Stellungnahme der Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen Österreich zum

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die

Jurisdiktionsnorm, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das

Gerichtsgebührengesetz und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden [1]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen unterstützen in Österreich jährlich ca. 15.000 Personen, die Gewalt im sozialen Umfeld ausgesetzt oder von Stalking betroffen sind. 2011 haben die Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen 2.139 Prozessbegleitungen im Strafverfahren im Sinne des §66 Abs. 2 StPO durchgeführt.

 

Im Besonderen nehmen wir Stellung zu

§ 70 Abs. 1a StPO-Entwurf

Wir sehen die Bestimmung, wonach das Opfer in jeder Lage des Verfahrens erklären kann, auf weitere Verständigungen und Ladungen zu verzichten, aus folgenden Gründen sehr problematisch:

1.    Da Opfer strafbarer Handlungen ihre Rechte nicht kennen, wissen sie auch nicht, auf was sie verzichten.

2.    Da Opfer und auch sonst niemand die einzelnen Verfahrenschritte vorhersagen kann, wissen weder Opfer noch sonst irgendwer, auf welche Informationen Opfer verzichten.

3.    Punkt 1. und 2. werden mit folgenden Beispiel eines Informationsrechtes erläutert:

Gem. § 177 Abs. 5 StPO sind Opfer von Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG)

     und Opfer gemäß § 65 Z 1 lit. a jedenfalls unverzüglich von Amts wegen von

     einer Freilassung des Beschuldigten vor Fällung des Urteils erster Instanz unter

     Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe und der dem Beschuldigten

     auferlegten gelinderen Mittel sogleich zu verständigen. Diese Verständigung hat

die Kriminalpolizei, bei der Entlassung aus der Untersuchungshaft jedoch die Staatsanwaltschaft zu  veranlassen.

Am Beginn des Verfahrens hat das Opfer auf weitere Verständigungen verzichtet, aber nach der fünften gefährlichen Drohung wird der Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen. Aufgrund des Verzichtes erfährt das Opfer nicht mehr vom Zeitpunkt der Entlassung und der Bedingung als gelinderes Mittel, dass der Entlassene keinen Kontakt mit dem Opfer aufnehmen darf.

 

Aus unserer Praxis können wir das Argument, dass eine Information über einen Verfahrensschritt zu einer Revictimisierung führt, nicht nachvollziehen, allerdings sehr wohl das Unverständnis zB. keine Information über den Ausgang des Verfahrens zu erhalten. Wenn das Gewaltschutzzentrum im Zuge der Unterstützung anstelle der Betroffenen versucht, vom Gericht diese Information zu erhalten, müssen wir erfahren, dass weder das Opfer noch wir ein Recht auf diese Information haben. Auch wenn das Opfer nicht in der Hauptverhandlung anwesend sein wollte und dies eventuell als „Desinteresse“ entsprechend den Erläuterungen zum Entwurf interpretiert werden könnte, so besteht doch großes Interesse an der Entscheidung.

Art. 56 Abs. 1 Entwurf eines Übereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt[2], der von Österreich bereits unterzeichnet wurde, sieht sogar über die derzeit geltenden Bestimmungen hinausgehende Informationspflichten vor, etwa über die „Anklagepunkte“ oder die „ergangenen Entscheidungen“.

 

Die Gewaltschutzzentren sehen in dieser Bestimmung einen Rückschritt in den Opferrechten und ersuchen daher, davon abzusehen.

 

 

 

 



[1] verfasst von Dr.in Renate Hojas, Gewaltschutzzentrum Salzburg, Tel.: 0662/ 870 100

[2]