Johannes-Maria Lex

Krausegasse 7a/10

1110 Wien

Telefon: +43 (664) 73592135

 

Wien, am 11. Dezember 2011

 

 

 

Herrn Staatssekretär Sebastian Kurz

staatssekretaer@bmi.gv.at

Bundesministerium für Inneres/ Abteilung III/8 – Integration

BMI-III-8@bmi.gv.at

Büro des Herrn Staatssekretärs für Integration, Herrn Dr. Stefan Steiner

stefan.steiner@bmi.gv.at

Begutachtungsverfahren Parlament

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

Betrifft: Entwurf einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über die verpflichtende frühe sprachliche Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen; Stellungnahme

 

Sehr geehrter Herr Staatssekretär!

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Sie haben auf der Homepage des Staatssekretariats bzw. des Bundesministeriums für Inneres soeben einen Entwurf für einen Staatsvertrag zwischen dem Bund und den Ländern zur sprachlichen Förderung in den institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen veröffentlicht und zur Stellungnahmen ausgesandt (Vereinbarungstext, Erläuterungen).

 

Ich begrüße das Vorhaben, die ausgelaufene bisherige §15a-Vereinbarung zur sprachlichen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen nunmehr doch fortzuführen, und zwar als „frühe sprachliche Förderung von Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren und hier insbesondere von jenen mit nicht-deutscher Muttersprache“.

 

Ich stimme mit Ihnen überein, dass damit Maßnahmen getroffen werden sollen, „um die Beherrschung der Unterrichtssprache Deutsch durch alle Kinder beim Eintritt in die erste Schulstufe möglichst sicher zu stellen“, wodurch ein „erleichteter Einstieg in den Regelschulbetrieb“ bewirkt werden soll und die „zukünftigen Bildungschancen der Kinder“ optimiert bzw. ein besserer Start in das Berufsleben ermöglicht werden soll.

 

Ich bin mit Ihnen der Ansicht, dass Spracherwerb „das zentrale Element ist, um eine gelungene Integration voranzutreiben“, vermisse darin aber einen Hinweis auf die grundlegende Wichtigkeit des Erwerbes der hergekommenen Muttersprache.

 

Grundlegende Bedenken

 

Die Formulierungen in Artikel 2 (2) 1 sowie Artikel 3 (1) und (2) 2. „Deutschstandards im Sinne eines Sprachkompetenzmodells“ bzw., in Artikel 3 (3) 2. „gemäß einheitlichen Deutschstandards“ erscheinen wenig aussagekräftig und daher wenig hilfreich sowie in dieser Form kaum evaluierbar.

 

Insgesamt erscheinen mir der Großteil der Formulierungen im gesamten Vereinbarungsentwurf legistisch wenig ausgefeilt.

 

Evaluierung durch Integrationsfonds/bmi unangebracht

 

Entgegen Ihren Ausführungen, wonach die Zielsetzung der Vereinbarung in der Förderung von „Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren, die über mangelnde Deutschkenntnisse verfügen“ liege, scheinen die Regelungen jedoch weniger auf Kinder mit deutschsprechenden Eltern/AlleinerzieherInnen als auf „jene mit nicht-deutscher Muttersprache“ (Artikel 1 (1)) abgestimmt zu sein, zumal Sie in Artikel 8 vorsehen, dass die Evaluierung der getätigten Förderungsmaßnahmen und die Entwicklung der Sprachkompetenz der geförderten Kinder nicht in bewährter Weise vom BIFIE durchzuführen gedenken, sondern vorsehen, diese vom Österreichischen Integrationsfonds prüfen zu lassen, dem eine Genehmigung durch das Bundesministerium für Inneres folgen soll.

 

Ich bezweifle das Bestehen jener Kenntnisse und Erfahrungen, die dafür vorhanden sein müssen, bei diesen beiden Institutionen. Sehr wohl bestehen diese jedoch beim bisher mit diesen Agenden befassten BIFIE und beim Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur. Es sollen hier vielmehr neue Strukturen eingeführt werden, die unnötige Kosten und Erschwernisse verursachen, einer Verwaltungsvereinfachung Hohn sprechen und wissenschaftlicher Prüfung nicht standhalten können.

 

Verpflichtende Aus-, Fort- und Weiterbildung von PädagogInnen zu sprachlichen FrühförderInnen unangemessen

 

Die Regelungen in Artikel 2(2) und Artikel 3(2) 3. widersprechen einander.

 

Ausdrücklich muss zudem festgehalten werden, dass die an den Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik geltenden Lehrpläne und Prüfungsordnungen entgegen der in dieser Vereinbarung festgelegten Bestimmungen keine Ausbildung bzw. Prüfung in früher sprachlicher Förderungen vorsehen und meines Wissens an den BAKIP auch keine/wenige ausgebildete PädagogInnen für frühe sprachliche Förderung vorhanden sind.

 

Eine Weiterentwicklung von „Curricula für ein einheitliches Qualifizierungsmodell für die spezielle Aus-, Fort- und Weiterbildung der KindergartenpädagogInnen im Bereich der Sprachstandsfeststellung und der frühen sprachlichen Förderung an der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik“, wie sie in Artikel 3 (2) 4. Normiert wird, widerspricht – neben der Überforderung der dort tätigen Lehrkräfte ebenso wie der SchülerInnen – den Intentionen der von den beiden Bundesministerien für Unterricht, Kunst und Kultur bzw. Wissenschaft und Kunst eingeleiteten PädagogInnenBildungNEU und konterkariert die eben stattfindenden wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten der Vorbereitungskommissionen.

 

Die in Artikel 3 (3) 3. gefundene Sprachregelung, dass sich die Länder verpflichten, Sorge zu tragen, dass „den KindergartenpädagogInnen die spezielle Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen des Bundes an den Pädagogischen Hochschulen sowie vergleichbaren Bildungsstätten zu empfehlen“ kann nur als Verhöhnung der Bestrebungen der Berufsgruppe verstanden werden, ist jedenfalls keineswegs geeignet, hier zukunftsträchtige Wege einzuschlagen.

 

Zusammenarbeit zwischen Kindergärten und Volksschulen nicht geregelt

 

In Artikel 3 (1) ist normiert, dass „im Zusammenwirken zwischen den institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen, den Schulen, den Erziehungsberechtigten und den Schulbehörden des Bundes“ einheitliche Deutschstandards beim Eintritt in die erste Schulstufe der Volksschule „möglichst“ sichergestellt sein sollte.

 

Hierbei wird im vorliegenden Vereinbarungsentwurf keinerlei Bezug genommen auf die bisherigen Regelungen und Erfahrungen, der Vereinbarungsvollzug wird nur äußerst schwammig und damit wenig zielführend umschrieben. Die Erfahrungen der Vorgehensweisen an der Nahtstelle Kindergarten/Schule „schreien“ jedoch geradezu zu wohldefinierten Regelungen der Zusammenarbeit zwischen Kindergarten(leiterIn) und Volkschul(direktorIn) bzw. den dort jeweils tätigen PädagogInnen.

 

Jedenfalls wäre es hilfreich, zumindest auch hier den vagen Wortlaut der Ausführungen des Artikel 1 (2) zum Bildungsrahmenplan bzw. den praxisorientierten Erfahrungen sinngemäß zu adaptieren.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Johannes-Maria Lex

 

Johannes-maria.lex@aon.at

 

Zur Information:

·        Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek

·        Herrn Bundesminister Dr. Mitterlehner

·        Frau Bundesministerin Dr.in Schmied

·        Herrn Bundesminister Univ.-Prof. Dr. Töchterle

·        Präsidiale

·        Klubobleute

·        Damen und Herren Bildungssprecher

 

·        Österreichischer Dachverband der Berufsgruppen von Kindergarten- und HortpädagogInnen

·        Plattform EduCare

·        Netzwerk Sprachen-Rechte

·        BIFIE

·        Charlotte Bühler Institut

·        Univ.-Prof. Dr.in Cornelia Wustmann, Lehrstuhl für Elementarpädagogik an der Universität Graz