An das

Bundesministerium für Justiz

per E-Mail: team.z@bmj.gv.at

 

 

Wien, am 19. Oktober 2012

 

 

 

 

Betrifft:     Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Versicherungsauf­sichtsgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz und das Verkehrs­opfer-Entschädigungsgesetz geändert werden (Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2013 – VersRÄG 2013)

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Behindertenanwalt dankt für die Übermittlung des Entwurfes eines Bundesge­setzes, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsvertragsge­setz und das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz geändert werden (Versicherungs­rechts-Änderungsgesetz 2013 – VersRÄG 2013) und nimmt dazu wie folgt Stellung:

 

Allgemeines:

 

In der Bundesverfassung ist seit dem Jahr 1997 ein Benachteiligungsverbot von behinderten Menschen ausdrücklich verankert. Überdies bekennt sich die Republik

dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.

 

In Konkretisierung der Verfassungsbestimmung des Artikel 7 Abs. 1 B-VG soll das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, das bereits mit 1. Jänner 2006 in Kraft getreten ist, Diskriminierungen behinderter Menschen im Bereich der Bundeskom­petenz vermeiden bzw. beseitigen helfen. Ziel des Gesetzes ist die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft.

 

Nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz ist eine Diskriminierung auf Grund einer Behinderung beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, verboten.


 

In diesem Zusammenhang ist daher unstrittig, dass dieses Diskriminierungsverbot für Versicherungsverträge und insbesondere auch für deren Abschluss, Prämienge­staltung und bestehende Leistungen gilt.

 

Dennoch wurden in den letzten Jahren Menschen mit Behinderungen in unzähligen Fällen private Versicherungen betreffend benachteiligt und auch ausgeschlossen. Diesen Missstand, der die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behin­derungen am Leben in der Gesellschaft verhindert, gilt es umgehend abzustellen.

 

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen von Behinderungen verbietet die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen. Durch deren Ratifikation im Oktober 2008 hat sich Österreich verpflichtet, die in der UN-Konvention festgelegten Standards durch österreichische Gesetze umzusetzen und zu gewährleisten.

 

Durch den vorliegenden Entwurf soll der oben beschriebenen negativen Entwicklung und bestehenden Praxis entgegengewirkt werden, sodass Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen im Zusammenhang mit Versicherungsverträgen unterbleibt. Der Behindertenanwalt begrüßt diese Intention grundsätzlich, da dadurch für die Versicherungswirtschaft einerseits das Verbot der Diskriminierung auf Grund einer Behinderung und andererseits die Anwendung des Bundes-Behindertengleich­stellungsgesetz außer Streit gestellt werden soll.

 

Um in diesem Lebensbereich für Menschen mit Behinderungen tatsächlich Verbes­serungen zu erzielen und der aus der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen resultierenden Verpflichtung Rechnung zu tragen, bedarf es jedoch weiterer legistischer Maßnahmen. Es wird daher angeregt, wie im Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen vorgesehen, die in dieser Angelegen­heit mit den VertreterInnen der Behindertenorganisationen begonnenen Gespräche fortzuführen bzw. auszuweiten und im Einvernehmen mit diesen weitergehende Lösungen festzulegen.

 

Zum vorliegenden Entwurf werden aus Sicht des Behindertenanwaltes einige inhaltliche Verbesserungen im Grundsätzlichen angeregt.

 

Zu § 1d Abs. 1:

 

Die Klarstellung, dass auf Grund (oder wegen) einer Behinderung der Abschluss oder Weiterbestand eines Versicherungsvertrages durch den Versicherer nicht verweigert werden darf sowie die Klarstellung, dass eine Behinderung (an sich) keine erhöhte Prämie rechtfertigt, wird grundsätzlich begrüßt.

 

Der enthaltene Terminus „in Ansehung eines versicherbaren Risikos“ erscheint jedoch auch im Lichte der Erläuternden Bemerkungen teilweise zu unbestimmt, um die erforderliche Rechtssicherheit zum Thema Versicherbarkeit zu schaffen.


 

Zu § 1d Abs. 2 und 3:

 

Ein Prämienzuschlag darf ausschließlich dann vorgesehen werden, wenn der Ge­sundheitszustand einen bestimmenden Faktor für die Risikokalkulation in dem betreffenden Versicherungszweig darstellt.

 

Der Faktor „Behinderung“ darf keinesfalls zu einer unterschiedlichen Prämie führen, Anknüpfungspunkt kann ausschließlich der individuelle Gesundheitszustand einer Person sein. Um diesen Gedanken konsequent umzusetzen, dürfen sich § 1d Abs. 2 und 3 nicht nur auf die Personengruppe der behinderten Menschen beziehen, sondern müssen für alle Personen, unabhängig ob eine Behinderung im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz vorliegt, gelten.

Es wird daher angeregt, im vorliegenden Entwurf jeweils das Wort „behinderten“ ersatzlos zu streichen.

 

In § 1d Abs 2 und 3 werden einige unbestimmte Begriffe von zentraler Bedeutung, wie etwa „eine wesentliche Erhöhung der Gefahr“ und „relevantem und verlässlichem medizinischen Wissen“, verwendet. Eine allfällige Risikobewertung sollte ausschließ­lich auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhen.

 

Zu § 1d Abs. 4:

 

Die Regelung wird ausdrücklich begrüßt, da allfällige Zweifel über die Anwendbarkeit des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes im Zusammenhang mit Ver­sicherungsverträgen einschließlich deren Anbahnung und Begründung ausgeräumt werden.

 

Zu § 15c:

 

Die Schaffung einer Verbandsklagebefugnis, die nicht nur eine Feststellung der Diskriminierung auf Grund einer Behinderung ermöglicht, wird ausdrücklich begrüßt.

 

Zur Vermeidung einer Hierarchisierung und Zersplitterung bei der Rechtsdurch­setzung wird jedoch angeregt, diese Verbandsklagebefugnis, die an keine Zustimmung des Bundesbehindertenbeirates gebunden ist, im Bundes-Behinderten­gleichstellungsgesetz (§ 13) – somit nicht nur im Bereich der Versicherungswirt­schaft, sondern für dessen gesamten Anwendungsbereich – zu normieren.

 

Die Evaluierung des Behindertengleichstellungsrechtes hat gezeigt, dass das Instrument der Verbandsklage in der Bekämpfung von Diskriminierungen auf Grund einer Behinderung derzeit eine untergeordnete Rolle spielt. Um die Möglichkeit zu schaffen, diesen Umstand zu ändern, wird angeregt, das Verbandsklagerecht auf weitere Institutionen, wie insbesondere den Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskrimininierungsopfern auszuweiten.


 

In den Erläuternden Bemerkungen wird ausgeführt, dass durch diesen Entwurf die Rechtsposition von behinderten Personen im Versicherungsbereich verbessert werden soll. Wenn auch neben der Verbandsklagebefugnis in § 15a vertrags­rechtliche Konsequenzen bei Nichtbeachtung des Diskriminierungsverbotes normiert werden sollen, ist zu befürchten, dass in Einzelfällen, etwa bei diskriminierender Ablehnung oder unzulässigem Prämienzuschlag durch den Versicherer, nach wie vor kein wirksamer Rechtschutz besteht.

 

Zwar wird durch § 1d Abs. 4 bekräftigt, dass die Ansprüche der einzelnen Diskriminierungsopfer nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz weiterhin gelten, jedoch hat insbesondere die Evaluierung des Behindertengleichstellungs­rechtes auch klar aufgezeigt, dass von Seiten der Betroffenen kaum gerichtliche Verfahren geführt wurden. Wesentlicher Grund hierfür ist das bestehende Prozess­kostenrisiko, das viele Diskriminierungsopfer vor der Einbringung einer Klage zurück­schrecken lässt. Dies führt dazu, dass den Betroffenen angesichts massiver finan­zieller Hürden die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft de facto verwehrt bleibt.

 

Es wird daher angeregt, das Verbandsklagerecht insofern auszuweiten, dass die zur Verbandsklage berechtigten Institutionen auch in Einzelfällen, soweit diese von besonderer Bedeutung für die Interessen der geschützten Personengruppe sind, Klage einbringen können.

 

Im Sinne einer selbstbestimmten Lebensführung sollten jedoch auch geeignete legistische Maßnahmen angedacht werden, die dem einzelnen Diskriminierungsopfer den individuellen Zugang zum Recht erleichtern.

 

Zum Versicherungsaufsichtsgesetz:

 

Es wird angeregt, das Diskriminierungsverbot auf Grund einer Behinderung sowie eine Schutzbestimmung (analog dem bisherigen § 9 VAG) für den Fall, dass der Gesundheitszustand einen bestimmenden Faktor für den betreffenden Ver­sicherungszweig darstellt, in das Versicherungsaufsichtsgesetz aufzunehmen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Erwin Buchinger