Bundesministerium für Justiz

Graz, am 11.11.2010

 

 

 

Begutachtung, Stellungnahme zu Budgetbegleitgesetz Justiz 2011

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Das Europäische Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie und das Institut für Völkerrecht und internationale Beziehungen an der Universität Graz nehmen zu außen bezeichnetem Gesetzesentwurf unter Wahrung der Begutachtungsfrist folgendermaßen Stellung:

 

1. Zu § 35 Abs 8 ASGG:

geltende Fassung: (8) Auch beim Bezirksgericht des maßgebenden Gerichtstagsorts können Schriftsätze angebracht oder Anträge zu Protokoll erklärt werden. Diese sind unverzüglich an das zuständige Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht weiterzuleiten.

Die Aufhebung dieser Bestimmung ist als unverhältnismäßige Erschwerung des Zugangs zum Recht zu werten. Die Aufhebung ist sozial unausgewogen und betrifft überwiegend ArbeitnehmerInnen in ruralen Gebieten, das Einsparungspotenzial dürfte dazu nicht im Verhältnis stehen. Insbesondere benachteiligt die Aufhebung auch KlägerInnen gegen Verstöße des Gleichbehandlungsrechts. Gerade in diesem Bereich stellt die Europäische Kommission im Rahmen des MIPEX einen erschwerten Rechtszugang in Österreich fest. Die Aufhebung stellt keinesfalls die geforderte Erleichterung des Rechtszugangs dar.

 

2. Zu Gerichtsgebühren TP1-3 GGG:

Die Änderung der Bemessungsgrundlagensprünge zu den Tarifposten erscheint unverhältnismäßig. Als Beispiel: Bei einem Streitwert von 7250 Euro betrüge die Erhöhung TP1 370 Euro oder 236 %! Ähnliche Sprünge berechnen sich an allen geänderten Wertgrenzenintervallen in allen genannten Tarifposten.

 

3. Zu § 88 Abs 2 Z 3 StGB:

geltende Fassung: 3. aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer anderen Person von mehr als dreitägiger Dauer erfolgt,

Die im Entwurf genannte Änderung der Dauer auf 14 Tage ist abgesehen von der falschen Signalwirkung gerade auf VerkehrsteilnehmerInnen aus grund- und menschenrechtlicher Sicht abzulehnen. Eine mehr als dreitägige Berufsunfähigkeit/Gesundheitsschädigung ist keine harmlose Beeinträchtigung. Die Verschlechterung des Schutzes der Unversehrtheit der Person durch das Gesetz ist nicht verhältnismäßig durch Budgeteinsparungen zu begründen. Der möglichst weite Schutz des Grundrechts ist ebenso im öffentlichen Interesse wie die Einsparungen in der Strafrechtspflege. Der Rechtsschutz des Zivilrechts ist keine hinreichende Begründung für die Lockerung des Strafrechtes, weil erstens diese Möglichkeit ohnehin besteht, zweitens die Begründung des Anspruchs ohne ein strafrechtliches Urteil erschwert wird, drittens dem Opfer alleine überlassen wird, sich Recht zu verschaffen. Die Änderung der genannten Bestimmung führt zu unverhältnismäßiger Verschlechterung des Grundrechtsschutzes.

 

 

Mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme und Berücksichtigung und

mit freundlichen Grüßen

 

 

DDr. Renate Kicker, Direktorin

Prof. Dr. Wolfgang Benedek, Institutsvorstand

Dr. Klaus Starl, Geschäftsführer