An das

Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Abt. VII.8

Per Mail: VII@bmask.gv.at;

Begutachtungsverfahren @parlament.gv.at

 

Wien, 24.09.2012

 

 

Stellungnahme des Österreichischen Frauenrings zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz, das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden

 

 

Sehr geehrte SC Drin Ritzberger-Moser,

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

der Österreichische Frauenring erlaubt sich zu dem im Betreff genannten Entwurf die folgende Stellungnahme abzugeben:

 

Levelling-up; unterschiedliche Schutzniveaus

Der Österreichische Frauenring begrüßt ausdrücklich das Bestreben, all denjenigen, die von rechtlich verpönter Diskriminierung betroffen sind, auch im selben Ausmaß Rechtsschutz zukommen zu lassen. Positiv hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass Alter, Religion, Weltanschauung und sexuelle Orientierung nicht länger vom Diskriminierungsverbot im Zugang zu Gütern und Dienstleistungen ausgeschlossen sein sollen.

Bedauerlich ist, dass nicht – entsprechend konsequent – die Chance für ein umfassendes levelling up genutzt wurde. Geht es nach dem Entwurf, unterscheidet das österreichische Gleichbehandlungsrecht weiterhin zwischen privilegierten Diskriminierungsgründen und solchen, die im Hinblick auf Schutzbereich und/oder Schutzniveau benachteiligt bleiben.

So besteht etwa im Bereich Bildung, Sozialschutz, soziale Vergünstigungen und Gesundheitsdienste nach wie vor überhaupt nur im Hinblick auf die ethnische Zugehörigkeit Diskriminierungsschutz. Gerade der Österreichische Frauenring muss in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass eine derartige Rechtslage im Widerspruch zu Art. 10, 11 und 12 der UN-Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women (CEDAW) stehen (deren Schutzbereich auch politische, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Belange umfasst).

Überhaupt spricht sich der Österreichische Frauenring für eine Harmonisierung von tatbestandlichem Schutzbereich und –niveau im Hinblick auf sämtliche Diskriminierungsgründe aus. Wie bereits seit Ende der 1980er unter dem Titel „Intersektionalität“ breit diskutiert wird, bringt der isolierte Fokus auf einzelne Diskriminierungsgründe (auch innerhalb des geschützten Bereichs) primär Schutz für diejenigen mit sich, die im Hinblick auf die anderen Diskriminierungsgründe eine privilegierte Position einnehmen. Der Österreichische Frauenring spricht sich für einen gesetzlichen Diskriminierungsschutz aus, der allen (Frauen) offen steht – unabhängig von Alter, ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, Religion oder Weltanschauung. Mit dieser Forderung befindet er sich im Gleichklang mit dem zuletzt am 11.09.2012 erstellten Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarats. Dieser erachtet ein umfassendes levelling-up im Hinblick auf alle Diskriminierungsgründe in Österreich als prioritäres Anliegen.[1] Es ist nicht ersichtlich, wieso dieser Empfehlung im aktuellen Entwurf nicht nachgekommen wurde.

 

Mediale Stereotypisierung und Herabwürdigung

Mit Blick auf die Umsetzung der CEDAW-Vorgaben vermisst der Österreichische Frauenring nach wie vor gleichbehandlungsrechtlichen Schutz vor Stereotypisierung von Geschlechterrollen in Werbung und Medien (Art. 5 CEDAW). Das Archiv der Watchgroup gegen sexistische Werbung zeigt etwa eindeutig, dass die herabwürdigende, sexistische und objektivierende Darstellung von Frauen ein anhaltendes gesellschaftliches Problem darstellt. Fälle wie die Plakatwerbung des Bordells „Babylon“ am Flughafen haben ebenso eindeutig gezeigt, wie ‚zahnlos‘ die bestehenden rechtlichen Instrumentarien gegen mediale Herabwürdigung von Frauen sind.

Der Österreichische Frauenring spricht sich dementsprechend für die Verankerung eines entsprechenden Schutzes im Gleichbehandlungsgesetz aus, der – im Sinn obiger Ausführungen – selbstverständlich alle gesetzlich verpönten Diskriminierungsgründe umfassen soll.

Rechtssicherheit für die Betroffenen

Grundsätzlich spricht sich der Österreichische Frauenring für eine Verfahrensstruktur aus, die den Betroffenen effektiven Zugang zum Rechtsschutz eröffnet und deren besondere Bedürfnisse im Auge hat, die sich aus strukturell bedingten Machtverhältnissen, daraus resultierenden Diskriminierungserfahrungen und ökonomischen Verhältnissen ergeben. Der Zugang zum Recht ist bekanntlich geschlechts- und schichtspezifisch unterschiedlich. Gerade Frauen aus sozial und ökonomisch schlechter gestellten Schichten nutzen die ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumentarien wesentlich weniger als gut ausgebildete und wirtschaftlich besser gestellte Männer. Die Instrumente der Verbandsklage, der Beratungs- und Vertretungsmöglichkeiten mit ausreichenden Ressourcen sowie die wirksame Ausgestaltung der Gewährung von Verfahrenshilfe erleichtern auch "rechtsfernen" Bevölkerungsgruppen den Zugang zum Recht. Die Zurverfügungstellung ausreichender Ressourcen ist hiefür unabdingbare Voraussetzung.

Dass der Aufgabenbereich der Anwaltschaft für Gleichbehandlung kontinuierlich erhöht wird, begrüßt der Österreichische Frauenring aus diesem Gesichtspunkt. Gleichzeitig wäre auch diesbezüglich eine Bereitstellung von weiteren Ressourcen wichtig, um einen effektiven Rechtsschutz de-facto sicherzustellen. Die Einbindung von sachkundigen NGOs in die Sitzungen der Gleichbehandlungskommission wäre aus Sicht des österreichischen Frauenrings wünschenswert. Darüber hinaus spricht sich der Frauenring dafür aus, auch in den Bereichen mittelbarer und unmittelbarer Diskriminierung einen Mindestschadenersatz von € 1.000,-- zu normieren (wie er etwa im Bereich der Belästigung vorgesehen ist), um sicherzustellen, dass die gemeinschaftsrechtliche Anforderung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen sichergestellt ist.

 

Frauenförderung
Der Österreichische Frauenring merkt an, dass der vorliegende Entwurf den gesamten Bereich der Frauenförderung unberücksichtigt lässt. Aus Sicht des Frauenrings sind verpflichtende Quoten - auf welcher legistischen Ebene und in welcher Form auch immer - unverzichtbare Instrumente der Herstellung der de-facto-Gleichheit der Geschlechter sind. Die Ergänzung des Artikel 7 Absatz der Bundesverfassung um eine Quotenbestimmung wäre ein erster Schritt, die legistische Umsetzung auf einfachgesetzlicher Ebene, eben auch im Gleichbehandlungsrecht, müsste dann folgen.

 

Dr. Christa Pölzlbauer

Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings



[1] Vgl. https://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=
2137336&SecMode=1&DocId=1919120&Usage=2 (19.09.2012).