Zahl: PrsG-472.00

Bregenz, am 17.11.2010

 

 

 

Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend
Stubenring 1
1011 Wien
SMTP:  post@II1.bmwfj.gv.at

 

Auskunft:

Dr. Borghild Goldgruber-Reiner

Tel.: +43(0)5574/511-20214

 

 

 

 

Betreff:

Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376 geändert wird;

Entwurf, Stellungnahme

Bezug:

Schreiben vom 28. Oktober 2010, GZ: BMWFJ-510101/0008-II/1/2010

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

zum im Betreff angeführten Gesetzesentwurf wird Stellung genommen wie folgt:

 

 

Allgemeines

Der Vorarlberger Landtag hat in seiner heutigen Sitzung (17.11.2010) folgenden einstimmigen Beschluss (Beilage 111/2010) gefasst:

 

„Der Vorarlberger Landtag spricht sich für die Rücknahme des im Budget 2011 vorgesehenen Sparpaketes in den Bereichen Familie und Pflege aus.

Diese Bereiche müssen neu verhandelt werden mit dem Ziel, Familien und Pflegebedürftige nicht zusätzlich zu belasten.

 

Die Vorarlberger Landesregierung wird ersucht, sich bei der Bundesregierung für die Umsetzung dieses Beschlusses einzusetzen.“

 

Dem entsprechend ersucht die Landesregierung, dieser Entschließung Rechnung zu tragen.

 

Die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen zur Konsolidierung des Familienlastenausgleichsfonds sind sehr weitgehend und undifferenziert. Sie treffen alle Familien, die meisten von ihnen mehrfach, und führen in bestimmten Konstellationen zu besonderen Härten. Insbesondere die Herabsetzung der allgemeinen Altersgrenze für die Gewährung auf das vollendete 24. Lebensjahr in Kombination mit dem Entfall des Kinderabsetzbetrages und einer Verschlechterung beim Alleinverdienerabsetzbetrag, dem Entfall des Mehrkindzuschlages und dem Entfall der 13. Familienbeihilfe für über 15-Jährige sowie dem Entfall der Familienbeihilfe während der Arbeitssuche stellt Familien mit mehreren älteren (studierenden) Kindern vor große finanzielle Probleme; überhaupt wird eine weiterführende Ausbildung von Kindern deutlich erschwert, in manchen Fällen sogar gefährdet.

Verschärft werden die Maßnahmen darüber hinaus durch das rasche Wirksamwerden, welches Dispositionen durch die Betroffenen nicht erlaubt. Die Maßnahmen werden daher aus gesellschafts- und familienpolitischen Gründen abgelehnt.

 

Verfassungsrechtlich betrachtet ergeben sich vor allem Zweifel, ob die (Haupt-) Maßnahmen des Entwurfes und deren rasche Umstellung bzw. die raschen Kürzungen (bereits Anfang des Jahres 2011) mit dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten Sachlichkeitsgebot und dem Vertrauensschutz vereinbar sind. Unsachlich ist nach der ständigen Judikatur des VfGH jedenfalls auch die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte, sodass undifferenzierte Regelungen, wie die vorliegenden, verfassungsrechtlich zumindest bedenklich sind.

 

Wie der VfGH in VSlg. 12940, 14992 und 16026 außerdem wiederholt ausgesprochen hat, ist „die Unterhaltsleistung an Kinder nämlich nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung, sondern ist die mit der Unterhaltsleistung verbundene Belastung zumindest zur Hälfte entweder im Wege über Transferleistungen oder durch entsprechende steuerbefreiende Maßnahmen geboten“. Mit den im Entwurf enthaltenen Maßnahmen, insbesondere der Herabsetzung der allgemeinen Altersgrenze auf das vollendete 24. Lebensjahr, dürfte diesen Vorgaben jedenfalls nicht mehr entsprochen werden.

 

Studierende, die sich derzeit im Studium befinden, und deren unterhaltspflichtige Eltern konnten auch darauf vertrauen, dass die Familienbeihilfe und die daran anknüpfenden Leistungen/Vergünstigungen bis zum vollendeten 26. Lebensjahr gewährt werden. Die nunmehr vorgesehene Umstellung mit 1. März 2011 lässt eine persönliche Umstellung bzw. ein Einstellen auf diese Änderungen kaum zu und stellt daher einen verfassungsrechtlich unzulässigen, plötzlichen Eingriff in eine berechtigte Erwartungshaltung dar.

 

Von der Praxis und von Betroffenen vorgelegte Beispiele zeigen, dass in bestimmten Fallkonstellationen mehrere, manchmal sogar alle Kürzungsmaßnahmen, die im Entwurf enthalten sind, in einer einzigen Familie zum Tragen kommen können, sodass deren Gesamtheit zu einer massiven Kürzung führt.

 

Mit den im Entwurf enthaltenen Maßnahmen sind darüber hinaus noch weitere Einschnitte für die Familien verbunden. All jene Vergünstigungen nämlich, die an den Bezug der Familienbeihilfe anknüpfen, werden bei Realisierung des Entwurfes nur mehr bis zum vollendeten 24. Lebensjahr wirksam. Als besonders harte Begleitkürzungen wird auf den Entfall des Kinderabsetzbetrages und auf Verschlechterungen in der Sozialversicherung (anspruchsberechtigte Angehörige in der Krankenversicherung) hingewiesen (dazu unten im Detail).

 

Schließlich ist anzumerken, dass der Entwurf die mit ihm verbundenen Kosten für die Länder und Gemeinden – ganz im Gegensatz zur staatsrechtlichen Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus – nicht ausweist. Wenngleich Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz nicht zum Einkommen von Empfängern von Mindestsicherungsleistungen zählen, so wurden im Rahmen der staatsrechtlichen Vereinbarung über die bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung die Mindestsätze für die einzelnen Familienkonstellationen doch unter Bedachtnahme auf die Tatsache paktiert, dass den Familien noch weitere Mittel (nämlich jene aufgrund des Familienlastenausgleichsgesetzes, wie sie zum Vereinbarungszeitpunkt gewährt wurden) zur Verfügung stehen. Durch die gegenständlichen Maßnahmen (insbesondere durch die Streichung des Mehrkindzuschlags) kommt es zu einer massiven Kürzung dieser Mittel, sodass davon auszugehen ist, dass die Familien (vor allem Mehrkindfamilien und Alleinerzieherinnen mit mehreren Kindern) vielfach mit den paktierten Mindestsicherungssätzen das Auslangen nicht mehr finden (können) und es zur Sicherung des Lebensunterhaltes erforderlich sein wird, zusätzliche öffentliche Mittel (vor allem im Rahmen von Sonderbedarfen) einzusetzen.

 

 

Zu den einzelnen besonders abzulehnenden Maßnahmen

 

Herabsetzung der allgemeinen Altersgrenze für die Gewährung auf das vollendete 24. Lebensjahr (Z. 1 bis 3)

Die völlig undifferenzierte Herabsetzung der allgemeinen Altersgrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe um zwei Jahre auf das vollendete 24. Lebensjahr und der damit einhergehende Wegfall von Vergünstigungen werden wegen Unsachlichkeit abgelehnt. Dadurch entstehen in vielen Fällen unbillige Härten, die gesellschafts- und familienpolitisch so nicht akzeptabel sind.

 

Abgesehen davon, dass die vorgeschlagene Regelung nicht mehr gewährleistet, dass die mit der Unterhaltsleistung verbundene Belastung zumindest zur Hälfte entweder im Wege über Transferleistungen oder durch entsprechende steuerbefreiende Maßnahmen wettgemacht wird, ergibt sich die Unsachlichkeit der Regelung schon daraus, dass auf eine Vielzahl berücksichtigungswürdiger Umstände nicht eingegangen wird, z.B.:

 

-         Zeitpunkt des Schuleintrittes

(Benachteiligung von im Herbst Geborenen durch die Stichtagsregelung zur Einschulung; späterer Eintritt wegen mangelnder Schulreife)

-         Art (und damit Dauer) der weiterführenden Schule:

Gymnasien Oberstufe: 4 Jahre/HAK, HTL, HLW usw.: 5 Jahre

-         Absolvierung eines freiwilligen sozialen Jahres

-         Mindestdauer des Studiums

(Bachelor- bzw. auch Masterstudium)

 

 

Die Massivität des Eingriffs durch diese undifferenzierte Herabsetzung der Altersgrenze als Anspruchsvoraussetzung wird durch den gleichzeitigen Wegfall von Vergünstigungen (Vorteilen), die an den Bezug der Familienbeihilfe anknüpfen, verstärkt:

 

-         So sieht derzeit beispielsweise § 33 Abs. 3 i.V.m. § 106 Abs. 1 EStG einen Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 € vor, der von der grundsätzlich errechneten Einkommensteuer dann abzuziehen ist, wenn für dieses Kind Familienbeihilfe bezogen wird.

Durch die Herabsetzung der allgemeinen Altersgrenze verlieren die unterhaltspflichtigen Eltern diesen Absetzbetrag (im schlechtesten Fall für einen Zeitraum von 24 Monaten).

 

-         Ähnlich verhält es sich mit dem (nach der Anzahl an Kindern gestaffelten) Alleinverdienerabsetzbetrag, welcher entsprechend der geplanten Änderung (§ 33 Abs. 4 EStG, enthalten im Art. 3 des Entwurfes zum Budgetbegleitgesetz – Teil Abgabenänderungsgesetz, i.V.m. § 106 Abs. 1 EStG) künftig nur mehr dann gewährt wird, wenn für zumindest ein Kind für mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag (siehe vorigen Spiegelstrich) zusteht.

Durch die Herabsetzung der allgemeinen Altersgrenze und dem damit verbundenen Verlust der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages (für ein älteres Kind) ergeben sich somit zusätzliche Verluste für die Eltern: Sei es dass der Alleinverdienerabsetzbetrag zur Gänze entfällt (wenn kein weiteres Kind mehr vorhanden ist, für das Familienbeihilfe bezogen und ein Kinderabsetzbetrag gewährt wird), sei es dass nur mehr ein geringerer Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht.

 

-         Gemäß § 123 Abs. 4 ASVG (ähnliche Bestimmungen finden sich in den anderen Sozialversicherungsgesetzen, z.B. in § 78 Abs. 4 Bauern-Sozialversi­cherungsgesetz, § 56 Abs. 3 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, usw.) gelten als in der Krankenversicherung anspruchsberechtigte Angehörige auch Kinder und Enkelkinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahren bzw. unter anderem wenn und solange für sie Familienbeihilfe bezogen wird oder zwar keine Familienbeihilfe bezogen wird, sie aber ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes betreiben. Letzteres bedeutet einen relativ erfolgreichen Studienfortschritt und führt bei geringen Verzögerungen im Studienverlauf bereits zum Wegfall der Angehörigeneigenschaft und damit zur Notwendigkeit der Selbstversicherung.

 

-         Auf andere, an den Bezug der Familienbeihilfe anknüpfende Leistungen (z.B. Vergünstigungen bei Tickets für den öffentlichen Verkehr) soll an dieser Stelle lediglich pauschal hingewiesen werden. Für den Verlust dieser gilt das bei den anderen Punkten Ausgeführte. Im Übrigen werden Familien auch noch durch andere geplante Maßnahmen der Budgetbegleitgesetze, insbesondere durch die von uns abgelehnten Verschlechterungen beim Bundespflegegeld, betroffen.

 

 

 

13. Familienbeihilfe im September (Z. 6)

Die 13. Familienbeihilfe soll (ab September 2011) sowohl hinsichtlich Bezieherkreis als auch hinsichtlich Höhe eingeschränkt werden. Mit den nunmehr vorgesehenen 100 € für alle Kinder im Alter von sechs bis 15 Jahren kann diese zusätzliche Familienbeihilfe ihre bei Einführung vor Augen gehabte Funktion als Schulstartgeld nicht mehr ausreichend erfüllen. Das generelle Abschneiden des Anspruchs mit der Altersgrenze von 15 Jahren ist unsachlich, im Hinblick auf den Gleichheitssatz bedenklich und wird in dieser Form jedenfalls abgelehnt.

 

 

Entfall des Mehrkindzuschlags (Z. 7)

Der Entfall des Mehrkindzuschlags mit 1. Jänner 2011 trifft ausschließlich Mehrkindfamilien (drei Kinder oder mehr), deren wirtschaftliche Situation grundsätzlich schwieriger ist. Mehrkindfamilien sind viel häufiger armutsgefährdet und ist eine (teilweise) Berufstätigkeit einer Mutter mit mehreren (vielleicht auch kleinen Kindern) aufgrund der innerhäuslichen Beanspruchung in aller Regel kaum oder nur sehr schwer möglich. Der Entfall des Mehrkindzuschlags wird daher als unsachlich abgelehnt und dessen Beibehaltung aus gesellschafts- und familienpolitischen Gründen ausdrücklich gefordert.

 

Freundliche Grüße

 

                                                                        Für die Vorarlberger Landesregierung

                                                                                            Der Landesrat

 

                                                                                                       

                                                                                        Mag. Siegi Stemer

 


 

  

 

Nachrichtlich an:

 

1.      Abt. Schule (IIa), via VOKIS versendet

2.      Abt. Finanzangelegenheiten (IIIa), via VOKIS versendet

3.      Abt. Gesellschaft, Soziales und Integration (IVa), via VOKIS versendet

4.      Abt. Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten (VIa), via VOKIS versendet

5.      Präsidium des Bundesrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien, SMTP:  begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

6.      Präsidium des Nationalrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien, SMTP:  begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

7.      Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst , Ballhausplatz 2, 1014 Wien, SMTP:  vpost@bka.gv.at

8.      Herrn Bundesrat, Edgar Mayer, Egelseestraße 83, 6800 Feldkirch, SMTP:  mac.ema@cable.vol.at

9.      Herrn Bundesrat, Dr Magnus Brunner, SMTP:  magnus.brunner@parlament.gv.at

10. Frau Bundesrätin, Cornelia  Michalke, Kirchplatz 1, 6973 Höchst, SMTP:  c.michalke@gmx.at

11. Herrn Nationalrat, Karlheinz Kopf, Rheinstraße 24, 6844 Altach, SMTP:  karlheinz.kopf@parlinkom.gv.at

12. Frau Nationalrätin, Anna Franz, SMTP:  anna.franz@parlinkom.gv.at

13. Herrn Nationalrat, Dr Harald Walser, SMTP:  harald.walser@gruene.at

14. Herrn Nationalrat, Elmar Mayer, SMTP:  elmar.mayer@spoe.at

15. Herrn Nationalrat, Christoph Hagen, SMTP:  christoph.hagen@parlament.gv.at

16. Herrn Nationalrat, Bernhard Themessl, SMTP:  bernhard.themessl@tt-p.at

17. Amt der Burgenländischen Landesregierung, Landhaus, 7000 Eisenstadt, SMTP:  post.lad@bgld.gv.at

18. Amt der Kärntner Landesregierung, Arnulfplatz 1, 9021 Klagenfurt, SMTP:  post.abt2v@ktn.gv.at

19. Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten, SMTP:  post.landnoe@noel.gv.at

20. Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Landhausplatz 1, 4021 Linz, SMTP:  verfd.post@ooe.gv.at

21. Amt der Salzburger Landesregierung, Chiemseehof, 5010 Salzburg, SMTP:  landeslegistik@salzburg.gv.at

22. Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Landhaus, 8011 Graz, SMTP:  post@stmk.gv.at

23. Amt der Tiroler Landesregierung, Wilhelm-Greil-Straße 25, 6020 Innsbruck, SMTP:  post@tirol.gv.at

24. Amt der Wiener Landesregierung, Rathaus, 1082 Wien, SMTP:  post@md-v.wien.gv.at

25. Verbindungsstelle der Bundesländer, Schenkenstraße 4, 1010 Wien, SMTP:  vst@vst.gv.at

26. Institut für Föderalismus, Maria-Theresien-Straße 38b, 6020 Innsbruck, SMTP:  institut@foederalismus.at

27. ÖVP-Landtagsfraktion, 6900 Bregenz, SMTP:  landtagsklub.vorarlberg@volkspartei.at

28. SPÖ-Landtagsfraktion, 6900 Bregenz, SMTP:  gerhard.kilga@spoe.at

29. Landtagsfraktion der Freiheitlichen, 6900 Bregenz, SMTP:  landtagsklub@vfreiheitliche.at

30. Landtagsfraktion der Grünen, 6900 Bregenz, SMTP:  landtagsklub.vbg@gruene.at

31. Frau Birgit  Luschnig, im Hause, SMTP:  birgit.luschnig@vorarlberg.at

32. Herrn Jürgen Weiss, SMTP:  jweiss@vol.at