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Wien, am 27. Februar 2012

Zl. B,K-001-2.5/270212/LO

 

 

GZ: BMJ-Pr350.00/0001-Pr/2012

 

 

Betreff: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die Jurisdiktionsnorm, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtsgebührengesetz und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Österreichische Gemeindebund erlaubt sich mitzuteilen, dass zu obig angeführtem Gesetzesentwurf folgende Stellungnahme abgegeben wird.

 

1) Zur Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes, der Jurisdiktionsnorm und des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes ist auszuführen, dass damit im Wesentlichen innere Ordnungsvorschriften der Gerichte neu geregelt werden. Außerdem wird die Wertgrenzenzuständigkeit der Bezirksgerichte deutlich ausgeweitet.

 

Vor allem Letzteres steht offenbar im Zusammenhang mit Bemühungen, die Anzahl der Bezirksgerichte einerseits zu verkleinern und andererseits die verbleibenden Bezirksgerichte in ihrer Tätigkeit aufzuwerten. Die Anhebung der Streitwertgrenze von € 10.000,-- auf € 25.000,--, geht nämlich über eine bloße Wertanpassung weit hinaus und führt dazu, dass ein erheblicher Teil von Streitsachen nicht mehr wie bisher bei Landes- und Handelsgerichten erstinstanzlich anhängig gemacht werden können. Dies führt in weiterer Folge zu einer Entlastung der Oberlandesgerichte in Berufungsangelegenheiten, welches wiederum die Landes- und Handelsgerichte als Berufungsgerichte aufwertet.

 

Der Wegfall der Gerichtstage in Arbeits- und Sozialrechtssachen führt ebenfalls zu einer örtlichen Konzentration, d.h., dass Verhandlungen in Hinkunft nur mehr am Sitz des jeweiligen Gerichtes stattfinden sollen. Anzumerken ist, dass Gerichtstage oftmals in normalen bezirksgerichtlichen Verfahren kaum eine Rolle mehr gespielt haben, hingegen in Arbeits- und Sozialrechtssachen noch gelegentlich abgehalten wurden.

 

Die beabsichtigten Änderungen führen unseres Erachtens zu keiner unmittelbaren Beeinträchtigung von Gemeindeinteressen. Allerdings muss die Beurteilung, inwieweit die beabsichtigte Neuorganisation der Bezirksgerichtsstruktur zum Wegfall von zahlreichen österreichischen Bezirksgerichten führen wird, der Begutachtung eines entsprechenden Gesetzentwurfes vorbehalten bleiben. Jedenfalls haben Schließungen von Bezirksgerichten immer wieder eine Reihe von Folgen bei den bisherigen Sitzgemeinden gehabt, die dadurch eine Charaktereigenschaft eines regionalen Zentrums verloren haben.

 

2) Die Änderung des Gerichtsgebührengesetzes ergibt sich einerseits aus einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, wonach Regelungen über die Gebühr für das Anfertigen von Ablichtungen verfassungswidrig waren. Demnach soll in Hinkunft die Herstellung von Abschriften, Ablichtungen, Kopien oder Ausdrucken nur dann gebührenpflichtig sein, wenn diese vom Gericht oder von der Partei selbst unter Inanspruchnahme gerichtlicher Infrastruktur angefertigt werden. Andererseits ist aus den vorgenommenen Erhöhungen eine gewisse Valorisierung zu erkennen. Uns erscheint dadurch eine Beeinträchtigung kommunaler Interessen nicht zu erfolgen.

 

3) Die Änderung der Strafprozessordnung führt zu einer Präzisierung der Opferrechte, dies aufgrund der Erfahrungswerte die sich aus der vierjährigen Neuordnung der Strafprozessordnung ergeben. Eine Einschränkung der Opferrechte ist mit dem beabsichtigen administrativen Erleichterungen nicht verbunden.

Die weitergehenden Änderungen im Bezug auf die wirksamere und nachhaltigere Bekämpfung und Verfolgung von schwerer und/oder organisierter Kriminalität beeinträchtigen unseres Erachtens ebenfalls nicht kommunale Interessen; dies gilt auch für die beabsichtigten Änderungen im Bezug auf Haftverhandlungen.

 

Bemerkenswert ist die Absicht des Gesetzgebers, auch Straftaten, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes als Schöffengericht fallen, für die Diversion zu öffnen. Dies könnte bedeuten, dass z.B. auch Verfahren, die wegen Verdachtes des Amtsmissbrauches geführt werden, in Form einer Erledigung durch Diversion mittels Zahlung eines Geldbetrages beendet werden sollen, ohne dass damit eine Aussage über eine allfällige Schuld getroffen werden würde.

 

Dieses Verfahren hätte zwar gewisse Vorteile, jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies auch politisch instrumentalisiert werden kann.

 

Bei öffentlichen Amtsträgern könnte etwa mit der Diversion der Eindruck entstehen, dass der Betroffene sich von einem Verfahren sozusagen „freigekauft“ hätte.

 

Wir erachten daher diese beabsichtigte Änderung als problematisch, da hier nicht klar die jeweiligen Verantwortungstatbestände zugeordnet werden, und auch die Lasten nicht dementsprechend verteilt werden.

 

In Hinkunft würde auch dem nicht schuldhaft handelnden Amtsträger die Zahlung eines Geldbetrages nicht erspart bleiben. Lässt er sich diesen Geldbetrag sodann von der Gemeinde ersetzen, muss er mit der „Nachrede“ rechnen doch etwas nicht Korrektes getan zu haben, weil anderenfalls die Gemeinde wohl keine Zahlung für das Handeln des Bürgermeisters hätte leisten müssen. Dies deshalb, weil kommunale Amtsträger, insbesondere Bürgermeister, in ihrem örtlichen Tätigkeitsbereich (wo davon auszugehen ist, dass solche Gelegenheiten wohl nicht „geheim“ bleiben), damit unbegründeten Verdächtigungen und Gerüchten ausgesetzt werden könnten.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für den Österreichischen Gemeindebund:

 

Der Generalsekretär:

Der Präsident:

 

 

Leiss e.h.

Mödlhammer e.h.

 

Dr. Walter Leiss

Bgm. Helmut Mödlhammer

 

 

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