An das

Bundesministerium für Justiz

 

Museumstraße 7

1070  Wien

 

 

 

Wien, am 17.11.2010

 

 

 

Betrifft: Entwurf eines Budgetbegleitgesetz-Justiz 2011-2013

Bezug:              BMJ-Pr350.00/0001-Pr/2010

 

 

Die Kriminalitätsopferhilfe Weisser Ring erlaubt sich zum Entwurf des Budgetbegleitgesetzes-Justiz 2011-2013 folgende

 

Stellungnahme

 

abzugeben.

 

Grundsätzlich darf angemerkt werden, dass es nicht nur gesetzestechnisch bedenklich ist, sondern vor allem für die Rechtsanwender und die Normunterworfenen immer schwieriger wird, den geltenden Normenstand zu ermitteln, wenn immer wieder in Budgetbegleitgesetzen einschneidende Änderungen des materiellen und prozessualen Rechtes vorgenommen werden, die oftmals auch in keinem Zusammenhang mit dem Zweck des Budgetbegleitgesetzes, hier der Erwirkung von Einsparungen stehen.

 

Es wäre notwendig und zweckmäßig, zu einer Fülle der vorgeschlagenen Änderungen Stellung zu nehmen, wir erlauben uns lediglich zu den Bestimmungen, die den Verbrechensopferschutz und die Verbrechensopferhilfe unmittelbar betreffen, Stellung zu nehmen.

 

Zu Artikel 23, Änderung der Zivilprozessordnung

 

Zu Ziffer 18ff. Gegen die vorgesehenen Einschränkungen bei den Amtstagen (Entfall der Annahme von Zivilklagen) bestehen nach Ansicht der Verbrechensopferhilfe erhebliche Bedenken. In der Praxis ist es nach wie vor häufig, dass Opfer von Straftaten mit ihren privatrechtlichen Ansprüchen gemäß § 366 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden. Voraussichtlich werden zahlreiche Schadenersatz- und andere Klagen schon daran scheitern, dass erstinstanzliche Prozessgerichte in vielen Fällen Anträge auf Verfahrenshilfe auf Grund der Annahme der Aussichtslosigkeit des Prozesses ablehnen. Für Opfer von Straftaten, die durch einem dem Strafverfahren angeschlossenen Zivilprozess erneut erheblichen Belastungen ausgesetzt sind, kann das eigenständige Aufsetzen von Schriftsätzen nicht zugemutet werden. Auch das Institut der psycho-sozialen Prozessbegleitung im Zivilverfahren kann hier keine Abhilfe schaffen, da diese keine anwaltliche Beratung ersetzt und keine juristischen Auskünfte gegeben werden dürfen. Folglich treffen diese Neuerungen vorwiegend sozial Schwache, denen die Wahrnehmung eines wesentlichen Opferrechtes, nämlich der Zugang zur Entschädigung für den erlittenen Schaden, maßgeblich erschwert wird. Man bedenke das erhöhte Kostenrisiko, das sich unvertretene und unangeleitete Parteien wegen allfälliger überbezifferter Ansprüche und folglichen Prozessverlust aussetzen würden. Weiters ist zu erwarten, dass die Aufhebung der Bestimmungen zu einem deutlichen Anstieg der Anträge auf Verfahrenshilfe durch Beigebung eines/einer Rechtsanwaltes/-anwältin sowie einer steigenden Zahl schriftlicher Anträge, die zur Verbesserung zurückgestellt werden müssen, führen wird. Das Einsparungspotential ist somit fraglich.

 

Zu Artikel 25, Änderungen des Strafgesetzbuches:

 

Was die Ziffer 1 (Präzisierung der Anlasstaten in § 21 StGB) und Ziffer 5 (Strafaufhebungsgrund der Schadensgutmachung in § 198 StGB) betrifft, so werden beide Bestimmungen ausdrücklich begrüßt.

 

Der Entfall der Möglichkeit, eine Geldstrafe bedingt nachzusehen in den Ziffern 2 und 3, ist nicht verständlich. Es ist eines der Vorzüge des österreichischen StGB, dem Strafrichter im konkreten Fall einem breiten Sanktionenkatalog zur Verfügung zu stellen, aus dem er die general- und spezialpräventiv geeignetste Sanktion wählen kann. Die in den Erläuterungen vorgebrachten Argumente sind nicht stichhaltig, hat sich doch in Praxis gezeigt, dass vor allem im Westen Österreichs die bedingte Geldstrafe häufig angewendet wurde und kriminalpolitisch positive Auswirkungen gezeigt hat. Es besteht also keinerlei Anlass, diese Sanktionsform ersatzlos zu streichen.

 

Zu Ziffer 4. Die Anhebung der Straflosigkeitsgrenze von 3 auf 14 Tagen in § 88 StGB ist aus Sicht der Verbrechensopferhilfe sehr bedenklich, weil dadurch eine wesentliche Schlechterstellung der Opfer fahrlässiger Straftaten bewirkt wird. Verbrechensopfern wird dadurch die Möglichkeit genommen, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschließen und dadurch rascher zum Schadenersatz zu kommen. Auch in den Fällen, die bei beibehaltener Strafbarkeit einer diversionellen Erledigung zugeführt werden können, besteht für Opfer durch die mit einer Diversion verbundene grundsätzliche Verpflichtung zur Schadensgutmachung eine wesentliche größere Chance zu ihrem Recht zu kommen.

 

Auch die Einschätzung der Erläuterungen, dass die Neuregelung zu einem Rückgang an Sachverständigengebühren führen wird, kann nach den Erfahrungen der Praxis nicht geteilt werden. Die in den polizeilichen Anzeigen enthaltenen Angaben zur Dauer der Verletzung sind in der Regel so vage, dass sich an der Zahl der Fälle, in denen Sachverständigengutachten zur Verletzungsdauer eingeholt werden müssen, wohl wenig ändern wird. Vielmehr wird es viele Fälle geben, in denen bisher klar war, dass die Verletzungsdauer drei Tage überschreitet, wo in Hinkunft aber Gutachten eingeholt werden müssen zur Abklärung, ob die Verletzungsdauer auch 14 Tage überschritten hat.

 

Schließlich darf darauf hingewiesen werden, dass im Entfall einer gerichtlichen Strafbarkeit die verwaltungsrechtliche Strafbarkeit nach den §§ 99 Abs. 6 lit. c StVO, 30 Abs. 2 VStG auflebt, sich also budgetär die Kosten nur von einem Ressort ins andere zu verschieben. Das kann doch wohl nicht der Zweck einer beabsichtigten Entlastung sein.

 

Zu Arikel 27 Z 10:

 

Ganz vehement müssen sich die Opferschutzeinrichtungen dagegen aussprechen, dass künftig bei Zurück- bzw. Abweisung eines Antrags auf Fortführung auch ein Pauschalkostenbeitrag eingehoben wird. Dadurch wird vor allem für die ärmsten Opfer, so etwa die Opfer von sexuellem Missbrauch, in welchen Fällen es sehr oft zu Einstellungen und Fortführungsanträgen kommt, die Möglichkeit einer strafrechtlichen Erledigung ganz wesentlich beschnitten. Das Antragsrecht sichert  Verbrechensopfer die Möglichkeit, ungerechtfertigte Einstellungen von Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft überprüfen zu lassen und wie die Praxis der Opferschutzorganisationen zeigt, haben diese Fortführungsanträge auch relativ oft Erfolg. Müssen nun Verbrechensopfer im Falle der Erfolglosigkeit mit einem für ihr Einkommen relativ hohen Pauschalkostenbetrag rechnen, so wird ihnen dadurch ein wesentliches Recht genommen.

 

Hon.Prof.Dr. Udo Jesionek

Präsident Weisser Ring Österreich