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Wien, am 5. November 2012

Zl. B-026/051112/HA

GZ: BMJ-Z4.500/0046-I 1/2012

 

 

Betreff: Bundesgesetz, mit dem das Kindschafts- und Namensrecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, das Außerstreitgesetz, das Ehegesetz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz, das Rechtspflegergesetz, das Gerichtsgebührengesetz und das Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung geändert werden (Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2012 – KindNamRÄG 2012)

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Österreichische Gemeindebund erlaubt sich mitzuteilen, dass zu obig angeführtem Gesetzesentwurf folgende Stellungnahme abgegeben wird:

 

Vorbemerkung

Der Österreichische Gemeindebund stellt vorab unmissverständlich klar, dass eine Verlagerung von in die gerichtliche Zuständigkeit fallende Agenden zu den Personenstandsbehörden aus nachstehenden, in den Anmerkungen zu § 177 Abs. 2 (siehe Seite 5 ff) dargelegten Gründen strikt abgelehnt wird.

 

 

Ad § 93 Abs. 2 und 3

Diese Absätze regeln die Doppelnamensführung in der Ehe. Wird ein Doppelname bestimmt, dürfen insgesamt zwei Bestandteile verwendet werden. Heiraten einander zwei Personen, die aus früheren Ehen bereits einen Doppelnamen führen, müssen sie, wenn sie wieder einen Doppelnamen führen möchten, bestimmen, welche Namensbestandteile sie verwenden wollen. In den Erläuterungen wird hierzu ausgeführt, dass zB Namen, die durch Adoptionen in der Fassung der 1. Teilnovelle zum ABGB (sogenannte „alte Adoptionen“) oder im Zuge der Adelsaufhebung entstanden sind, weiterhin ein Name bleiben, selbst wenn sie sich äußerlich von Doppelnamen nicht unterscheiden.

In der Zusammenschau mit dem vorgeschlagenen Gesetzestext (§ 93 Abs. 2 und 3) wird es hier sehr wohl zu „Doppelnamen“ kommen, die aus mehr als zwei Teilen bestehen. Im Rahmen von Fachdiskussionen wurde allerdings die Meinung vertreten, dass bei der Heranziehung solcher quasi einteiliger Namen, die äußerlich als Doppelnamen erscheinen, auch nur ein Namensbestandteil verwendet werden darf. Aus Sicht der Praxis soll es allerdings auch hier betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht werden, dass von diesem äußerlich als mehrteiliger Name erscheinender Doppelname unbürokratisch abgegangen werden kann.

 

Vorschlag für die Ergänzung der Erläuterungen zu den §§ 93 Abs. 2 und 3: Auch bei verbundenen Namen, wie sie durch Adoptionen nach § 182 in der Fassung der 1. Teilnovelle zum ABGB, RGBl. Nr. 276/1914, oder durch Ersetzung des Adelsprädikates „von“ durch einen Bindestrich im Zug der Adelsaufhebung entstanden sind, kann auf Wunsch der Namensträger im Zusammenhang mit einer Eheschließung auch nur ein Bestandteil für den gemeinsamen Familiennamen bzw die Voran- oder Nachstellung herangezogen und bestimmt werden.

 

 

Ad § 93a Abs. 3

Diese Bestimmung ermöglicht österreichischen Staatsbürgern einerseits die Anpassung eines Namens an das Geschlecht des Namensträgers, soweit dies der Herkunft der Person oder der Tradition der Sprache entspricht, aus der der Name stammt. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass andererseits Personen mit fremder Staatsangehörigkeit diese Anpassung eigentlich nicht wollen. Bei einer Eheschließung in Österreich wird in der Regel [fast]immer gewünscht, dass eine geschlechtsspezifische Endung (etwa die Deklinationsendung ová im tschechischen und slowakischen Namensrecht) vor oder nach der Eheschließung durch eine entsprechende Erklärung – sofern nach dem Heimatrecht möglich – entfällt. Daher sollte auf Grund jahrelanger Erfahrungswerte die vorgesehene Bestimmung derart ergänzt werden, dass es Personen nach dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft ermöglicht wird, von einer geschlechtsspezifischen Namensendung auch abgehen zu können.

 

Vorschlag § 93a Abs. 3: Eine Person kann bestimmen, dass ihr Familienname dem Geschlecht angepasst wird, soweit dies der Herkunft der Person oder der Tradition der Sprache entspricht, aus der der Name stammt oder, dass von einer bereits geführten geschlechtsspezifischen Endung abgegangen werden kann.

 

 

Ad § 147 Abs. 2 und 4

Diese Absätze regeln das sogenannte „durchbrechende Vaterschaftsanerkenntnis“. Während es in der Praxis in der Vergangenheit bei nicht eigenberechtigten Kindern unter 14 Jahren und bei eigenberechtigten Kindern in der Regel keine Probleme bei der formellen Abwicklung des „durchbrechenden Vaterschaftsanerkenntnisses“ gab, stellte die Abwicklung dieser Erklärung bei nicht eigenberechtigten, jedoch einsichts- und urteilsfähigen Kindern, meist Probleme dar. Da bei dieser Altersgruppe auch die Bestimmung des § 138b Abs. 1 (neu § 141 Abs. 1) zu beachten ist, waren solche Erklärungen oftmals ungültig. Meist wurde übersehen, dass hier die alleinige Zustimmung des Jugendwohlfahrtsträgers als ex lege gesetzlicher Vertreter des Kindes nicht ausreicht, da hier der gesetzliche Vertreter auch die Einwilligung der einsichts- und urteilsfähigen Person (wechselseitige Zustimmung) benötigt bzw benötigte.

 

Vorschlag § 147 Abs. 4: Für die Zustimmung des minderjährigen Kindes ist der Jugendwohlfahrtsträger gesetzlicher Vertreter des Kindes. Für diese Zustimmung ist der § 141 Abs. 1 anzuwenden.

 

 

Ad § 155 Abs. 1 und 2

Diese Absätze regeln die Namensführung sowohl des ehelichen Kindes (in Hinkunft in einer Ehe geborenen Kindes) als auch des unehelichen Kindes (in Hinkunft außerhalb einer Ehe geborenen Kindes). Es findet sich aber keine Bestimmung, dass alle Kinder von miteinander verheirateten Eltern den gleichen Familiennamen zu führen haben.

Gleiches gilt für Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern. Während zB in Deutschland (§ 1617 Abs. 1 dBGB) die Bestimmung der Eltern über den Familiennamen des Kindes auch für ihre weiteren Kinder gilt, fehlt eine vergleichbare Bestimmung im gegenständlichen Entwurf. Auch das am 1. Jänner 2013 in Kraft tretende neue Namens- und Bürgerrecht in der Schweiz sieht vor, dass – falls die Eltern verschiedene Namen tragen – sie bei der Eheschließung einen Namen zum Namen ihrer gemeinsamen Kinder zu bestimmen haben. Diese Bestimmungsmöglichkeit wird auch bei nicht miteinander verheirateter Eltern und gemeinsamer elterlicher Sorge gegeben sein.

Das Fehlen einer solchen Bestimmung wird daher in der Praxis zu unterschiedlichen Familiennamen von Kindern sowohl miteinander als auch nicht miteinander verheirateter Eltern führen. Diese offene Formulierung stellt eigentlich einen Widerspruch zu den Feststellungen im Besonderen Teil der Erläuterungen, die wie folgt lauten, dar:

„§ 155 des Entwurfs regelt, welcher Name zum Familiennamen des ehelichen oder unehelichen Kindes werden kann. Die neue Bestimmung hält zum einen an der Idee des einheitlichen Familiennamens für die ganze Familie fest und zielt darauf ab, eine möglichst weitgehende Übereinstimmung von Eltern- und Kindesnamen zu erreichen. Zum anderen erreicht sie aber auch eine flexible, dem fortschreitenden gesellschaftlichen Wandel entsprechende Gestaltung des Kindesnamens und überlässt es den Eltern, sich für die eine oder andere Variante zu entscheiden.“

Ob daraus zusätzlich zur flexiblen Gestaltung des Kindesnamens allerdings auch eine weitere Dispositionsmöglichkeit der Eltern über verschiedene Familiennamen ihrer Kinder abgeleitet werden kann, darf bezweifelt werden.

 

Vorschlag § 155 Abs. 1: Das Kind erhält den gemeinsamen Familiennamen der Eltern. Es kann aber auch der Doppelname eines Elternteiles (§ 93 Abs. 3) zum Familiennamen des Kindes bestimmt werden. Die Bestimmung gilt, sofern nicht eine Neubestimmung zulässig ist, für alle weiteren Kinder.

 

Abs. 3: Diese Bestimmung stellt einen Auffangtatbestand für jene Fälle dar, in denen keine Namensbestimmung erfolgt bzw erfolgte. Da diese Textierung zu Zweifeln Anlass geben könnte, ob hier nur der gemeinsame Familienname oder aber auch ein Doppelname aus einer Ehe [aufgelösten Ehe] gemeint ist, sollte diese Bestimmung präzisiert werden.

 

Vorschlag § 155 Abs. 3: Mangels einer solchen Bestimmung erhält das Kind den Familiennamen der Mutter; führt diese einen Doppelnamen nach § 93 Abs. 2 aF bzw § 93 Abs. 3 nF, den gemeinsamen Familiennamensbestandteil der Mutter.

 

 

Ad § 157 Abs. 2:

Hier ist eine Neubestimmung des Familiennamens bei Änderungen in der Person eines Elternteiles vorgesehen. Eine solche Neubestimmung soll aber nicht nur bei der Änderung in der Person eines Elternteiles sondern auch bei der Feststellung der Person (des Elternteiles) möglich sein. Die Formulierung „Änderungen in der Person“ bringt nur zum Ausdruck, dass eine bestehende Eintragung (Person) geändert wird und nicht, dass eine neue Eintragung (zB die Vaterschaft) vorgenommen wird.

 

Vorschlag § 157 Abs 2: Ändert sich der Familienname der Eltern oder eines Elternteiles oder heiraten die Eltern einander, so kann der Familienname des Kindes erneut bestimmt werden. Das Gleiche gilt bei Änderungen in der Person eines Elternteiles sowie bei Anerkenntnis des Vaters und gerichtlicher Feststellung der Vaterschaft.

 

 

Ad § 177 Abs. 1 iVm Abs. 2, 1. Satz ABGB

Im Hinblick auf das Bestreben einer verfassungskonformen Regelung erlaubt sich der Österreichische Gemeindebund anzumerken, dass die nun ausdrücklich vorgeschlagene Differenzierung der automatischen gemeinsamen Obsorge bei Vorliegen einer Eheschließung und der (grundsätzlichen) automatischen alleinigen Obsorge der Mutter bei Nichtvorliegen einer Eheschließung aufgrund des alleinigen (die Differenzierung sachlich nicht rechtfertigenden) Unterscheidungsmerkmals „Eheschließung“ auch im Hinblick auf die Judikatur des EGMR und des VfGH verfassungsrechtlich bedenklich ist. Auf § 138d Abs. 3, 2. Satz und § 166, 1. Satz idgF darf lediglich hingewiesen werden.

 

 

 

Ad § 177 Abs. 2 ABGB

Zunächst ist festzuhalten, dass diese Bestimmung an der Lebensrealität vorbeigeht. Eltern, insbesondere Eltern in einer intakten Beziehung, haben nach Geburt ihres Kindes andere Entscheidungen und Vorkehrungen zu treffen als eine einvernehmliche Regelung, ob (formaljuristisch) das uneheliche Kind in gemeinsamer Obsorge oder doch in alleiniger Obsorge der Mutter aufwachsen soll. Die Frage der Obsorge stellt sich frühestens bzw. erst bei einer anstehenden Trennung oder Auflösung der häuslichen Gemeinschaft, nicht aber kurz nach der Geburt des Kindes.

Dass gerade in einem funktionierenden Familienband keine Motivation für eine Bestimmung der gemeinsamen Obsorge erblickt werden kann, zeigt sich allein daran, dass auch nach der derzeit geltenden Regelung des § 167 ABGB, die sich in der Sache nicht von der vorgeschlagenen Regelung des § 177 Abs. 2 unterscheidet, kaum Vereinbarungen getroffen wurden. In den Erläuterungen zu § 177 Abs. 2 wird die verschwindend geringe Anzahl an getroffenen Obsorgevereinbarungen mit Informationsdefiziten und einer gewissen Scheu vor dem Gericht zu begründen versucht. Tatsache ist jedoch, dass in funktionierenden Familienbanden schlicht ein Regelungsbedarf nicht besteht.

Abgesehen von der anzuzweifelnden Sinnhaftigkeit der Bestimmung des § 177 Abs. 2, sollen in Zukunft nicht mehr Gerichte bei Vorliegen derartiger Obsorgevereinbarungen tätig werden, sondern Personenstandsbehörden.

Demnach soll bei nicht miteinander verheirateten Eltern künftig vom Standesbeamten eine von den Eltern persönlich abzugebende Erklärung über die Bestimmung einer gemeinsamen Obsorge beurkundet werden. Zuvor hat der Standesbeamte die Parteien über die Rechtsfolgen zu belehren.

Abgesehen davon, dass eine Übertragung dieser Aufgaben (Beurkundung und Rechtsbelehrung) an Personenstandsbehörden inakzeptabel ist und gar kein Grund und Anlass besteht, von der bisherigen Zuständigkeit der Gerichte abzuweichen, geht die Formulierung „über die Rechtsfolgen zu belehren“ weit über die dem Standesbeamten übertragenen Aufgaben hinaus. Eine derartige im ABGB als materiellrechtliche Belehrung zu qualifizierende Aufgabe ist ausschließlich den Gerichten vorbehalten und ist diese nicht der Rechtsbelehrung durch die Behörde im Sinne des § 13a AVG gleichzustellen.

Die Bestimmung des § 13a AVG sieht lediglich vor, dass die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren hat.

Die Belehrungspflicht bezieht sich nur auf Verfahrensanleitungen in anhängigen Verfahren und damit unmittelbar verbundene Folgen, also zB darauf, dass Einwendungen in einer Verhandlung mündlich – nicht schriftlich – zu erheben sind. Die Behörde ist hingegen nicht verpflichtet, die Partei über Fragen des materiellen Rechts zu belehren. Auch Rechtshandlungen, die außerhalb eines Verfahrens (hier außerhalb der Beurkundung der Erklärung über die Bestimmung einer gemeinsamen Obsorge) sind von der Belehrungspflicht nicht erfasst (Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Auflage, Anmerkung zu § 13a AVG, Seite 123). Die Behörde hat den betreffenden Personen nur die „unmittelbaren“ Rechtsfolgen der verfahrensrechtlichen Unterlassungen oder Handlungen vor Augen zu führen. In diesem (eingeschränkten) Umfang kann der Behörde eine Rechtsbelehrung durchaus zugemutet werden (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Anmerkungen zu § 13a AVG, Seite 295).

Abgesehen davon, ist diese zusätzliche – zur Entgegennahme der Obsorgebestimmung vorgesehene umfassende – Belehrungspflicht der Personenstandsbehörden über die Rechtsfolgen auch fehleranfällig. Aus dem vorliegenden Gesetzesentwurf kann nicht entnommen werden, wie ggf bei Eltern mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft vorzugehen ist. Den Personenstandsbehörden neben den vielen bereits zu prüfenden IPR-rechtlichen Angelegenheiten auch noch den Vollzug in- und ausländischer obsorgerechtlicher Bestimmungen zuzuweisen, erscheint keinesfalls sinnvoll und praktikabel zu sein.

Festzuhalten ist, dass die äußerst komplexen obsorgerechtlichen Bestimmungen und die damit zusammenhängende Erteilung einer materiellrechtlichen Rechtsbelehrung keinesfalls von nicht rechtskundigen Verwaltungsbeamten – bei den Standesbeamtinnen und Standesbeamten handelt es sich in der Regel um keine rechtskundigen Gemeindebediensteten – vollzogen werden können.

Auch vor dem Hintergrund, dass die Standesämter lediglich die übereinstimmenden Erklärungen entgegenzunehmen und zu beurkunden haben ohne aber Feststellungen darüber treffen zu können und ohne Informationen darüber zu haben, ob nicht bereits eine anderweitige Obsorgeregelung (gerichtlich, außergerichtlich oder „personenstandsrechtlich“) getroffen bzw. beschlossen wurde, erweist sich die vorgeschlagene Bestimmung des § 177 Abs. 2 als völlig undurchführbar. Darüber hinaus bedürfte es einer klaren Regelung über die örtliche Zuständigkeit, widrigenfalls das eben dargelegte Problem ungleich größer würde.

In den Erläuterungen wird für die Übertragung dieser Aufgabe von den Gerichten hin zu den Personenstandsbehörden begründend ausgeführt, dass die Eltern sogleich nach der Geburt im Sinne eines One-Stop-Shop neben der Vaterschaftsanerkenntnis und der Beurkundung der Geburt auch sogleich die „Gemeinsame Obsorge“ bestimmen können sollen. Tatsache ist aber vielmehr, wie bereits oben ausgeführt, dass es erstens keinen Regelungsbedarf in einer intakten Beziehung gibt und zweitens der Weg zum Gericht sehr wohl und gerne beschritten wird, wenn ein solcher Regelungsbedarf vorherrschen bzw. entstehen sollte. Insofern erweist sich der Vorschlag der Einbindung (bzw. Zwischenschaltung) von Personenstandsbehörden auch als verwaltungsökonomisch völlig verfehlt.

In diesem Zusammenhang darf auch unter Zugrundelegung des Erkenntnisses des VfGH vom 28. Juni 2012, G 114/11-12, darauf hingewiesen werden, dass der vorgeschlagene § 177 Abs. 2 nicht nur nicht zeitgemäß ist, sondern sogar einen nicht unbeträchtlichen Rückschritt bedeutet. Kernaussage dieses VfGH-Erkenntnisses zur Obsorge von nicht miteinander verheirateter Eltern ist unzweideutig, dass eine wirksame gerichtliche Überprüfung zu eröffnen ist, nicht aber die Zuweisung dieser Angelegenheit an eine Verwaltungsbehörde. In diesem Sinn ist der derzeit in Geltung stehende § 167 ABGB, der eine gerichtliche Prüfung und Genehmigung von Obsorgevereinbarungen vorsieht, fortschrittlich.

Dadurch, dass nicht nur Eltern Neugeborener, sondern auch Eltern bereits älterer Kinder zukünftig bei Personenstandsbehörden vorstellig werden können, um ihre „Gemeinsame Obsorgeregelung“ zu hinterlegen, ist trotz endendwollender „Motivation“ zu einer derartigen Regelung in intakten Beziehungen mit einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von „Hinterlegungen“ aber auch mit Widerrufen gemäß § 177 Abs. 2, letzter Satz zu rechnen. Dass diese Übertragung der obsorgerechtlichen Aufgabe an Personenstandsbehörden eine Entlastung für Gerichte und zugleich ein beträchtlicher Aufwand für die Personenstandsbehörden darstellt (Schulungen, Zeit- und Personalaufwand), wird in den Erläuterungen freilich völlig übersehen.

Letztlich ist noch klarzustellen, dass eine Übernahme bzw. Erfüllung dieser Aufgabe durch die Personenstandsbehörden mit 1. Februar 2013 rein technisch gar nicht möglich ist. Abgesehen davon, dass vor dem Hintergrund des voraussichtlich mit 1. April 2013 in Kraft tretenden Personenstandsgesetz zahlreiche Gemeinden und Verbände Ihre Verträge mit ihren IT-Dienstleistern bereits angepasst bzw. gekündigt haben, bedürfte es allein um die Software in den lokalen Programmen zu adaptieren einer viel größeren Vorlaufzeit. Abgesehen davon ist eine (teure) Adaptierung aller lokalen Softwareprogramme lediglich für den Zeitraum von 1. Februar 2013 bis 31. März 2013 gänzlich inakzeptabel.

In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Personenstandsgesetzes hat der Österreichische Gemeindebund nicht umsonst klar und unmissverständlich gefordert, dass Gerichte von Beginn des ZPR an unmittelbar in das ZPR ihre Daten einpflegen müssen. Nur nebenbei sei erwähnt, dass dies seitens des Justizressorts mangels technischer Umsetzbarkeit in so kurzer Zeit abgelehnt wurde.

 

Aus den dargelegten Gründen lehnt der Österreichische Gemeindebund die vorgeschlagene Fassung des § 177 Abs. 2 strikt ab. Die Belehrung über die Rechtsfolgen und die Bestimmung einer gemeinsamen Obsorge nicht miteinander verheirateter Eltern sollte konzentriert bei den Gerichten erfolgen.

 

 

Ad § 177 Abs. 3

Diese Bestimmung ist in sich widersprüchlich und bedarf einer Präzisierung. Sollte es sich hierbei um eine sinngemäße Übernahme der derzeit geltenden Bestimmung des § 167 Abs. 2, 2. Satz handeln, so müsste es nach der Wortfolge „nicht in häuslicher Gemeinschaft, so muss“ heißen: „auch der Elternteil, in dessen […]“.

 

 

Ad § 180

Da § 177 Abs. 2 lediglich den Fall der einvernehmlichen gemeinsamen Obsorge der unehelichen Eltern (gleich ob häusliche Gemeinschaft oder nicht) regelt und § 180 Abs. 1 nur ein Antragsrecht eines unehelichen Elternteils nach Auflösung der häuslichen Gemeinschaft der Eltern, scheint der Fall nicht geregelt zu sein, in dem nur ein unehelicher Elternteil in häuslicher Gemeinschaft die gemeinsame Obsorge anstreben möchte. Sollte dieser Fall von § 180 Abs. 1 mit umfasst sein, so sollte dies um Missverständnisse vorzubeugen explizit angeführt bzw. in den Erläuterungen klargestellt werden.

 

 

IPRG

Zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) wird vorgeschlagen, dass für familienrechtlich relevante Anlässe die Rechtswahl (§ 11) auch auf diese Tatbestände ausgeweitet wird. Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten wäre es sinnvoll – Stichwort Freizügigkeit – das IPRG etwas flexibler zu gestalten. Gerade in namensrechtlicher Hinsicht entspricht das IPRG in vielen Fällen seit Jahren nicht mehr der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union.

Laut einer Pressemitteilung vom 27. September 2012 wurde neuerdings Belgien von der Europäischen Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Kommission in einer namensrechtlichen Angelegenheit verklagt. Dabei hätten es die zuständigen Organe der Europäischen Union „selbst in der Hand“, entsprechende Regelungen (wie zB die VO Brüssel IIa, Rom III usw) zu erlassen, damit Fälle wie Garcia Avello, Grunkin und Paul sowie der aktuelle belgische Fall von vornherein nicht auftreten würden. Auf gemischtnationale Fälle könnte zB immer das Recht im Ereignisstaat oder ein durch Rechtswahl vereinbartes Recht angewendet werden. Jedenfalls bedarf das österreichische IPRG dringend einer diesbezüglichen Novellierung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für den Österreichischen Gemeindebund:

 

Der Generalsekretär:

Der Präsident:

 

 

Leiss e.h.

Mödlhammer e.h.

 

Dr. Walter Leiss

Bgm. Helmut Mödlhammer

 

 

 

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