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Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend

Abteilung C1/4; Wettbewerbsrecht

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BMWFJ-56.109/0002-C1/4/2011

BMJ – Z9.100/0001-I 4/2012

 

Wien, 16.02.2012

Ansprechpartner: J.P. Gruber

T: +43 1 24500-3145

F: +43 1 24500-63149

johannes.gruber@kwr.at

 

 

Entwurf einer Novelle zum WettbG, KartG und NahVG

Aussendung zur Begutachtung

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich erlaube mir, zu den betreffenden Gesetzesentwürfen wie folgt Stellung zu nehmen:

 

I.          Kartellgesetz

 

1.      Z 2 (§ 2 Abs 2 Z 1)

 

a.      Die Anpassung an die De-minimis-Bekanntmachung ist sinnvoll und fördert die Rechtssicherheit.

 

b.      Der Verweis auf die Kernbeschränkungen (Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Absatzbeschränkungen) ist meines Erachtens ausreichend; eine genauere Umschreibung (wie in der De-minimis-Bekanntmachung) ist nicht erforderlich. Kernbeschränkungen  innerhalb der Bagatellgrenzen sind damit nicht generell freigestellt, sie sind aber nur dann wettbewerbswidrig, wenn sie eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken. Das ist praktisch ausgeschlossen, weil solche Unternehmen bei weitem zuwenig Marktmacht haben.[1] Das bestätigen auch die Rechtsprechung des EuGH[2] und des OGH,[3]

 

2.      Z 3 (§ 3 Abs 1)

 

Wenn die die GFVO (wie in Deutschland) unmittelbar gelten, muss das Kartellgericht (ebenfalls wie in Deutschland) die Möglichkeit haben, die Freistellung rechtsgestaltend zu entziehen, auch wenn alle Voraussetzungen der GFVO erfüllt sind. Das ist ein entscheidendes Wesensmerkmal der GFVOs.[4]

 

3.      Z 5 (§ 4 Abs 2)

 

Hier wird zutreffend ein systematischer Fehler beseitigt (Streichung der Wortfolge "gesamten inländischen Markt oder einem andern örtlich").[5]

 

4.      Z 6 (§ 4 Abs 2a) und Z 5 (§ 5 Abs 1 Z 1)

 

a.      Alle Abweichungen vom europäischen Wettbewerbsrecht schaffen Rechtsunsicherheit und können daher aus rechtstechnischer Sicht nicht befürwortet werden. Sinnvoller wäre es (aus rechtstechnischer Sicht) die beiden derzeit bestehenden Abweichungen zu streichen, insbesondere die widersprüchliche Regelung des § 5 Abs 1 Z 5 ("Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis").[6]

 

b.      Abgesehen davon handelt es sich bei den vorgeschlagenen Änderungen um rechtspolitische Entscheidungen, die an dieser Stelle nicht zu kommentieren sind. Da das österreichische Wettbewerbsrecht ohnehin nur für die – in der Praxis kaum vorkommenden – lokalen und regionalen Sachverhalte gilt, werden die Auswirkungen geringe praktische Bedeutung haben.

 

5.      Z 12 (§ 28 Abs 1 a)

 

Hier wird zutreffend eine Lücke geschlossen.[7]

 

II.         Wettbewerbsgesetz

 

1.      Z 7 (§ 11 Abs 3 bis 6)

 

Der Begriff der "rechtunverbindlichen Mitteilung" ist ein Widerspruch in sich und meines Erachtens verfassungswidrig.[8]

 

2.      Z 9 (§ 11a Abs 1 Z 3)

 

Die Anpassungen an die VO 1/2003 sind rechtstechnisch zu befürworten und verstärken die Rechtssicherheit.

 

3.      Z 10 (§ 11a Abs 3)

 

Die Verstärkung der Kompetenz der BWB ist eine rechtspolitische Entscheidung, auf die an dieser Stelle nicht einzugehen ist.

 

III.        Nahversorgungsgesetz

 

Die Anpassung an § 29 GWB ist eine rechtspolitische Entscheidung, auf die an dieser Stelle nicht einzugehen ist.

 

IV.       Schlussbemerkung

 

Sinnvoll wäre eine Anpassung der Regelung für die Landwirtschaft.[9]

 

Abgesehen davon sollte § 20 KartG gestrichen werden. Die Regelung wird wohl zu keinem Schaden führen, sie ist aber – wie schon viele vor mir bestätigt haben – schlichtweg peinlich.[10]

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Johannes Peter Gruber



[1] Hovenkamp, Federal Antitrust Policy3 [2005] 448: J.P. Gruber, Preisbindungen in vertikalen Vereinbarungen, ÖZK 2010, 221).

[2] J. P. Gruber, Die wettbewerbsrechtliche Bagatellregelung, ÖZK 2011, 52.

[3] OGH 12.12.2011, 16 Ok 8/10.

[4] Ausführlich J.P. Gruber, Anwendung der Gruppenfreistellungsverordnungen in Österreich, OZK 2009, 87).

[5] J.P. Gruber, Fusionskontrolle und Marktabgrenzung, wbl 2005, 205.

[6] Vgl OGH 14.07.2009, 4 Ob 60/09 s; J.P. Gruber, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, OZK 2008, 137.

[7] J.P. Gruber, Die neue Kronzeugenregelung im Kartellrecht, RdW 2005, 535.

[8] J.P. Gruber, Die neue Kronzeugenregelung im Kartellrecht, RdW 2005, 535.

[9] J.P. Gruber, Wettbewerb in der Landwirtschaft (Teil 1), OZK 2009, 132; J.P. Gruber, Wettbewerb in der Landwirtschaft (Teil 2), OZK 2009, 188.

[10] J.P. Gruber, Die "wirtschaftliche Betrachtungsweise" nach § 20 KartG, OZK 2011, 94.