Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 1227/10                                                             Wien, 17. November 2010

Budgetbegleitgesetz-Justiz

2011-2013;

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMJ-Pr350.00/0001-Pr/2010

 

 

 

An das

Bundesministerium für Justiz

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 27. Oktober 2010 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 

Zu Art. 1 Z 4 und Art. 10 Z 11 des Entwurfes:

 

Auf Grund der in Aussicht genommenen Maßnahmen ist zu befürchten, dass bei Arbeits- und Sozialgerichtlichen Verfahren vermehrt Rechtsanwälte zur Einbringung der Klagen herangezogen werden. Dadurch sind im gerichtlichen Pflegegeldverfahren im Rahmen der sukzessiven Kompetenz Mehrausgaben für die Stadt Wien zu erwarten.

 

Dasselbe gilt für die geplante Einführung einer Pauschalgebühr für die Beiziehung von Dolmetschern im Sinne der Tarifpost 1 lit. c des Gerichtgebührengesetzes. Diese Gebühr wird in Sozialrechtsverfahren von Versicherungsträgern - wenn diese nicht Träger der Sozialversicherung sind - entsprechend der Kostentragungsregelung des § 77 Abs. 1 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes - ASGG - zu entrichten sein. Während derzeit Einzelleistungen abgerechnet werden, die in den meisten Fällen günstiger sind, wäre in Hinkunft die Pauschale zu entrichten.

 

Zu Art. 4 des Entwurfes (Änderung des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsge-setzes):

 

Zum geplanten § 7 Abs. 3 ist anzumerken, dass damit vom Grundsatz der Selbsttragung der Kosten im Verwaltungsverfahren abgewichen wird, was abzulehnen ist.

 

Insbesondere in den Fällen, in denen einem Enteignungsantrag vollinhaltlich stattgegeben wird, ist ein Kostenersatz des Enteignungsgegners abzulehnen. Dies könnte nämlich dazu führen, dass die oft willkürliche Verweigerung einer Zustimmung zur Grundinanspruchnahme noch weiter gefördert wird.

 

Zu Art. 26 Z 1 (Änderung des Suchtmittelgesetzes, § 6 Abs. 4b SMG):

 

Es wird angeregt, hinsichtlich der Suchtmittelgebarung zwingend eine behördliche Kontrolle zur Überprüfung der rechtmäßigen Verwendung und Vermeidung von Missbrauch vorzusehen.

 

Die Durchführung einer Substitutionsbehandlung muss jedenfalls der Vidierung durch eine/n Amtsärztin/-arzt unterliegen.

 

Zu Art. 26 Z 2 und Z 4 (Schaffung und Betrauung eines justizärztlichen Dienstes zur Begutachtung):

 

Es wird aus Gründen der Verwaltungsökonomie ersucht, zumindest in den Erläuterungen klarzustellen, in welchen Fällen eine Anfrage an die Gesundheitsbehörde zu richten ist und unter welchen Voraussetzungen bei der justizeigenen Einrichtung angefragt werden soll. Eine diesbezüglich undeterminierte Wahlfreiheit für die zuweisenden Stellen wäre für die Lösung der eigentlichen Problematik, nämlich der Diagnostik einer Suchtproblematik, nicht förderlich.

 

Schließlich wird hier - der Intention nach Einsparungen widersprechend - eine Parallelstruktur geschaffen, deren Errichtung und Betrieb wiederum Kosten verursacht und daher dem Grundsatz der Verwaltungsökonomie widerspricht.

 

Zu Art. 26 Z 5 und 8 des Entwurfs (Begrenzung der Kostentragung für stationäre Therapie auf sechs Monate):

 

Überlegungen, wie lange eine stationäre Therapie zweckmäßiger Weise dauern soll, bedürfen einer qualifizierten Diagnostik, um im Einzelfall feststellen zu können, ob eine stationäre oder ambulante (Weiter)Behandlung zielführender ist. Es bedarf hiezu einer gesicherten qualifizierten Begutachtung durch einen in der Suchttherapie und
-diagnostik geschulten und erfahrenen Arzt. Zweifelsohne ist es sinnvoll, die Kosten auf das therapeutisch Notwendige zu beschränken. Andererseits muss das therapeutisch Erforderliche - wie bei allen anderen behandlungsbedürftigen Krankheitsbildern - auch bei der Suchterkrankung sichergestellt sein.

 

Eine strikte Begrenzung stationärer Therapie auf sechs Monate steht dazu im Widerspruch. Es gibt durchaus Patienten, die eine länger als sechs Monate dauernde stationäre Therapie benötigen, während bei anderen die Überführung in eine ambulante Therapieform sinnvoll ist. Dazu bedarf es jedoch immer einer diagnostischen Abklärung, ob ein solcher Schritt in der konkreten Situation möglich und indiziert ist. Aus therapeutischer Sicht bedeutet diese in Aussicht genommene absolute Grenze Probleme, wenn bei einem Wechsel in ambulante Therapieformen, allenfalls in einer schwierigen Therapiephase, die Kontinuität der Art der Therapie oder häufig sogar des Therapeuten nicht mehr gegeben ist.

 

Solch erzwungene Diskontinuitäten stellen eine Gefährdung erfolgreicher Therapieverläufe dar. Auch birgt der vorliegende Novellierungsvorschlag die Gefahr einer steigenden Anzahl von Therapieabbrüchen, was sich wiederum in einem Anstieg der Delinquenz infolge erhöhter Rückfallsrate auswirken könnte. Es ist wohl unbestritten, dass die Kosten eines Tages im Strafvollzug deutlich über den im Entwurf genannten Tagessätzen der stationären Einrichtungen liegen, die mit ca. EUR 100,-- pro Aufenthaltstag beziffert wurden. Aus fachlicher Sicht muss deshalb im Bedarfsfall - der im Rahmen einer qualifizierten suchtspezifischen ärztlichen Begutachtung festzustellen wäre - eine längere als sechsmonatige stationäre Therapie jedenfalls möglich bleiben, um ein vermehrtes Abgleiten in die Delinquenz - was im Übrigen ein weitaus höheres volkswirtschaftliches Schadenspotential nach sich ziehen würde als eine allfällige längere stationäre Therapie - hintan zu halten.

 

Da weiters infolge der vorgeschlagenen Begrenzung der stationären Therapie mit einem Anstieg ambulanter Betreuungen zu rechnen ist, muss bei dieser Gelegenheit auf ein seit Jahren bestehendes und bereits mehrfach gegenüber dem Bundesministerium für Justiz vorgebrachtes Defizit aufmerksam gemacht werden:

 

Durch die Nichteinbeziehung der psychosozialen Beratung und Betreuung (gesundheitsbezogene Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 Z 5 SMG) in den vom Bund zu tragenden Kostenkatalog der im Auftrag der Justiz durchzuführenden Therapien (Kostentragungsregelung in § 41 Abs. 1 SMG) wird den KlientInnen eine wichtige, effektive und noch dazu kostengünstige Maßnahme vorenthalten.

 

Psychosoziale Problemstellungen (Schulden, Arbeitslosigkeit, ungesicherte Wohnverhältnisse, mangelnde Krankenversicherung etc.) treten bei von Suchtgiften abhängigen Menschen überdurchschnittlich häufig auf; im Einzelfall müssen daher auch für diese Probleme Lösungen angeboten werden, andernfalls ein Therapieerfolg durch fehlende Resozialisierungsmaßnahmen insgesamt nicht sichergestellt ist.

 

Daher ersuchen wir, die Kostentragung auch für diese Maßnahmen durch entsprechende Berücksichtigung in § 41 Abs. 1 SMG sicherzustellen; es handelt sich - wie schon ausgeführt - nicht nur um eine kostengünstige, sondern vor allem um eine notwendige und effektive Maßnahme, um Rückfällen und Delinquenz vorzubeugen - und verhindert damit wesentlich höhere Folgekosten, die wiederum dem Justizressort zufallen würden.

 

Zu Art. 26 Z 9 des Entwurfs (Auferlegung eines Pauschalkostenbeitrags der Therapiebedürftigen):

 

Ein Pauschalkostenbeitrag wird als nicht zielführend angesehen, weil der dadurch verursachte Administrationsaufwand mit den zu erwartenden Einnahmen in keinem angemessenen Verhältnis steht.

 

Zu Art. 33 (Änderung des Rechtspraktikantengesetzes):

 

Die Kürzung der Gerichtspraxis von neun auf fünf Monate wird strikt abgelehnt, da dies dazu führen würde, dass eine entsprechend umfassende Ausbildung der Rechtspraktikanten nicht mehr erfolgt. Es ist für Juristen, insbesondere vor dem Berufseinstieg, jedoch unbedingt notwendig, Praxis in der Justiz zu sammeln und eine entsprechende Ausbildung im Zivil- und Strafrecht bzw. Kenntnis der Gerichtsstrukturen zu erwerben.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

Mag. Jürgen Fischer                                           Mag. Andrea Mader

                                                                                     Senatsrätin

Ergeht an:

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     (zu MDZ 2686/10)

 

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