Herrn Staatssekretär Sebastian Kurz

staatssekretaer@bmi.gv.at

Bundesministerium für Inneres/ Abteilung III/8 – Integration BMI-III-8@bmi.gv.at Büro des Herrn Staatssekretärs für Integration, Herrn Dr. Stefan Steiner stefan.steiner@bmi.gv.at Begutachtungsverfahren Parlament begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

Betrifft: Entwurf einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über die verpflichtende frühe sprachliche Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen

 

Meine Stellungnahme als Kindergartenpädagogin, tätig in Wien:

 

Sehr geehrter Herr Staatssekretär!

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich stimme mit Ihnen überein, dass neue Maßnahmen wichtig sind,„um die Beherrschung der Unterrichtssprache Deutsch aller Kinder beim Eintritt in die erste Schulstufe möglichst sicher zu stellen“.

 

Was ich jedoch nicht nachvollziehen kann, ist die Durchführung per unbedachtem Gesetz, ohne auf die bestehenden Mängel in den Kindergärten Rücksicht zu nehmen.

 

Pädagoginnen sind für eine spezielle Sprachförderung nicht ausgebildet.

Es gibt dzt. auch weder zeitliche noch personelle Ressourcen für eine außertourliche Sprach-Förderung.

 

In Wien fehlten im Spätherbst noch ca. 600 Pädagogen.

Woher stammt die wesentlich niedrigere Zahl, die von den Medien gegen Jahresende publiziert wurden? In welcher Schule haben in diesem Zeitraum neue Kindergartenpädagoginnen ihre Ausbildung abgeschlossen?

 

In Wien werden in einer Kindergartengruppe bis zu 24 Kinder von einer einzigen ausgebildeten Pädagogin ganzheitlich und bedürfnisorientiert betreut und gefördert.

Das aktive Lernen und die verbale Kommunikation stehen im Vordergrund meiner Tätigkeit. Grundlage für meine Arbeit sind meine Beobachtungen jedes einzelnen Kindes sowie der Wiener Bildungsplan mit seinen zahlreichen Kompetenzbereichen.

 

Die bereits erfolgten Sprach - Bestandserhebungen der letzten Jahre erfolgten zusätzlich während meiner „normalen“ Tätigkeit im Kindergarten-Tagesablauf, jedoch ohne weiterem Personal oder sonstiger Unterstützung.

Die Anforderungen und die Belastungen an das pädagogische Personal im Kindergarten werden immer höher und höher.

Da die Gemeinde Wien weder neue Ressourcen bereit stellt noch Mängel beseitigt, sehe ich in der Praxis keine weiteren Möglichkeiten zu einer zusätzlichen speziellen Sprachförderung während meiner Arbeitszeit.

Wenn dieses Jahr auch wieder neu ausgebildete Pädagoginnen in den Dienst treten werden, so lindern sie die personelle Unterbesetzung nur geringfügig (jede Wiener Vollzeit-Kindergartenpädagogin ist dzt. verpflichtet, zwei Überstunden pro Woche zu leisten, um den normalen Betrieb aufrecht erhalten zu können).

 

Fehlende Grammatik und geringer Wortschatz sind nicht nur ein spezifisches Problem von Kindern mit „Nicht-deutscher“ Muttersprache. Zahlreiche Kinder deutschsprachiger Herkunft weisen ebenso Defizite im sprachlichen Bereich auf.

Eine frühe sprachliche Förderung sehe ich im Einzelunterricht als möglich an.

Im Gruppengeschehen ist dies mit einer einzigen Pädagogin aus meiner Sicht nicht erfolgreich machbar.

 

Die Nahtstelle Schule-Kindergarten wäre zwar wichtig, ist jedoch mangels zeitlicher Ressourcen sowie aus Schweigepflichtsgründen ebenfalls nicht umsetzbar.

 

Für eine weitere “Sprachausbildung“ während der Dienstzeit gibt es jedoch nicht genügend Pädagoginnen zur Vertretung. Es sei denn, Sie finden es in Ordnung, dass Kindergruppen von nicht-pädagogisch geschulten Personen geführt werden sollen, so wie es heute bei Krankenstand einer Pädagogin oder dienstlicher Verhinderung sowieso bereits üblich ist.

Ich bin verpflichtet, mich für meine Tätigkeit als Pädagogin bereits so viel in meiner Freizeit weiter zu bilden, dass eine zusätzliche Ausbildung für die frühe Sprachförderung in meiner Freizeit keinen Platz mehr hat.

 

Ein weiteres Mal frage ich mich, ob Gesetzgeber über die Arbeitsumstände einer Kindergartenpädagogin wahrheitsgemäß informiert sind, bevor sie neue Gesetze einführen wollen. Aus meiner Sicht ist dieses neue Gesetz, so wie von Ihnen geplant, in der Praxis nicht umsetzbar.

 

Mit freundlichen Grüßen

Susanne Lobinger

 

Wien am 2. Jänner 2012

Susanne Lobinger

Zohmanngasse 40/7/14

1100 Wien

Telefon 0699 1000 3132