Sehr geehrter Herr Mag. Kainzmeier,

 

lassen Sie mich nach Durchsicht der als vorgesehen publizierten Novelle, als regelmäßiger Nutzer des hier im Vordergrund des Interesses stehenden Straßenverkehrsgeräts, mit folgenden Punkten Stellung beziehen.

 

Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Ewald Pfau

(Passail)

 

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Die Änderung von Par. 68(5) - zuvor 68(4) - bedeutet eine Verschärfung, von der nur Fahrbahnnutzer profitieren können, sehr zu Lasten von Nutzern separierter Verkehrsflächen. 

 

Zur Gummiparagraph-Regelung wurde eine weitere Komponente eingefügt, mit der Nutzer separierter Verkehrsflächen in einem weiten Bereich willkürlich ins Unrecht gesetzt werden können:

 

Hier wird ein Überraschungsverbot dekretiert, bei zugleich explizit einseitiger Parteinahme - dabei sind für die Beteiligten in der Folge gemeinsam zu absolvierender dynamischer Bewegungskoordinationen auch prinzipiell nur wechselnde Aufmerksamkeitsspannen möglich.  Eine legistische Festlegung von "Überraschung" hieße, solche Spannen als absolute Größe zu kodifizieren, was ein Unding ist.  Der zu kodifizierende Kontext ergibt sich vielmehr mit der gemeinsamen Koordination der Situation durch die Beteiligten.

 

Solche Beliebigkeit zum explizit einseitigen Nachteil stellte schon bisher eine Zumutung dar.

 

Eine nun eingefügte, ebenfalls weitgehend dehnbare Sequenz stellt nun auf den Begriff der Annäherung ab - was völlig im Unklaren lässt, was darunter zu verstehen ist. 

 

Immerhin handelt es sich bei den Nutzern separierten Verkehrsflächen in diesem Fall nicht um Fußgänger, denen in ihrer Bewegungsdynamik Freiheitsgrade offenstehen, wie sie für spurgebundene Verkehrsgeräte nicht möglich sind. 

 

In einem kodifizierten und klaren Sinne von Annäherung könnte man sich zu Fuß in unklaren Situationen sukzessive annähern - man kann dazu auch Schritte zur Seite machen, oder sich auf der Stelle wenden.  Solche Art von Bewegungsmustern kann allerdings Nutzern von spurgebundenen Fahrzeugen als faktische Möglichkeit keinesfalls unterstellt werden.  Die Übertragung ist ein Unding, ein anderer Begriff von Annäherung müsste hingegen die Unmöglichkeit von gewissen Bewegungsabläufen thematisieren, bei Fortbewegung mit einem spurgebundenen Gerät, was aber nicht geschieht.

 

Der erläuternde Kommentar zu diesem Punkt bringt die Intention als Motivation für solche Nachlässigkeit in der oberflächlichen Übertragung auf den Punkt: Indem "dem Radfahrer" zwei weit auslegbare Rechtsbegriffe einseitig als Fallstricke hingelegt werden, habe dann auch "der Autofahrer"

mehr Zeit hinzuschauen. 

 

Man muss aber solches Niveau als fragwürdig und unangemessen zurückweisen - ist doch mittlerweile die Situation, dass es den Nutzer der separierten Fläche gibt, die an eine Furt grenzt, sowie den Nutzer der Fahrbahn.  Hier auch für die Novelle von Auto- und Radfahrer zu sprechen, offenbart das Wunschdenken recht deutlich.  Der Radfahrer soll weichen, wenn ein Autofahrer in die Nähe kommt.  Eben das steht da, wenn man die gedanklichen Leerstände auffüllt.

 

Zudem unterstreicht diese Regelung, nun in fortgesetzter Weise, dass der Gesetzgeber eine Teilnahme am Verkehr im Sinn eines stetigen Verkehrsflusses nicht für alle Verkehrsteilnehmer nach Maßgabe gleichberechtiger Interessen unterstützt. 

 

Mit solcher Vorschrift wird einem Teil der Verkehrsteilnehmer die Unstetigkeit im Fluss der Fortbewegung vorgeschrieben.

 

Dies steht in krassem Widerspruch zur Vorgabe, den Radverkehr zu fördern.

 

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Par 68(8) steht im Widerspruch zu einfachen Sätzen der Logik und zu international gültigen Grundsätzen wissenschaftlicher Vorgangsweise - auf diese Lückenhaftgkeit wurde in anderen Beiträgen schon hingewiesen.

 

Ein einfacher Punkt kann hier noch angefügt werden: Fahrradhelme sind keine Schutzvorrichtungen.  Man kann diese Modeartikel unter dem im Sinn des Konsumentenschutzes gültigen Titel "Schutzeinrichtung" nicht käuflich erwerben, weil es sie unter diesem Titel nicht gibt.

 

Der Unterschied zwischen propagandistisch-bewerbenden und deskriptiv-analytischem Sprachgebrauch lässt sich in weiten Bereichen für diesen Zusammenhang als divergierend beobachten.

 

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Mit der Vorstellung neuer Verkehrszeichen zur freiwilligen Nutzung separierter Verkehrsflächen wird zugleich versäumt, einen Normengrundsatz vorzunehmen. 

 

Es sei auf die Regelung in Deutschland verwiesen, wonach prinzipiell der Radverkehr auf der Fahrbahn stattfindet und nur in Ausnahmen auf separierten Verkehrsflächen, wobei dort die Ausnahmen zu begründen sind, anderenfalls Organe der Verwaltungsaufsicht die Einhaltung der prinzipiellen Regelung durchsetzen können.

 

Bedauerlicherweise ist nun die Aussicht im Bereich des Möglichen, dass durch konkurrierende regionale Modelle die Gefährdung für Fahrradverkehr anwächst, wenn sich hernach kein eindeutiges Selbstverständnis dazu etablieren kann, dass auf der Fahrbahn mit der Benutzung von Fahrrädern zu rechnen ist.

 

Auf die damit im Zusammenhang stehende Beobachtung der "Sicherheit durch große Nutzerzahl" wurde mehrmals verwiesen.

 

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Mit Fahrradstraßen wird leider ein weiteres Zeichen gesetzt, gegen integrative Nutzung der Fahrbahnen für spurgebundenen Verkehr im generellen Sinn.

 

Dabei wäre es in erster Linie der einfache und leicht einleuchtende Rechtsgrundsatz, der als gesellschaftspolitisches Zeichen sofort weithin deutlich zu verstehen wäre, was mithin auf abstrakter Schiene zugleich eine überaus deutliche und wirksame Form von Radverkehrsförderung darstellte.

 

Fahrradstraßen sind überflüssig genau in diesem Sinn - die Verausgabung mit konkreten Werkstoffen kann das Manko auf der abstrakten Ebene nicht kompensieren.  Es mangelt an Signalwirkungen durch förderliche Rechtsgrundsätze.

 

Ein Stück in diese Richtung wurde wohl mit der Einführung eines Rücksichtnahmegebots gegangen.

 

Aber wie besonders bei der Verschärfung vom nunmaligen Par 68(5) zu sehen, scheint Fairness nicht gleichmäßig auf allen Seiten anzunehmen zu sein, enttäuschenderweise.

 

Die unschönen Schatten verdeutlichen sich auch, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mit der Bekanntgabe neuer Verkehrszeichen zugleich auch freigestellt ist, Zwangsseparierungen sehr wohl landauf, landab, munter voranzutreiben, die zu allem Leidwesen dann auch, besonders außerurban, das Prinzip der Unstetigkeit alle paar hundert Meter wie als hämische Verachtung

vorführen:

 

Radweg-Beginn.  Radweg-Ende.  Da Capo. 

 

Auch dies macht sich als Gegenteil von Förderung geltend, im Sinne nachhaltiger (nicht nur kurz vorübergehender) Fahrradnutzung.

 

Die vorgestellte Novellierung ermöglicht solchen Schaden in der mittelfristigen Perspektive, zwar nicht explizit klipp und klar, dafür auf direktem, kurzem Weg durch die Hintertür.

 

Es wäre angenehmer, für die Sicherheit zuträglicher, und für die Beliebtheit des einfachen Vehikels förderlicher, wenn die Hintertür zugemacht würde.

 

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