An das

Bundesministerium für Justiz

Museumsstraße 7

1070 Wien

 

Per E-Mail:    anita.hausknecht@bmj.gv.at;

                        begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

Röthis, am 23.11.2010

 

 

Entwurf eines Budgetbegleitgesetzes-Justiz 2011-2013

BMJ-Pr350.00/0001-Pr/2010

 

 

Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

sehr geehrte Damen und Herren!

 

 

Das Institut für Sozialdienste (im folgenden IfS) ist eine Sozialeinrichtung in Vorarlberg, welche Menschen in psychischen und / oder sozialen Notsituationen Hilfe und Unterstützung anbietet. Das IfS ist u.a. Vertragspartnerin des Bundesministeriums für Justiz im Bereich der Prozessbegleitung und sohin auch im Opferschutz tätig.

 

In diesem Sinne erlaubt sich das IfS nachstehende

 

S t e l l u n g n a h m e

 

abzugeben. Inhaltlich wird lediglich auf jene geplanten Änderungen eingegangen, welche den Arbeitsbereich des IfS unmittelbar betreffen.

 

Eingangs darf festgehalten werden, dass es sich hier um ein Gesetzesvorhaben handelt, das sich nicht auf gesetzliche Maßnahmen zur Konsolidierung des Budgethaushaltes im Bereich der Justiz beschränkt, sondern einschneidende Änderungen im materiellen und prozessualen Recht vorsieht. Dass derartige Änderungen in einem Budgetbegleitgesetz vorgesehen werden, kann unter dem Anspruch an Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Beständigkeit der Gesetzgebung nicht nachvollzogen werden.

 

Des Weiteren wird an dieser Stelle ausdrücklich in Frage gestellt, ob mit den geplanten Maßnahmen tatsächlich die beabsichtigten Einsparungen erreicht werden. Als Beispiel sei lediglich angeführt, dass die weitgehende Abschaffung protokallischer Anbringen dazu führen wird, dass mehr Personen auf Verfahrenshilfe (welche bekanntermaßen mit nicht unerheblichen Kosten für den Bund verbunden ist) angewiesen sind, da sie mit der Formulierung einer Klage schlichtweg überfordert sind.

 

Änderung des Gerichtsgebührengesetzes / Abschaffung protokollarischer Anbringen:

 

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Recht auf Zugang zu den Gerichten im Zentrum der Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK steht. Unangemessen hohe Gerichtsgebühren führen dazu, dass der Zugang zu Gericht beschränkt oder verhindert wird, weshalb den diesbezüglichen Änderungen ablehnend gegenüber gestanden wird.

 

Jedenfalls eingeschränkt wird der Zugang zum Gericht durch die geplante (weitgehende) Abschaffung protokollarischen Anbringens. Dies ist keinesfalls mit einem Rechtsstaat vereinbar und trifft diese Gesetzesänderung letztlich jene Personen unserer Gesellschaft, die ohnedies vielfach benachteiligt sind.

 

Inhaltlich wird der Stellungnahme des Weissen Ringes beigetreten: In der Praxis werden Opfer von Straftaten häufig mit ihren privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen, weil eine abschließende Beurteilung derselben im Strafverfahren nicht möglich ist. Die Erfahrung zeigt, dass Opfer einen weiteren Zivilprozess scheuen, weil dieser einerseits vielfach mit einem hohen Prozesskostenrisiko und andererseits zwangsläufig mit einer neuerlichen Konfrontation des Opfers mit dem Täter verbunden ist (auch wenn die seit dem 2. Gewaltschutzgesetz in Kraft befindlichen Änderungen wesentliche Verbesserungen mit sich gebracht haben).

 

Problematisch erscheint insb. die in den Materialien vertretene Auffassung, dass durch „die Beratungsmöglichkeiten“ kein Rechtsschutzdefizit entstehen würde, weil zahlreiche Anlaufstellen (wie bspw. Frauenberatungsstellen, Familienberatungsstellen etc.) zur Verfügung stehen würden. Zum einen sei darauf hingewiesen, dass die Formulierung von Klagen nicht in deren Kompetenz fällt, zum anderen, dass diese weder die Ausbildung noch die Befugnisse zur Rechtsberatung aufweisen.

 

Kostenpflicht für Fortführungsanträge:

 

Der Gesetzgeber hat sich mit dem Strafprozessreformgesetz dazu entschlossen, der Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche ein effektives Instrument beizustellen und das früher im Zusammenhang mit Subsidiaranträgen bestehende, hohe Kostenrisiko abzuschaffen.

 

In den letzten Jahren wurde das Instrument der Fortführung nach und nach beschränkt: Nach dem seit dem Budgetbegleitgesetz 2009 in Geltung stehenden Gesetz ist die nachprüfende Kontrolle des Gerichts auf „erhebliche Bedenken“ eingeschränkt. Bereits diese Einschränkung der Kognitionsbefugnis erscheint verfassungsrechtlich äußerst bedenklich, überlässt doch die Strafprozessordnung die Beweiswürdigung einer weisungsbefugten Behörde, welche durch das unabhängige Gericht bloß in einem Teilbereich – und ohne Führung eines ordentlichen und mündlichen Verfahrens, also einem reinen „Aktenverfahren“ – überprüft werden kann.

 

Der im Entwurf vorgesehene Pauschalkostenbeitrag von € 90,00 für den Fall der Zurück- oder Abweisung heißt im konkreten Fall, dass der Antragsteller nicht nur mit der negativen Entscheidung des Gerichts konfrontiert wird, sondern diese zusätzlich mit Gebühren verbunden wird. In der Praxis wird dies dazu führen, dass das gewollte Instrument des Fortführungsantrages weiter zurückgedrängt wird. Nicht zuletzt dient die Möglichkeit eines Fortführungsantrages aber auch der Kontrolle der Rechtsstaatlichkeit und stellt in vereinzelten Fällen notwendiges Mittel zum Zweck dar. Durch Einführung eines Kostenrisikos (weit problematischer ist die damit allenfalls auch einhergehende Kostenersatzpflicht zugunsten des Beschuldigten im Falle einer Ab- oder Zurückweisung und entsprechenden Stellungnahme) wird die Möglichkeit, die Entscheidung einer Einstellung zu bekämpfen bzw. die Begründung hiefür der gerichtlichen Kontrolle zuzuführen, verwehrt.

 

Auch wenn der vorgesehene Pauschalkostenbeitrag von € 90,00 als „tragbar“ angesehen wird, sei doch festgehalten, dass sich der Gesetzgeber im Strafprozessreformgesetz aus guten Gründen gegen eine Kostenersatzpflicht ausgesprochen hat und mit Vorsehung eines Pauschalkostenbeitrages Tür und Tor geöffnet wird, das Instrument des Fortführungsantrages (noch) weiter zurückzudrängen.

 

Mit Rücksicht auf die obigen Ausführungen wird höflich ersucht, den vorliegenden Entwurf nochmals zu überdenken.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Dr. Sandra Wehinger