Österreichische
Arbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation (ÖAR)
Dachorganisation der
Behindertenverbände Österreichs

Dr. Christina Meierschitz · DW 119

E-Mail: meierschitz.recht@oear.or.at

 

 

 

 

 

Stellungnahme der

Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs,

zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz und das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz geändert werden

(Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2013 – VersRÄG 2013)

 

BMJ-Z10.213/0017-I 7/2012

 

Allgemeines

Die ÖAR erlaubt sich zu oben angeführtem Entwurf folgende Stellungnahme abzugeben:

Grundsätzlich merkt die ÖAR an, dass die gesetzliche Festschreibung des Diskriminierungsverbotes ins Versicherungsvertragsgesetz begrüßt wird, wird es dadurch auch verstärkt zu einem Umdenken und zu mehr Bewusstsein bei den Versicherungsunternehmen führen.

Es wäre jedoch darüber hinaus dringend notwendig das Diskriminierungsverbot von Menschen mit Behinderungen ebenso in das Versicherungsaufsichtsgesetz aufzunehmen, um auch den Schutz durch dieses Gesetz zu erlangen.

Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen mit nichtbehinderten Menschen und Nichtdiskriminierung von Menschen mit Behinderungen wurde spätestens mit Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch Österreich offiziell als Menschenrecht anerkannt und eine Ungleichbehandlung, durch eine höhere Prämie aufgrund einer Behinderung oder gesundheitlichen Beeinträchtigung ist nach Ansicht der ÖAR jedenfalls problematisch. Auch stellt sich die Frage, inwieweit die Regelung Schutz vor überhöhten Prämien bietet, wenn keine Qualitätsanforderungen bezüglich der heranzuziehenden statistischen Daten festgeschrieben wird und somit eventuell auch hauseigene Daten zweckdienlich werden könnten. Besonders problematisch wird es, wenn Versicherungen aufgrund von mangelnden Daten medizinisches Wissen heranziehen können, denn bekanntlich herrscht in dieser Berufssparte sehr selten Einigkeit. Somit wäre es denkbar, immer MedizinerInnen zu finden, die ein höheres Risiko aufgrund des Gesundheitszustandes bei den einzelnen Behinderungen attestieren würden. Dies lässt sich auch sehr gut an den unterschiedlichen medizinischen Gutachten in anderen Bereichen erkennen.

Nachdem im vorliegenden Bereich große Versicherungskonzerne einer besonders vulnerablen Personengruppe gegenüber stehen und besonders in Gesundheitsfragen, Angelegenheiten, die eine finanzielle Lebenssituation absichern sollen oder in existenziellen Fragen durch große Abhängigkeit und Emotionalität ein extremes Machtgefälle entstehen kann, ist es unabdingbar, eine Regelung zur Beweislastumkehr zu schaffen, sowie Regelungen einzuführen um das Prozesskostenrisiko zu minimieren.

Durch die Verwendung von unklaren Begriffen, die auch durch die Erläuterungen nicht geklärt werden, besteht die Gefahr, dass Menschen mit Behinderungen auch weiterhin nicht die Möglichkeit haben werden, einen chancengleichen Versicherungsschutz zu erhalten. So ist keinesfalls klar, um welchen Behinderungsbegriff es sich in diesem Gesetz handelt; werden z.B. auch Menschen mit chronischen Erkrankungen betroffen sein, vor allem, wenn es noch zu keiner Auswirkung der Erkrankung gekommen ist. Ebenso wenig ist die wesentliche Erhöhung der Gefahr für den individuellen Gesundheitszustand der behinderten Person, die einen Prämienzuschlag gerechtfertigen würde, näher determiniert.

Mit dem Instrument der Verbandsklage soll weitverbreitete Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen verhindert beziehungsweise beseitigt werden. Die in diesem Gesetz festgeschriebene Verbandsklage unterscheidet sich doch wesentlich von der Verbandsklagemöglichkeit im BGStG, da einerseits die Möglichkeit eine solche Klage einzubringen auch auf den Behindertenanwalt ausgeweitet wurde und andererseits die Zustimmungserfordernis des Bundesbehindertenbeirats wegfällt. Beides sind wünschenswerte Verbesserungen, und werden daher ausdrücklich begrüßt.

Besonderes

Ad § 9 Abs. 2 VAG:

Im Versicherungsaufsichtsgesetz soll auch das Diskriminierungsverbot für Menschen mit Behinderungen verankert werden.

Weiters soll eine Überwachungsmöglichkeit der FMA vorgesehen werden. Daher sollen, sollte die Möglichkeit einen Risikozuschlag auf Grund des Gesundheitszustandes aufrecht bleiben, die bisher im § 9 Abs. 3 und 4 vorgesehenen Meldepflichten an die FMA bzw. Veröffentlichungspflichten der versicherungsmathematischen und statistischen Daten in Bezug auf Menschen mit Behinderungen festgeschrieben werden.

Ad § 129m VAG:

Auch bestehende Verträge dürfen Menschen mit Behinderungen nicht diskriminieren – daher sollte die Möglichkeit einer Sanierung der „alten“ Verträge vorgesehen werden.

Ad § 1d Abs. 1 VersVG:

Es muss sichergestellt sein, dass auch gesundheitliche Beeinträchtigungen bzw. (chronische) Erkrankungen nicht zu einer Verweigerung eines Versicherungsabschlusses oder einer Kündigung eines solchen führen können.

Ad § 1d Abs. 3 VersVG:

Statistiken, die Grundlage für eine Ungleichbehandlung von chronisch kranken oder behinderten Menschen bilden, müssen jedenfalls von einer unabhängigen seriösen Stelle erhoben werden und international Anerkennung finden. Ebenso müssen nachvollziehbare versicherungsmathematische Grundsätze herangezogen werden. Dies hat so transparent wie möglich zu geschehen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Feststellung einer Diskriminierung weiterhin äußerst erschwert bleibt.

Es ist auch festzuschreiben dass eine Prämienerhöhung verhältnismäßig zu sein hat. Art. 25 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sieht vor, dass Versicherungen zu angemessenen und vernünftigen Bedingungen anzubieten sind.

Jedenfalls lehnt die ÖAR medizinische Einzelgutachten in diesem Zusammenhang entschieden ab.

Gegen den Vorschlag, die konkrete Gefahrenerhöhung in den Versicherungsschein aufzunehmen, erhebt die ÖAR schwere datenschutzrechtliche Bedenken.

Ad § 178g Abs 1 VersVG neu:

Die Anregung der Evaluierungsgruppe zum BGStG sollte aufgegriffen werden und die ÖAR sollte in den Kreis der zu verständigenden Stellen im Falle einer Änderung der Prämie oder des Versicherungsschutzes durch das Versicherungsunternehmen, aufgenommen werden. Damit könnte Diskriminierung bei Prämienänderungen effektiver verhindert werden.

Die Stellungnahme wird auch an das Präsidium des Nationalrates auf elektronischem Wege übermittelt.

 

 

Wien, am 18.10.2012