Österreichische
Arbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation (ÖAR)
Dachorganisation der
Behindertenverbände Österreichs

Dr. Christina Meierschitz · DW 119

E-Mail: meierschitz.recht@oear.or.at

 

 

 

 

 

Stellungnahme der

Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs,

zum Entwurf eines Bundesgesetzes,

mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977,

das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz,

das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz,

das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz

sowie das Bundespflegegeldgesetz geändert werden

(Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2012 – SVÄG 2012)

 

GZ: BMASK-433.001/0004-VI/AMR/1/2012

 

 

 

Allgemeines:

 

Die ÖAR erlaubt sich, zu oben angeführtem Entwurf folgende Stellungnahme abzugeben:

Bemühungen und Maßnahmen um Menschen dazu zu befähigen, solange wie möglich einer Beschäftigung nachgehen zu können, anstatt in Pension zu gehen und gleichzeitig das österreichische Pensionssystem langfristig für alle Menschen finanzierbar zu erhalten, werden von der ÖAR ausdrücklich begrüßt.

Wie sooft liegen jedoch Probleme im Detail.

So wird vorweg angeführt, dass die langjährigen Forderungen der ÖAR nach gleicher Rehabilitation für alle, unabhängig von der Ursache oder Art der Behinderung und auch unabhängig vom Versichertenstatus, auch mit dieser Novelle nicht umgesetzt werden. Nach wie vor bestehen große Unterschiede in Umfang und Qualität von Rehabilitationsleistungen. Bei gleicher Behinderung macht die Ursache den Unterschied:

 

·        Arbeitsunfall, Berufskrankheit

·        Unfall in der Freizeit (Privatunfall)

·        Erkrankung (psychisch und/oder physisch)

·        Behinderung ab der Geburt.

 

Diese Unterschiede widersprechen auch dem von der Bundesregierung beschlossenen Nationalen Aktionsplan Behinderung 2012 – 2020 (Maßnahme 220), wonach eine Harmonisierung der derzeit – je nach Ursache der Behinderung und Versichertenstatus unterschiedlichen – Rehabilitationsleistungen erfolgen muss.

Auch wird die rechtliche Stellung und die Lebenssituation von ungelernten Arbeitskräften mit der Novelle nicht verbessert. Gerade Menschen mit Behinderungen haben oft, aufgrund fehlender inklusiver Bildung, weniger Chancen auf optimale Berufsausbildung und es setzt sich mit den geplanten Änderungen die Benachteiligung dieser Personengruppe fort.

 

Besonderes:

Arbeitslosenversicherungsgesetz:

Ad § 7 (8):

Es stellt sich die Frage, wie eine Familie mit einer Halbtagsbeschäftigung und dem damit verbundenen verringerten Einkommen ihr Auslangen finden kann.

Begleitend bedarf es verstärkter Bemühungen und Sensibilisierungsmaßnahmen in der Wirtschaft um Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen zu schaffen.

Ad § 39b:

Es geht weder aus dem Gesetzestext noch aus den Erläuterungen hervor, wann gegen das Gebot der aktiven Mitwirkung verstoße wird. Da damit aber ein Leistungsentzug droht, wäre eine Klarstellung dringend erforderlich. Auch wäre die Möglichkeit die diesbezügliche Entscheidung zu beeinspruchen vorzusehen.

Zu bedenken ist auch, dass das Umschulungsgeld aber auch das Rehabilitationsgeld im Gegensatz zur BU- oder I-Pension (14x) nur 12x ausbezahlt wird, was eine wesentliche finanzielle Schlechterstellung bedeutet und für Menschen mit Behinderungen oft eine überproportionale Last darstellt.

Ad § 83 (5):

Die verpflichtende Evaluierung sowie die jährliche Berichtspflicht des AMS an das BMASK wird ausdrücklich begrüßt. Damit können die Auswirkungen der neuen Maßnahmen transparent nachvollzogen werden.

Arbeitsmarktservicegesetz:

Ad § 29 (4):

Die ÖAR erachtet die ausdrückliche Festschreibung der Vermittlungspflicht des AMS auch von gesundheitlich beeinträchtigten Personen für notwendig. Damit einhergehen müssen jedenfalls umfassende Schulungs- Qualifizierungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen für Mitarbeiter des AMS im Umgang und zu den Rechten und Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen.

Ad § 38a:

Die angebotene Beschäftigung kann nicht nur nach den Kriterien der Zumutbarkeit angeboten werden, sondern es ist gemeinsam mit dem/der Betroffenen eine Beschäftigung zu finden, die den Wünschen und der Lebenssituation des/der jeweiligen Person entspricht. Derzeit werden oft sinnlose und oft auch kostenintensive Kurse verpflichtend vorgeschrieben, die kaum Effekt hinterlassen und ausschließlich die Arbeitslosenzahlen beschönigen. Aus diesem Grund fordert die ÖAR eine umfassende und intensive Unterstützung und Beratung der Menschen mit Behinderungen oder mit gesundheitlichen Problemen.

Diese Bestimmung setzt weiters voraus, dass ausreichende Qualifizierung- und Schulungsmaßnahmen vorhanden sind. Die derzeitige Situation, mit langen Wartezeiten, ist jedenfalls sehr unbefriedigend.

Arbeit- und Gesundheit- Gesetz

Ad § 1:

Die ÖAR begrüßt den Einsatz eines Case Managements zur Umfassenden Information, Beratung und Unterstützung der betroffenen Personen.

Ad § 6 (8):

Es wird jedenfalls notwendig sein, ausreichend Dienstleistungen, auch durch Pilotprojekte und den damit verbundenen finanziellen Mitteln, zur Verfügung zu stellen, daher ist die „Kannbestimmung“ in eine verpflichtende Bestimmung umzuwandeln.

Ad § 7 (1):

Die ÖAR erhebt datenschutzrechtliche Bedenken vor allem bei den sensiblen Daten. Hier sollte jedenfalls die Zustimmung der Betroffenen eingeholt werden.

 

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (78. Novelle)

Ad § 79c (1):

Die Berichtspflicht des Hauptverbandes an das BMASK wird sehr begrüßt. Dadurch kann die Auswirkung und eine Entwicklung der Maßnahmen transparent nachvollzogen werden.

Ad 143a (1):

Die Limitierung des Anspruches auf Rehabilitationsgeld mit höchstens 1 Jahr erscheint zu kurz, zumal die Vorraussetzung dafür das Vorliegen einer Invalidität von mindestens 6 Monaten ist und es bis zum Abschluss der medizinischen Rehabilitation gewährt wird. Die medizinische Rehabilitation kann in vielen Fällen sehr zeitintensiv und langwierig sein. Auch wenn ein Antrag auf Verlängerung um ein weiteres Jahr gestellt werden kann, wird diese kurze Frist als unnötige Belastung der Menschen mit Behinderungen in einer ohnehin sehr belastenden Zeit angesehen.

Wie schon weiter oben erwähnt, kann auch die nur 12malige Auszahlung des Rehabilitationsgeldes (im Vergleich zur Pension) zu erheblichen finanziellen Engpässen für die Betroffenen und deren Familien führen.

Ad 143a (2):

Diese Bestimmung könnte vor allem in jenen Fällen zu unnötigen Problemen führen, bei denen die letzte Erwerbstätigkeit schon sehr lange zurückliegt und die notwendigen Unterlagen nicht mehr auffindbar sind. Hier benötigt es einer Klarstellung. Außerdem käme es in diesen Fällen auch zu einem erheblichen Werteverlust (Inflation) verbunden mit finanziellen Einbußen, der Anpassungsregelungen erforderlich macht.

Ad 143b:

Der Einsatz eines Case Managements wird ausdrücklich begrüßt, da es damit zu einer optimalen Unterstützung der betroffenen Personen kommt (one-stop-shop) – wie es auch schon lange eine Forderung der ÖAR ist.

Ad 143c:

Die strikte Trennung von Maßnahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation ist gerade für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die einen über 50 %tigen Anteil der Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätsfälle bei den unter 50jährigen ausmachen, nicht Ziel führend und verlängert nur die Zeit der Berufsunfähigkeit unnötig. Für diese Fälle sind Bestimmungen vorzusehen, die sowohl die Zuständigkeiten als auch die Finanzierung regeln.

Ad § 307g:

Eine einheitliche Begutachtungsstelle als Kompetenzzentrum wird ausdrücklich begrüßt. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass dieses nicht für alle Sozialversicherungsträger zuständig sein soll, sondern gesonderte Begutachtungsstellen bei den Versicherungsträgern der Gewerbetreibenden und bei den Bauern angedacht sind. Dies führt zu einer unnötigen Ressourcenverschwendung.

Ad § 460c:

Jede zusätzliche finanzielle Belastung der betroffenen Menschen wird von der ÖAR abgelehnt. Einsparungen müssen durch System- und Verwaltungseinsparungen erzielt werden.

Bundespflegegeldgesetz:

Die ÖAR nimmt die Änderung zum Anlass und fordert einmal mehr die jährliche Valorisierung des Pflegegeldes als Wertausgleich.

Ad § 18 Abs. 1a:

Es wird begrüßt, dass es für diese Auszahlungsform der Zustimmung der betroffenen Person bedarf und damit eine Wahlmöglichkeit besteht.

Die ÖAR ersucht, auch eine Widerrufmöglichkeit ins Gesetz aufzunehmen.

Die Stellungnahme wurde auch an das Präsidium des Nationalrates elektronisch übermittelt.

 

Wien, am 6.9.2012