omgAn das

Bundesministerium für Justiz

 

Museumstr. 7

1070 Wien

 

 

ÖBB-Holding AG

 

Dr. Katharina Günther

Leiterin Konzernrecht

und Vorstandssekretariat

 

Tel. +43/1/93000/44090

Fax +43/1/93000/44091

E-Mail: katharina.guenther@oebb.at

1100 Wien, Clemens-Holzmeister-Straße 6

per E-Mail:     team.s@bmj.gv.at

cc:                   begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

                                   

                                                                                                              Datum

                                                                                                              Wien, am 19.08.2011

 

Entwurf betreff. ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt geändert werden

Begutachtungsverfahren

GZ. BMJ-S318.031/0001-IV 1/2011

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

zum übermittelten Entwurf betreff. ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt geändert werden, ergeht innerhalb offener Frist von seitens des ÖBB-Konzerns nachfolgende Stellungnahme:

 

Laut § 181b Abs. 1 StGB neu sollen folgende Handlungen strafbar sein (Erweiterungen bzw. Modifikationen gegenüber der bisherigen Fassung sind fett gedruckt):

von Abfällen entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag, wenn hierdurch

  1. eine Gefahr für das Leben oder einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) eines anderen oder sonst für die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer größeren Zahl von Menschen,
  2. eine Gefahr für den Tier- oder Pflanzenbestand in erheblichem Ausmaß
  3. eine lange Zeit andauernde Verschlechterung des Zustands eines Gewässers, des Bodens oder Luft oder
  4. ein Beseitigungsaufwand, der € 50.000,-- übersteigt,

entstehen kann.

 

Laut § 183a StGB neu sind die o. a. Taten dann strafbar, wenn sich der Täter mit einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen entsprechend dazu verpflichtet gewesen wäre oder ihm ein Irrtum über die Rechtsvorschrift oder den behördlichen Auftrag sonst vorzuwerfen ist, sofern er im übrigen vorsätzlich handelt.

 

Für den ÖBB-Konzern sind durch die Neufassung insbesondere die betriebliche Überwachung der Sammlung, Beförderung, Verwertung, Beseitigung bzw. die Kontrolle von Beseitigungsanlagen im Zusammenhang mit einem erwartbaren Beseitigungsaufwand von mehr als € 50.000,-- relevant.

 

Nachdem die Strafbarkeit bereits dann eintreten soll, wenn der mögliche Beseitigungsaufwand € 50.000,-- übersteigt, ohne dass es zu einer Gefahr für Menschen, Tiere oder die Umwelt kommen kann, werden die Vorgaben laut EU-Richtlinie 2008/99/EG erheblich überschritten. Die unter Artikel 3 der RL 2008/99/EG angeführten Straftaten sehen nämlich für die Sammlung, Beförderung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen einschließlich der betrieblichen Überwachung dieser Verfahren und der Nachsorge von Behandlungsanlagen bzw. den Betrieb einer Anlage, in der eine gefährliche Tätigkeit ausgeübt wird, eine erhebliche Gefährdung von Menschen, Tieren oder der Umwelt als Voraussetzung für die Strafbarkeit vor. Die zuletzt genannten Tatbestandsvoraussetzungen fehlen lediglich bei Verbringung von Abfällen in nicht unerheblicher Menge ins Ausland gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006.

 

Die einschlägigen Bestimmungen der RL 2008/99/EG lauten:

 

Artikel 3 - Straftaten:

 

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die folgenden Handlungen unter Strafe gestellt werden, wenn sie rechtswidrig sind und vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig begangen werden:

a)    die Einleitung, Abgabe oder Einbringung einer Menge von Stoffen oder ionisierender Strahlung in die Luft, den Boden oder das Wasser, die den Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann;

b)    die Sammlung, Beförderung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen, einschließlich der betrieblichen Überwachung dieser Verfahren und der Nachsorge von Beseitigungsanlagen sowie der Handlungen, die von Händlern oder Maklern übernommen werden (Bewirtschaftung von Abfall), die den Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann;

c)    die Verbringung von Abfällen, sofern diese Tätigkeit unter Artikel 2 Nr. 35 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2006 über die Verbringung von Abfällen fällt und in nicht unerheblicher Menge erfolgt, unabhängig davon, ob es sich bei der Verbringung um eine einzige Verbringung oder mehrere, offensichtlich zusammenhängende Verbringungen handelt;

d)    der Betrieb einer Anlage, in der eine gefährliche Tätigkeit ausgeübt wird oder in der gefährliche Stoffe oder Zubereitungen gelagert oder verwendet werden, wodurch außerhalb dieser Anlage der Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht werden oder verursacht werden können;“

 

Die Handlungen laut Artikel 3  lit. e bis i betreffen Herstellung usw. von Kernmaterial, Tötung, Zerstörung, Besitz usw. sowie den Handel mit Exemplaren geschützter, wildlebender Tier- und Pflanzenarten, jedes Verhalten, das eine erhebliche Schädigung eines Lebensraums innerhalb eines geschützten Gebiets verursacht sowie Produktion etc. von Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht beitragen.

Ebenso sind Regelungen für die Verantwortlichkeit juristischer Personen bzw. Sanktionen gegen diese vorzusehen.

 

Es ergibt sich daher nicht aus den EU-Vorschriften und ist auch sachfremd, dass ohne jegliche Gefährdung von Menschen, Tieren, Pflanzen oder Umwelt auch strafrechtliche Sanktionen vorgesehen sind, sofern ein Beseitigungsaufwand von mehr als € 50.000,-- entstehen kann.

 

Im Hinblick darauf, dass beim Betrieb einer Deponie für die Beseitigung auch nicht gefährlicher Abfälle den Betrag von € 50.000,-- übersteigende Kosten jederzeit anfallen können, eine diesbezügliche Bestrafung laut RL 2008/99/EG nicht vorgesehen ist und auch der Unrechts- bzw. Gefährdungsgehalt einer solchen Tätigkeit mit einer erheblichen Gefährdung von Menschen, Tieren oder Umwelt nicht vergleichbar ist, erscheint die Strafdrohung für die Verwirklichung des Tatbestands laut § 181b Abs. 1 Z 4 StGB unangemessen hoch; sie steht auch in keinem begründbaren Verhältnis zu den übrigen Straftatbeständen, die eine reale Gefährdung fordern.

 

Damit erweist sich der Gesetzesentwurf hinsichtlich der .gleichen Strafbarkeit für die Erzeugung eines Beseitigungsaufwands von mehr als € 50.000,-- nicht nur als EU-rechtswidrig, sondern auch als verfassungsrechtlich bedenklich.

 

Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch hinsichtlich der Bestimmung der §§ 180 Abs. 1 Z4 und Abs. 2 sowie § 181 StGB.

 

Zusammenfassend ist daher auszuführen, dass

 

 

 

Es wird höflich um Berücksichtigung dieser Stellungnahme ersucht.

 

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die ÖBB-Holding AG

 

Dr. Katharina Günther e.h.