Österreichische
Arbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation (ÖAR)
Dachorganisation der
Behindertenverbände Österreichs

Dr. Christina Meierschitz · DW 119

E-Mail: meierschitz.recht@oear.or.at

 

 

 

 

 

Stellungnahme der

Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs,

zum Entwurf einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über die verpflichtende frühe sprachliche Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen.

BMI-LR1300/0049-III/1/c/2011

 

 

 

 

Die ÖAR erlaubt sich, zu oben angeführtem Entwurf folgende Stellungnahme abzugeben:

Verpflichtende frühe sprachliche Förderung betrifft nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund, sondern auch Frühförderung für gehörlose und hörbehinderte Kinder.

In Österreich gibt es ca. 8000 bis 10000 gehörlose Menschen.

Die Österreichische Gebärdensprache ist in Österreich verfassungsrechtlich seit dem Jahr 2005 als eigenständige Sprache anerkannt, womit ein Recht verbunden ist, sich diese auch aneignen und sie anwenden zu dürfen und zu können. Die nähere Ausgestaltung dieses Rechts muss durch einfache Gesetze geregelt werden.

Daher ist es unumgänglich in dieser Art. 15a B-VG Vereinbarung auch das Recht gehörloser Kinder auf Förderung sowohl in Gebärdensprache, die in vielen Fällen auch ihre Muttersprache ist, als auch der deutschen Sprache festzuschreiben, denn die Gebärdensprache ermöglicht gehörlosen Kindern barrierefreie Wissensvermittlung.

Rechtzeitig gesetzte und gezielte Förderung ist für den späteren schulischen, beruflichen und sozialen Werdegang des gehörlosen Kindes von größter Wichtigkeit.

Aus einer Studie "Sprache Macht Wissen", die Verena Krausneker und Katharina Schalber von August 2006 bis August 2007 durchführten und die vom Sprachenzentrum der Universität Wien, sowie dem Sprachenkompetenzzentrum Graz finanziert wurde, geht hervor, dass Bilingualität, also Gebärdensprache und Deutsch, jedenfalls von Vorteil ist, um die Deutschkompetenz gehörloser Kinder zu erhöhen.

Empirische Studien belegen, dass Kinder, die ab der Geburt Gebärdensprach-Imput hatten, Kindern mit Lautspracherwerb, ohne zeitlichen, inhaltlichen oder entwicklungsmäßigen Verzögerungen beim Erreichen aller Meilensteine des normalen Spracherwerbs ebenbürtig sind.

Altersgemäße Sprachkompetenz und bestmögliche Kommunikationsfähigkeit sind Voraussetzungen für erfolgreichen Unterricht und optimale Lernprozesse. Gehörlose bzw. hörbehinderte Kinder müssen derart gefördert werden, dass sie bei Schulbeginn jedenfalls eine Sprache altersgemäß beherrschen.

Damit wird gehörlosen Kindern der Grundstein für eine inklusive Bildung, wie sie die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen beschreibt, gelegt.

Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass KindergärtnerInnen und FrühförderInnen, welche mit gehörlosen Kindern arbeiten, umfassend gebärdensprachkompetent sind.

Aber auch Eltern müssen bestmöglich dabei unterstützt werden, sich die sprachlichen Kompetenzen anzueignen, die sie für ihre Kinder brauchen.

Zum Beispiel müssen betroffene Eltern finanziell unterstützt werden, damit diese Gebärdensprachkurse besuchen können (siehe auch das schwedische Fördermodell).

Die Stellungnahme wurde auch an das Präsidium des Nationalrates auf elektronischem Wege übermittelt.

 

Wien, am 5.1.2012