Bundesministerium für

Justiz

 

josef.bosina@bmj.gv.at

Wien, 17. November 2010

ZVR-Zahl: 975476156

 

 

 

 

 

 

 

 

Betrifft: Budgetbegleitsgesetz-Justiz 2011-2013
              GZ BMJ
-Pr350.00/0001-PR/2010        

 

 

 

 

Der Österreichische Landarbeiterkammertag nimmt zum obigen Entwurf wie folgt Stellung:

 

Die zuständigen Ministerien und sonstige Stellen haben diese bedeutsamen Änderungen über Monate ausgearbeitet, wir, die Begutachtenden, sollen dies in ein paar Wochen auf Punkt und Beistrich prüfen. Dies ist unmöglich. Die Bundesregierung hat unter Bruch der Verfassung, diese Vorhaben zu spät vorgelegt. Auch die gebrochene Verfassungsnorm hat ihren Sinn.

 

Da eine Begutachtung im Detail nicht möglich und zumutbar ist, kann sich eine Stellungnahme nur auf einige Punkte beziehen und im Rahmen des Grundsätzlichen halten.

 

Zu Art. 1 Z 4

 

Der Entfall der Möglichkeit vom Protokollaranbringen insbesondere in Arbeits- und Sozialrechtssachen ist unverständlich. Von Relevanz sind hier vor allem Klagen in Sozialrechtssachen, die einfach, kurz und ohne ernstliches Haftungsrisiko sind. Bei nicht unmittelbar fristgebundenen, schwierigeren arbeitsrechtlichen Klagen wurde in der Praxis durchaus zweckmäßiger Weise ohnehin auf Interessenvertretungen verwiesen. Der Entfall von Protokollaranbringen in Arbeits- und insbesondere Sozialrechtssachen wird keine messbaren Einsparungen im Justizbereich bringen, hingegen mitunter zu Fristversäumnis und damit verbundenen Neuanträgen und erheblichem Mehraufwand bei Sozialversicherungsträgern führen und vor allem mit einer gerichtlichen Tradition brechen, die Bürgernähe der Justiz vermittelt und Vertrauen in die Rechtsprechung österreichischer Gerichte aufgebaut hat. Es handelt sich dabei um ein rechtspolitisch kontraproduktives Signal, mit dem die Distanz zwischen Rechtsunterworfenen und Rechtsprechung vergrößert wird.

 

 

 

Marco D’Avianogasse 1 . 1015 Wien . Telefon 01/512 23 31 . Fax 01/512 23 31 -70

oelakt@landarbeiterkammer.at . www.landarbeiterkammer.at


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Zu Art. 1 Z 5

 

Die Verlängerung der Fristen für Klagen gegen Bescheide der Sozialversicherungsträger, also insbesondere die Verkürzung der dreimonatigen Klagefristen gegen Bescheide der Pensionsversicherungsträger, wird entschieden abgelehnt.

 

Diese Fristverkürzung wird zum einen zur einerwesentlich häufigeren Versäumnis von Klagsfristen führen. Das wird auch einen Mehraufwand bei den Sozialversicherungsträgern zu Folge haben, weil dann regelmäßig Neuanträge (bei Pensionen wegen geminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Verschlechterungsvorbringen) gestellt werden. Außer Acht gelassen wird offenbar auch, dass aus Kostengründen Bescheide der Pensionsversicherungsträger nicht eingeschrieben, sondern mit einfacher Post zugestellt werden. Zustellmängel sind derzeit in der Praxis selten ein Thema, weil sie sich aufgrund der langen Frist häufig durch Nachfragen aufklären. Auch hinsichtlich behaupteter Zustellmängel wird es bei einer Fristverkürzung zu aufwendigen zusätzlichen Verfahren kommen.

 

Zum anderen würde eine vierwöchige Klagsfrist bei Verfahren wegen Pensionen aufgrund geminderter Erwerbsfähigkeit zu mehr sozialgerichtlichen Verfahren führen. Die NÖ Landarbeiterkammer prüft vor Klagseinbringung regelmäßig, ob eine Klage eine Erfolgschance hat. Ein nicht unerheblicher Anteil an sozialgerichtlichen Verfahren wird bereits in diesem Stadium verhindert. Bei der geplanten Verkürzung der Klagsfristen wird eine seriöse Vorprüfung oft nicht mehr möglich sein und generell die Klage eingebracht werden.

 

Es wird weiters darauf hingewiesen, dass auch völlig unklar ist, wo der Wert dieser geplanten „Vereinheitlichung“ liegen soll bzw. welche Einsparung dies bringen soll.

 

 

                        Der Vorsitzende:                                                          Der Generalsekretär:

 

Präsident Ing. Christian Mandl e.h.                                       Mag. Walter Medosch e.h.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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