass ihre durch den Bezug der Familienbeihilfe bedingten und damit verbundenen Planungen nicht durch gesetzgeberische Maßnahmen nachträglich beeinträchtigt werden; eine gesetzgeberische Missachtung dieses Vertrauens wiegt in diesem Fällen besonders schwer, weil sie die davon Betroffenen nachträglich meist nicht mehr auf die geänderten Rahmenbedingungen einstellen können, wenn ihre „Planungsgrundlagen“ infolge einer Änderung der Gesetzeslage erschüttert werden.

3.3. Was die sachliche Rechtfertigung des durch die geplanten Kürzungen bewirkten Eingriffs in die Vertrauenspositionen der Anspruchsberechtigten anbelangt, so hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 11.665/1988 zwar ausgesprochen, dass „das Ziel der Entlastung des Bundeshaushaltes an sich geeignet sein (kann), Eingriffe in bestehende Rechtspositionen sachlich zu rechtfertigen“, dass aber „Zielsetzungen dieser Art nicht die Minderung wohlerworbener Rechte jedweder Art in jedweder Intensität sachlich begründen (können). Erfordern Maßnahmen zur Entlastung des Bundeshaushaltes Kürzungen, so verlangt das Gebot der Sachlichkeit, dass ein im Interesse der Gesamtheit zu erbringendes Opfer nicht punktuell gezielt eine relativ kleine Gruppe treffen darf, sondern entsprechend breit gestreut werden muss. Eine solche Kürzung kann nach sozialen Gesichtspunkten differenzieren und darf nicht tendenziell wirtschaftlich Schwächere stärker treffen.“  

Die geplanten Maßnahmen sind daher an den Aussagen des Gerichtshofes zur Sachlichkeit einer belastenden Maßnahme zu messen: Die geplanten Kürzungen belasten punktuell gezielt eine relativ kleine Gruppe von Anspruchsberechtigten: Das „Sonderopfer“ für die Konsolidierung des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen haben – wie auch die Erläuterungen freimütig darlegen – gerade die Anspruchsberechtigten für volljährige Kinder, die sich aus bestimmten Gründen (Studium, frühe Mutter- oder Schwangerschaft, erhebliche Behinderung) zum Zeitpunkt der Vollendung des 24. bzw des 25. Lebensjahres noch in Berufsausbildung befinden (bzw Vollwaisen, bei denen das der Fall ist) und kinderreiche Familien zu tragen. Auch treffen die geplanten Kürzungen „tendenziell wirtschaftlich Schwächere“, nämlich gerade die Anspruchsberechtigten für junge Mütter und Schwangere sowie für erheblich behinderte Kinder, Alleinerzieher sowie kinderreiche Familien, deren zu versteuerndes Jahreshaushaltseinkommen 55.000 Euro ohnehin nicht übersteigt. Dazu kommt, dass deren wirtschaftliche Situation durch die mit dem Entfall der Familienbeihilfe verbundenen weiteren Leistungskürzungen, etwa dem Entfall der beitragsfreien Mitversicherung in der Krankenversicherung, weiter verschärft wird.         

         

Diese Stellungnahme wird der Verbindungsstelle der Bundesländer, den anderen Ämtern der Landesregierungen, dem Präsidium des Nationalrates und dem Präsidium des Bundesrates ue zur Verfügung gestellt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landesregierung:

Dr. Heinrich Christian Marckhgott

Landesamtsdirektor

 

 

 

 

Ergeht nachrichtlich an:

1. – 8. E-Mail an: Alle Ämter der Landesregierungen

9.       E-Mail an: Verbindungsstelle der Bundesländer vst@vst.gv.at

10.     E-Mail an: Präsidium des Nationalrates begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

11.     E-Mail an: Präsidium des Bundesrates peter.michels@parlament.gv.at

12.     E-Mail an: Bundeskanzleramt vpost@bka.gv.at

13.     E-Mail an: Institut für Föderalismus institut@foederalismus.at

14.     E-Mail an: Abteilung 3 zu do Zl 203-0/610/256-2010

 

zur gefl Kenntnis.