Amt der Kärntner Landesregierung

 

 

   Abteilung 5 (Kompetenzzentrum Gesundheit)

 

Unterabteilung Sozial- und Gesundheitsrecht

 

 

 

 

 

 

Datum:

 

22.9.2018

 

 

 

Zahl:

 

14-S-OF-1001/19/2011

 

Betreff: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Opfer-

 

(Bei Eingaben bitte Geschäftszahl anführen!)

fürsorgegesetz geändert wird; Begutachtungsverfahren;

 

 

 

 

 

 

Auskünfte:

 

Manfred Sagerschnig

 

Telefon:

 

050536 – 15034

 

Fax:

 

050536 – 15000

 

e-mail:

 

Abt5.recht@ktn.gv.at

 

 

 

 

An das

Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Präsidium des Nationalrates

zur Kenntnis: LHSTv. Dr. Peter Kaiser

 

In Beantwortung des dortigen Schreibens vom 31.10.2011 wird inhaltlich wie folgt Stellung bezogen:

 

Die anspruchsberechtigten Personen nach dem Opferfürsorgegesetz 1947, (das sind jene Personen, welche zwischen dem 6.3.1933 und dem 9.5.1945 für ein freies demokratisches Österreich gekämpft haben bzw. aus politischen Gründen, aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität oder auf Grund einer Behinderung verfolgt worden sind und dadurch einen erheblichen Schaden erlitten haben, einschließlich deren Witwen(r) und Lebensgefährten bzw. Lebensgefährtinnen), befinden sich in einem Alter zwischen dem 65. und 100. Lebensjahr.

Derzeit liegt das Durchschnittsalter bei den 733 Rentenbeziehern nach dem Opferfürsorgegesetz in Kärnten bei 77 Jahren, wobei hier aber auch die doch deutlich jüngeren Witwen und Waisen mitberücksichtigt sind.

Zwischen dem ha. Opferfürsorgereferat und diesen Personen wurde ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Durch die Änderung der Vollziehungszuständigkeit würde für diese Personen eine wesentliche Umstellung (Nachteil) entstehen.

 

Die oft schreibunkundigen Menschen sehen seit nunmehr über 60 Jahren ihre "behördlichen Bezugspunkte" beim Amt der Kärntner Landesregierung. Dabei geht es auch um die Betreuung und Aufklärung über die rechtlichen Möglichkeiten nach dem OFG.

 

Dieser Betreuungsaufwand für den rund 800 Personen umfassenden Personenkreis in Kärnten wird von der hiesigen Abteilung im Hinblick auf das (überwiegend) sehr hohe Alter, das durch die Verfolgung im Krieg meistens niedrige Bildungsniveau (in Ermangelung einer ausreichenden Schulbildung) und den oft sehr schlechten Gesundheitszustand der nach dem OFG anspruchsberechtigten Personen als unbedingt notwendig erachtet.

 

Im Rahmen der laufenden Bearbeitung der Neuanträge und Rentenfälle (Neuberechnung und Zuerkennung von einkommensabhängigen Leistungen und Zuerkennung und Neubemessung von Grundrenten bzw. Zuerkennung von Amtsbescheinigungen) ist es im Rahmen der Verfahren fast immer erforderlich, dass Unterlagen und Nachweise beigebracht werden. Dies wird vom dem Personenkreis sehr oft persönlich im Rahmen von Vorsprachen beim hiesigen Amt erledigt.

 

Dabei sind die Anträge und Erklärungen meistens unvollständig und es müssen Unterlagen und Erklärungen nachgefordert werden, da auf Grund des Alters und des (kriegsbedingten) geringen Bildungsniveaus behördliche Wege für die Opfer schwierig sind.

 

Unter dem Aspekt der Bürgernähe erscheint eine Änderung der Zuständigkeit für diesen begünstigten Personenkreis, der sein Leben für ein freies, demokratisches Österreich riskiert hat und dafür verfolgt wurde, nicht sinnvoll, da sich dadurch der behördliche Bezugspunkt, zu dem sie ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben, nach über 60 Jahren ändern würde.

 

Wenn nun die Vollziehung durch die Bundessozialämter durchgeführt wird, ist zu bedenken, dass in einer Zeit, in der die Diskussion um Zwangsarbeiterentschädigungen, sonstige Regresszahlungen, Rückgabe von enteigneten Bildern usw. geführt wird, es eine sehr schlechte Optik ergeben würde, wenn die politischen Opfer des NS-Regimes plötzlich ihre Ansprüche bei der selben Stelle geltend machen wie die Wehrmachtsangehörigen, zu denen, wie wir seit dem Fall „Walter Reder“ wissen, auch ehemalige SS-Angehörige gehören.

 

Es träte dann der Fall ein, dass Soldaten der Wehrmacht (Bezieher nach dem KOVG) und Opfer des Nationalsozialismus (Opfer des Kampfes und politisch Verfolgte nach dem OFG) von der gleichen Stelle betreut würden.

 

Vor allem in Kärnten (wo der Partisanenwiderstand sehr stark war) wäre damit wohl die einzigartige Situation geschaffen, dass die Täter (die Wehrmachtssoldaten, die die Partisanen und deren Familien verhörten, drangsalierten und verfolgten) und die Opfer (eben diese Partisanen und deren Familien) ihre Ansprüche bei der gleichen Stelle geltend machen müssten, was wohl nicht gewollt sein dürfte. Das gleiche gilt auch bei den Wehrmachtssoldaten und Partisanen, die sich in Gefechten im Gebiet von Kärnten gegenübergestanden haben und nun im selben Wartezimmer auf die Bearbeitung ihrer Anträge, auf persönliche Vorsprachen oder Anderes warten müssten.

 

Es ist daher anzunehmen, dass die Verlagerung zum Bundessozialamt für die zu betreuenden Opfer des 2. Weltkrieges in Kärnten eine außerordentliche psychische Belastung darstellen würde, da sie in Zukunft eventuell mit den Tätern bei einer Stelle ihre Ansprüche geltend machen müssten bzw. mit diesen bei der neuen Behörde zusammentreffen würden.

 

Auch würde eine sinnvolle Rationalisierung bei einer Verlagerung an das Bundessozialamt nicht erfolgen, da derzeit die Agenden der Opferfürsorge in Kärnten von nur einem Bearbeiter durchgeführt werden. Ein Bearbeiter wäre aber bei einer Verlagerung der Aufgaben ebenfalls das Mindesterfordernis, da die über 700 Rentenbezieher (davon 381 Bezieher der besonders zeitaufwändig zu bearbeitenden einkommensabhängigen Unterhaltsrente) aus Kärnten sicherlich nicht nebenbei bearbeitet werden können und wohl auch sollen.

 

Auch für das Land Kärnten wäre dies keine wirklich große Rationalisierung, da diese nur die Sach- und Personalkosten des einen Bearbeiters trägt; alle anderen Kosten werden bereits jetzt vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz getragen.

 

Auch ist (gesamtösterreichisch und für Kärnten) sicher zu berücksichtigen, dass die Bearbeiter des Opferfürsorgegesetzes 1947 bei den Ländern ja auf Grund des Beamtenstatus meistens nicht „eingespart“ werden, sondern für diese neue Aufgabenbereiche zu suchen sind. Es geht hier nach den Erläuterungen im Rahmen des Begutachtungsverfahrens nur um 4 Stellen in ganz Österreich, da ja auch bei den Bundessozialämtern zwei A 2 Stellen zu schaffen wären, die die 6 Vollzeitstellen bei den Ländern ersetzen sollen. Auch ist im Vorhinein die Frage nicht zu beantworten, ob denn die angedachte Rationalisierung wirklich in diesem Ausmaß wirksam wird.

 

Es ist daher die Frage zu stellen, ob es sinnvoll und politischer Wille ist, dass für die mögliche Einsparung von nur 4 Vollzeitstellen in ganz Österreich in Kauf genommen wird, dass Widerstandskämpfer gegen den Nazi-Terror und die politischen Opfer des NS-Regimes derartige Verschlechterungen und psychische Belastungen in Kauf nehmen müssen.

 

Zu der in den Erläuterungen des Gesetzesentwurfes getätigten Aussage, wonach die Opferfürsorgekommission gemäß § 17 des Opferfürsorgegesetzes, in der die Bundesorganisationen der Opferverbände vertreten sind, das Vorhaben grundsätzlich begrüßt hat, wird festgehalten, dass dies laut Aussage des in der Opferfürsorge-Rentenkommission in Kärnten vertretenen Mitgliedes des KZ-Verbandes und des stellvertretenden Mitgliedes des Bundes sozialistischer Freiheitskämpfer und Opfer des Faschismus nicht zutrifft.

 

Für den Landeshauptmann:

Dr. Stickler

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