Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 370-1/11                                                            Wien, 23. März 2011

Entwurf eines Bundesgesetzes,

mit dem das Wertpapieraufsichts-

gesetz 2007 und die Gewerbeord-

nung 1994 geändert werden;                                             

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMF-090103/0001-III/5/2011

 

 

 

An das

Bundesministerium für

Finanzen

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 2. März 2011 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 


Grundsätzliche Bemerkungen:

 

Das Land Wien begrüßt die dem Entwurf zu Grunde liegende Intention einer umfassenden Reform des Systems der Anlageberatungsberufe. Eine solche kann sinnvollerweise jedoch nur dann gelingen, wenn die entsprechenden Regelungen sowohl für die vollziehenden Behörden (im gegenständlichen Fall die im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung tätig werdenden Bezirksverwaltungsbehörden als Gewerbebehörden erster Instanz) als auch für die betroffenen Unternehmen praktikabel sind. Der gegenständliche Entwurf wird dieser Anforderung jedoch nur in einem bescheidenen Ausmaß gerecht, zumal er für die Gewerbetreibenden einen nicht unbeträchtlichen zusätzlichen bürokratischen Aufwand nach sich zieht und er die Gewerbebehörden mit zum Teil unlösbaren praktischen Problemen und einen enormen zusätzlichen Verwaltungsaufwand konfrontiert. Der gegenständliche Entwurf wird daher insbesondere im Hinblick auf Artikel 2 entschieden abgelehnt.

 

Zu den geplanten Änderungen im Detail:

 

·        Zu den Bestimmungen über den Befähigungsnachweis:

 

Der Entwurf sieht in den §§ 136a Abs. 3 und 136b Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 sowohl beim Gewerblichen Vermögensberater als auch beim neuen reglementierten Gewerbe „Wertpapiervermittler“ Regelungen über den Befähigungsnach­weis vor. Dazu wird angemerkt, dass die Normierung des Erfordernisses eines Befähigungsnachweises für den Zugang zum Gewerbe im II. Hauptstück der Gewerbeordnung insofern entbehrlich ist, als bereits § 16 Abs. 1 GewO 1994 allgemein klarstellt, dass der Nachweis der Befähigung bei reglementierten Gewerben generell eine Antrittsvoraussetzung zur Ausübung solcher Gewerbe ist.

 

Ferner sieht der Entwurf bei den in Rede stehenden reglementierten Gewerben vor, dass zusätzlich zum Nachweis der Befähigung offenbar als weitere Antrittsvoraussetzungen „die vorgesehenen alle drei Jahre zu absolvierenden Schulungen oder ein Zertifikat einer entsprechend akkreditierten Zertifizierungsstelle“ nachzuweisen ist. Abgesehen davon, dass unklar ist, warum diesbezüglich kein ansonsten in der Gewerbeordnung üblicher Hinweis auf den § 339 Abs. 3 GewO 1994 erfolgte, würde die Umsetzung des Entwurfes zu einem beträchtlichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand bei den Gewerbebehörden erster Instanz führen, zumal die entsprechenden Unterlagen nicht nur bei der Gewerbeanmeldung, sondern im Sinne der intendierten fortlaufenden Weiterbildungsverpflichtung für die Gewerbetreibenden auch während der Gewerbeausübung der Behörde nachzuweisen sind. Das alternativ zu den Schulungen in Aussicht genommene Zertifizierungssystem ist insofern nicht schlüssig und inpraktikabel, als die erfolgte Zertifizierung durch die Behörden offenbar laufend kontrolliert bzw. verifiziert werden muss und sich die diversen Zertifizierungen untereinander erfahrungsgemäß deutlich unterscheiden. Die Vollziehung des Gesetzesvorschlages würde bei den Gewerbebehörden zu einem enormen zusätzlichen Verwaltungsaufwand führen.

 

Es wird daher generell vorgeschlagen, die in Aussicht genommenen Schulungs- bzw. Zertifizierungspflichten der Gewerbetreibenden als Ausübungsbestimmungen und keinesfalls als Zugangsregelungen zu normieren, zumal der erhoffte Effekt zum einen durch laufende Kontrollen in den Gewerbebetrieben und zum anderen auch durch eine zu erwägende gesetzliche Verpflichtung zur Einleitung eines Entziehungsverfahrens gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 schon beim erstmaligen Verstoß erzielbar wäre (vgl. dazu die etwa bereits für das Reisebürogewerbe bestehenden Bestimmungen).

 

Bemerkenswert erscheint schließlich der Umstand, dass die Behörde sowohl gemäß § 136a Abs. 4 als auch gemäß § 136b Abs. 2 GewO 1994 „bei Wegfall der Befähigungs(nachweis)voraussetzung“ unverzüglich ein Entziehungsverfahren einzuleiten hat. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass nach dem geltenden System der Gewerbeordnung ein einmal erworbener Befähigungsnachweis nicht „wegfallen“ kann (vgl. dazu etwa § 17 leg. cit.). Es wird daher auch aus diesem Grund vorgeschlagen, das Kri­terium der Befähigung von jenem einer fortlaufenden Fortbildungsverpflichtung begrifflich als auch verfahrenstechnisch klar abzugrenzen.

 

·        Zum Nachweis des Bestehens eines gültigen Vertretungsverhältnisses im Sinne der §§ 1 Z 20 bzw. 2 Abs. 1 Z 15 des Wertpapieraufsichtsgesetzes 2007 - WAG 2007:

 

Hiezu darf bemerkt werden, dass nicht nachvollziehbar ist, warum auch hier kein entsprechender Hinweis auf § 339 Abs. 3 GewO 1994 erfolgte bzw. weshalb eine Anpassung der §§ 365a und 365b leg. cit. unterblieben ist, obwohl das Vertretungsverhältnis von der Behörde in das Gewerberegister einzutragen ist.

 

Ferner wird angeregt klarzustellen, wen konkret die Verpflichtung trifft, die Gewerbebehörde unverzüglich nach Kenntnisnahme über die Endigung des Vertretungsverhältnisses zu unterrichten.

 

Auch die sonstigen Regelungen über den Wegfall des Vertretungsverhältnisses sind aus Sicht der vollziehenden Behörden ergänzungsbedürftig, zumal im Gesetz oder in den Erläuterungen verdeutlicht werden sollte, ob schon beim Wegfall jeglichen Vertretungsverhältnisses oder etwa erst beim Wegfall „des letzten Vertretungsverhältnisses“ ein Gewerbeentziehungsverfahren einzuleiten ist.

 

·        Zur vorläufigen Streichung im Gewerberegister bei Einleitung des Entziehungsverfahrens bzw. dem Vermerk im Gewerberegister, dass ein Entziehungsverfahren eingeleitet wurde:

 

Aus Sicht des Amtes der Wiener Landesregierung ist der Zweck dieser Maßnahmen nicht nachvollziehbar, zumal das Gewerberegister - im Gegensatz zum Versicherungsvermittlerregister - etwa den Konsumentinnen und Konsumenten nicht unentgeltlich im Internet zur Verfügung steht, sodass diese von den behördlichen Maßnahmen in der Praxis keine Kenntnis erlangen können. Der Entwurf führt in diesem Punkt daher zu einer Überregulierung der ohnehin bereits sehr komplexen Materie und erzeugt bei den Vollzugsbehörden einen unnötigen zusätzlichen Verwaltungsaufwand.


·        Beschränkung der Wertpapiervermittler auf drei Unternehmen:

 

Es wird angeregt, etwa in den Erläuterungen Ausführungen über die Gewährleistung der Einhaltung dieser im § 2 Abs. 1 Z 15 WAG 2007 enthaltenen Regelung aufzunehmen. Denkbar wäre etwa das Vorsehen einer technischen Beschränkung im nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 vorgesehenen öffentlichen Register und/oder im Gewerberegister.

 

·        Zum Doppelbetätigungsverbot als gebundener Vermittler und als Wertpapiervermittler:

 

Dieser Vorschlag wird zwar inhaltlich grundsätzlich begrüßt, die im Entwurf enthaltenen Regelungen zur Umsetzung werden jedoch entschieden abgelehnt. Insbesondere die im § 136a Abs. 4 GewO 1994 vorgenommene Bezugnahme auf den Gewerbewortlaut ist nicht sinnvoll, zumal schon die derzeitigen Gewerbewortlaute für Gewerbliche Vermögensberater auf Grund der bestehenden Regelungen über die Versicherungsvermittlung sehr lang und für den Durchschnittskonsumenten nicht verständlich sind.

 

Es wird daher angeregt, den angestrebten Zweck der Regelung durch entsprechende Ausführungsbestimmungen in der Gewerbeordnung zu verfolgen. Gegen den vorgeschlagenen Entwurf spricht neben der Verkomplizierung des Behördenweges für Unternehmer (der Gewerbewortlaut ist von diesen gemäß § 339 Abs. 2 GewO schon bei der Gewerbeanmeldung anzugeben) auch der erhöhte Beratungsaufwand für die Behörden und die Tatsache, dass bei einem Wechsel der Tätigkeit des Unternehmers immer auch der Gewerbewortlaut geändert werden müsste.

 

·        Zur (zusätzlichen) Versicherungspflicht für Gewerbliche Vermögensberater:

 

Der Vorschlag, dass Gewerbliche Vermögensberater in Hinkunft alleine nach der Gewerbeordnung unter Umständen mehrere Haftpflichtversicherungen abschließen müssen (vgl. die §§ 136a Abs. 7 (neu) und § 137c leg. cit.), wird entschieden abgelehnt, zumal dies sowohl für die betroffenen Gewerbetreibenden als auch für die Behörden zu einem enormen zusätzlichen Verwaltungsaufwand führen würde. Es wird daher angeregt, für Gewerbliche Vermögensberater (unter Berücksichtigung der Vorgaben der Versicherungsvermittler-Richtlinie) eine sein gesamtes Betätigungsfeld umfassende, einheitliche Haftungsabsicherung vorzusehen.

 

Der vorliegende Entwurf scheint darauf abzuzielen, dass sowohl bei der Gewerbeanmeldung als auch etwa bei Erweiterungen oder Einschränkungen des Gewerbewortlautes immer darauf geachtet werden muss, ob eine entsprechende Haftungsabsicherung vorliegt, die das jeweils in Aussicht genommene Tätigkeitsfeld abdeckt. Das ist weder den betroffenen Unternehmen noch den Gewerbebehörden zumutbar, zumal sich die Zusammenarbeit mit den absichernden Versicherungen für die Behörden in der Praxis schon derzeit als schwierig darstellt.

 

Die Erfahrungen aus der Umsetzung der Versicherungsvermittler-Richtlinie zeigen deutlich, wie wichtig es ist, gerade im Bereich der Haftpflichtversicherungen eine für alle Betroffenen handhabbare Lösung zu erzielen.

 

·        Zu den Übergangsregelungen:

 

Die vorgeschlagenen Regelungen in den §§ 108 Abs. 10 WAG 2007 bzw. 376 Z 1 GewO 1994 treffen keine Aussagen darüber, welches Schicksal derzeit bestehende und zukünftig auslaufende Berechtigungen für das freie Gewerbe der Finanzdienstleistungsassistenten nach Ablauf der Übergangsfristen nehmen sollen.

 

Es wird angeregt, eine automatische Endigung durch Zeitablauf vorzusehen. Dadurch könnte auch der durch den Entwurf beabsichtigte Bereinigungseffekt im Gewerberegister relativ ressourcenschonend erzielt werden.

 

Schließlich wird bezweifelt, ob die bloß einjährige Übergangsfrist ausreichen wird, die Unternehmen in das neue Reglement nahtlos überzuführen, zumal die Betroffenen während der Übergangszeit insbesondere entsprechende Nachweise über den Befähigungsnachweis (etwa in Form von Prüfungen) erbringen müssen und entsprechende Zugangsverordnungen noch nicht bestehen (können).

 

Zur Darstellung der finanziellen Auswirkungen:

 

Die im Vorblatt dargestellte fiskalische Irrelevanz des Entwurfes auf die Haushalte etwa der Länder und Gemeinden kann vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht nachvollzogen werden.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                                 Dr. Peter Krasa

MMag. Michael Ramharter                                     Obersenatsrat

 

 

 

Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

 

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  MA 63

(zu MA 63 - 2691/2011)

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen