Stellungnahme
zum MinEntw eines
Bundesgesetzes, mit dem das GmbH-Gesetz, die Insolvenzordnung, das Notariatstarifgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Körperschaftssteuergesetz 1988 geändert werden
(Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013 – GesRÄG 2013)
erstattet von
Em. o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Krejci
Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Universität
Wien
Inhaltsübersicht
1. Die grundsätzlichen Fragen........................................................................ 4
2. Ist die Herabsetzung des Mindeststammkapitals an sich „gut“?................... 6
2.1. Zur Funktion des Mindeststammkapitals............................................. 6
2.1.1. Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften als Preis für den Wegfall der persönlichen Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten.................................... 6
2.1.2. Das Mindeststammkapital als Polster zur Abwehr einer Startinsolvenz und als Seriositätsschwelle zum Marktzutritt.......................................................................................... 8
2.1.3. Zu niedriges Mindesstammkapital erfordert andere Gläubigerschutzinstrumente 8
2.2. „Zurück in die Vergangenheit“............................................................ 9
2.3. Keine überzeugenden Sachargumente für die Reduktion des Mindeststammkapitals 10
2.3.1. Zu hohes Mindeststammkapital für kleine Dienstleister............... 10
2.3.2. Tausend Gesellschaften mbH mehr pro Jahr.............................. 11
2.2.3. Geringes Mindeststammkapital als „Bedürfnis der Wirtschaft“ 12
2.3.4. Wirkungslosigkeit eines Mindeststammkapitals.......................... 14
2.4. Zwischenergebnis............................................................................ 15
3. Ist eine Anpassung des GmbHG aus unionsrechtlichen Gründen geboten? 15
3.1. Billiggesellschaften anderer Mitgliedstaaten sind keine ernstliche Bedrohung des österreichischen GmbH-Rechts.................................................................................................... 16
3.2. Insbesondere zur deutschen „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ 16
3.3. Die Societas Privata Europaea ist noch keine Bedrohung des österreichischen GmbH-Rechts 17
3.4. Zwischenergebnis............................................................................ 18
4. Reduktion der Gründungskosten............................................................. 18
4.1. Beibehaltung der Notariatsaktspflichtigkeit........................................ 18
4.2. Tarif- und Steuersenkung durch Verringerung des Mindeststammkapitals 19
4.3. Kein Erfordernis der Bekanntmachung in der „Wiener Zeitung“ 20
4.4. Zusätzliche Tarifsenkung für eine standardisierte Errichtungserklärung 20
4.4. Zwischenergebnis............................................................................ 21
5. Schlussbemerkungen und Anregungen..................................................... 22
Das BMJ hat mit Schreiben vom 21.03.2013 den Entwurf eines GesRÄG 2013 zur Begutachtung ausgesandt.[1] Die folgenden Ausführungen enthalten meine Stellungnahme. Ich lege sie auch deshalb vor, weil im genannten Schreiben mitgeteilt wird, dass das BMJ vom Grundsatz „qui tacet consentire videtur“ ausgeht.[2] Diesen Eindruck möchte ich nicht erwecken.[3]
Der Gesetzgeber hat sich entschlossen, von einer umfassenden Reform des GmbH-Rechts vorerst abzusehen[4] und stattdessen im Wesentlichen zwei Änderungen der bisherigen Rechtslage vorzunehmen; nämlich das Mindeststammkapital von bisher EUR 35.000 auf EUR 10.000 und darüber hinaus gewisse Gründungskosten zu senken. Allem Anschein nach hat die vorangegangene Diskussion über eine GmbH-Reform den Gesetzgeber nicht sonderlich beeindruckt.[5]
Zwar verkündete schon im Jahre 2008 die damalige Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger eben diese Absenkung des Mindeststammkapitals als rechtspolitisches Ziel,[6] doch fügte sie damals etwas hinzu, worauf der nunmehrige MinEntw keinen Wert mehr legt. Die Frau Bundesministerin führte nämlich aus: „Natürlich gilt es zu vermeiden, dass Gesellschaften gegründet werden, die dann womöglich sehr schnell masselos insolvent werden. In solchen Fällen sind dann nicht die Großkreditgeber die Leidtragenden, die sich meist durch persönliche Haftungen absichern können, sondern die Zulieferer und Konsumenten. Es geht also nicht nur um ein schlichtes ‚Billigmachen’ durch Herabsetzung des erforderlichen Mindestkapitals, sondern es werden auch sinnvolle Begleitmaßnahmen zu diskutieren sein, um einem Missbrauch des Haftungsprivilegs vorzubeugen.“[7] Ein wahres Wort. Und doch – wie man nun sieht – bloß in den Wind gesprochen.
Der Gesetzgeber will dem in Europa bemerkbaren, durch das anglo-amerikanische Kapitalgesellschaftsrecht inspirierten Trend zur Verbilligung und Vereinfachung der Gründung von Gesellschaften mbH folgen, um insbesondere zu verhindern, dass ausländische Billiggesellschaften mbH in Österreich ihren Verwaltungssitz begründen, ohne sich dem österreichischen Gesellschaftsrecht unterwerfen zu müssen, und dass insbesondere auch österreichische Unternehmer sich solcher Billiggesellschaften bedienen und so verstärkt dazu beitragen, dass ausländisches Gesellschaftsrecht das österreichische verdrängt.
Dass Unternehmen, die ihren Verwaltungssitz in Österreich haben, die Rechtsform einer GmbH eines EU-Mitgliedstaates behalten können, hat der EuGH ermöglicht, weil er sich angesichts der unionsrechtlich gebotenen Niederlassungsfreiheit zur Gründungstheorie (statt zur Sitztheorie) bekennt.[8]
Der österreichische Gesetzgeber geht offenbar davon aus, dass die europarechtliche Entwicklung hin zur Billiggesellschaft mbH nicht aufzuhalten und es allemal besser sei, das österreichische GmbH-Recht diesem Trend anzupassen, als es durch ausländische Rechtsformen verdrängen zu lassen.
Worum es dabei in der Sache geht, liegt auf der Hand: Das Anliegen der Verbilligung und Vereinfachung der GmbH-Gründung steht dem gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz und dem Gebot der Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr gegenüber. Wer den GmbH-rechtlichen Gläubigerschutz und die GmbH-rechtliche Rechtssicherheit im Streben nach Verbilligung und Vereinfachung der GmbH-Gründung in erheblichem Maße opfert, tut der Wirtschaft nichts Gutes. Insofern darf die Verbilligung und Vereinfachung der GmbH-Gründung nicht über Gebühr auf Kosten des Gläubigerschutzes und der Rechtssicherheit gehen.
Angesichts des anstehenden Gesetzesvorhabens stellen sich zwei grundsätzliche Fragen:
· Ist der genannte Trend als solcher in der Sache begrüßenswert oder ist er zu missbilligen und wählt der österreichische Gesetzgeber lediglich das geringere zweier Übel, wenn er das bislang bessere österreichische Recht dem ausländischen anpasst, um dessen Eindringen in die österreichische Rechtsordnung zu verhindern?
· Sollte es lediglich darum gehen, die Verdrängung des besseren österreichischen Rechts durch eigene schlechtere Regelungen zu verhindern, stellt sich die Frage, ob eine solche Reaktion derzeit überhaupt erforderlich ist.
Ist der österreichische Gesetzgeber auch dann, wenn der europäische Trend zur Billig-GmbH für Österreich bedeutungslos sein sollte, gut beraten, das Mindeststammkapital von EUR 35.000 auf EUR 10.000 zu senken, wobei lediglich EUR 5.000 tatsächlich einzuzahlen sind? Die Antwort lautet: Nein.
Es versteht sich von selbst, dass es in höchstem Maße zweckmäßig ist, dass jemand, der unternehmerisch tätig ist, wenigstens in einem gewissen Ausmaß das Risiko seines Wirkens selbst zu tragen hat. Dazu nur so viel:
Was beim Einzelunternehmer und bei den Personengesellschaften selbstverständlich ist, nämlich die persönliche Haftung des Einzelunternehmers, der offenen Gesellschafter bzw der Komplementäre bei der KG für ihr unternehmerisches Tun, wurde bei den Kapitalgesellschaften durch die Einführung des Trennungsprinzips abgeschafft. Für Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet demnach nur mehr die Gesellschaft mit ihrem eigenen Vermögen, grundsätzlich[9] aber nicht mehr die Gesellschafter persönlich.
Welche Gefahr dies birgt, liegt auf der Hand: Je geringer das Kapital, das die Gesellschafter in die Gesellschaft einbringen, desto mehr tragen die Gläubiger und nicht die Gesellschafter das Risiko, dass das unternehmerische Wirken scheitert.
Um dieser Gefahr zu begegnen, schuf der Gesetzgeber spezielle Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften.[10] Je schwächer die Kapitalaufbringungsvorschriften sind, desto wirkungsloser sind die Kapitalerhaltungsvorschriften, weil auch bei einer weitgehend kapitallosen Gesellschaft der Gewinn stets entnommen werden kann, so dass auch eine erfolgreiche Gesellschaft arm bleibt, wenn man ihren Gewinn laufend abschöpft, was dazu führt, dass sie schon bei geringfügigen wirtschaftlichen Turbulenzen existentiell gefährdet ist. Die persönliche Haftung der Gesellschafter in den Fällen qualifizierter Unterkapitalisierung bietet hier ein nicht sonderlich effektives Gegengewicht. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass sich eine Rechtsordnung, die den gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz durch Kapitalschutz erheblich reduziert, zumindest im Wege der Rechtsprechung die Fälle der persönlichen Haftung der Gesellschafter ausbauen wird, auch wenn das eine Zeit lang dauern mag und auf dem Weg dorthin die Gläubiger vermehrt bluten werden.
Auch wenn sich von selbst versteht, dass das zwingende Gebot, die Gesellschaftsgründung von einem bestimmten Mindeststammkapital abhängig zu machen, keineswegs bedeutet, dass deshalb die Gesellschaft mit ausreichendem Kapital ausgestattet wäre, so stellt ein bestimmtes Mindeststammkapital immerhin ein gewisses Startkapital zur Vermeidung einer Startinsolvenz und insofern einen bescheidenen Haftungsfonds dar, vor allem aber fungiert das Mindeststammkapital als Marktzutrittsschwelle bzw Seriositätsschwelle, die wagemutige Mittellose davor abhalten soll, ihr ureigenstes Geschäftsrisiko vorweg auf jene abzuwälzen, die sich gutgläubig auf Geschäfte einlassen, die von einer mittellosen Gesellschaft bei geringster Irritierung nicht erfüllt werden können. Das Mindeststammkapital hat zugleich auch eine Warnfunktion, die den Gründern vor Augen führen soll, dass der Aufbau und Betrieb eines Unternehmens Geld kostet.
Wer die Mindeststammkapitalregel der Kapitalaufbringungsvorschriften des GmbH-Rechts zur Gänze abschafft oder auf einen sehr geringen Betrag reduziert, entzieht dem gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz eine seiner tragenden Säulen. Ein Mindeststammkapital von EUR 10.000, von dem lediglich EUR 5.000 eingezahlt zu werden brauchen, ist angesichts des Startkapitalbedarfes eines Unternehmens zu wenig, es wäre denn, das Unternehmen zehrt davon, dass die Gründer unternehmensbezogene Lasten vorerst selbst privat tragen oder sich dritte „Spender“ (zB Verwandte oder Freunde) finden.
In jenen Rechtsordnungen, die auf einen gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz nur geringen Wert legen, finden sich andere Schutzinstrumente, die nicht im Gesellschaftsrecht, sondern im Haftungsrecht, Insolvenzrecht und Strafrecht angesiedelt sind.[11]
Ein Gesetzgeber, der sich vom GmbH-rechtlichen Gläubigerschutz in erheblichem Maße verabschiedet, ist also gehalten, sich über andere Schutzinstrumente den Kopf zu zerbrechen. Tut er das nicht und demontiert er bloß den gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutz, leistet er nur halbe und zugleich schädliche Arbeit. Solche Begleitmaßnahmen sieht der vorgelegte MinEntw nicht vor.
Die Bedeutung des Mindeststammkapitals für den GmbH-rechtlichen Gläubigerschutz war dem österreichischen Gesetzgeber des Jahrs 1980 noch wohl bewusst. 1954 wurde das Mindeststammkapital mit ATS 100.000 festgesetzt. Das war damals viel Geld. Die laufende Geldentwertung machte die GmbH-Gründung zunehmend billiger. Dies veranlasste den Gesetzgeber 1980, das Mindeststammkapital auf ATS 500.000 zu erhöhen. Die offiziellen Gründe[12] dafür waren die gleichen, die heute für die Beibehaltung des Mindeststammkapitals bzw gegen seine radikale Herabsetzung ins Treffen geführt werden. Man war sich dessen bewusst, dass es weder Personen, die ein Unternehmen gründen wollen, noch der Wirtschaft insgesamt zum Vorteil gereicht, wenn praktisch vermögenslose Gesellschaften mbH gegründet werden können.
Was wird dessen ungeachtet (und vorerst losgelöst vom Aspekt der Abwehr ausländischer Billiggesellschaften) in den Erläuterungen zum vorgelegten MinEntw für die Herabsetzung des Mindeststammkapitals ins Treffen geführt?[13]
So wird gesagt: Das Mindeststammkapital von EUR 35.000 sei für solche Gesellschaften mbH zu hoch, deren Unternehmenszweck keine so hohe Kapitalausstattung erfordere;[14] dies sei insbesondere bei Dienstleistungsunternehmen der Fall.[15]
Dass ein kleines Unternehmen mit einem relativ geringen Startkapital (zB EUR 5.000)[16] das Auslangen finden kann, darf selbst dann bezweifelt werden, wenn es sich um ein Dienstleistungsunternehmen handelt. Auch ein solches Unternehmen benötigt ein (wenn auch kleines) Büro, für das (wenn es nicht zusätzlich als Sacheinlage, etwa als Nutzungsrecht des Gesellschafters eingebracht wird) Miete zu bezahlen ist; ferner ist eine Büroeinrichtung vonnöten (ein Arbeitsplatz mit der dazu gehörenden Einrichtung, ein Aktenschrank, ein Laptop, Telefon, etc); es fallen laufende Kosten für die Geschäftsführung, Energie- und Betriebskosten, Spesen- und Reisekosten udgl an. Von etwaigen Lohnkosten gar nicht zu reden. Auch ein reines Dienstleistungsunternehmen bedarf einer mitunter längeren Aufbauphase, in der es noch nichts verdient. Diese „Durststrecke“ ist idR mit EUR 5.000 nicht zu finanzieren. Nebenbei: Wer daheim in seiner Privatwohnung gewerblich tätig ist, wird idR Probleme mit seinem Mietvertrag haben, weil der Mietvertrag oft gewerbliche Tätigkeiten in der gemieteten Wohnung verbietet. Wem also kein gewinnbringender „Raketenstart“ gelingt (und wem gelingt das schon?), wird mit einem Startkapital von EUR 5.000 nicht weit kommen. Eine vermögenslose GmbH wird sich auch schwer tun, Kredite zu erhalten.
Dass kleine Dienstleistungsunternehmen, die ja alles andere als die eigentliche Zielgruppe des GmbH-Rechts sind, mit einem Startkapital von EUR 5.000 das Auslangen finden können, ist also kein überzeugendes Argument für eine allgemeine Absenkung des Mindeststammkapitals.
In den Materialien zum vorgelegten MinEntw wird weiters dargetan, dass dann, wenn auch Personen, die nur über ein Startkapital von EUR 5.000 verfügen, Gesellschaften mbH gründen können, zumindest 1.000 Gesellschaften mbH mehr als in den letzten drei Jahren neu ins Leben gerufen werden würden; es sei somit eine Steigerung von jährlich 8.000 auf 9.000 Gesellschaften mbH zu erwarten.[17]
Das ist ein eher befremdliches Argument. Lediglich um die Steigerung des jährlichen GmbH-Zuwachses kann es da ja wohl nicht gehen. Die GmbH ist in Österreich schon lange Zeit die mit Abstand beliebteste Gesellschaftsform. Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Zahl der Gesellschaften mbH in Zukunft auffallend verringern wird. Derzeit wächst sie trotz der bestehenden Gründungsvorschriften immer noch; allein in den letzten drei Jahren jährlich um 8.000. Und selbst wenn diese Zuwachsrate nicht auf Dauer zu halten wäre, läge darin noch lange kein Grund, darüber nachzudenken, durch welche Gründungserleichterungen man die Vermehrung der Gesellschaften mbH anheizen könnte. Ob eine Gesellschaftsform häufig oder seltener in Anspruch genommen wird, ist bei einer grundsätzlichen Akzeptanz kein Thema zur Kritik an den bestehenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Bislang ist noch niemand auf den Gedanken gekommen, man müsse die Gründung von Aktiengesellschaften, von denen es (im auffallenden Gegensatz zur GmbH) lediglich rd 1.900 gibt, dadurch ankurbeln, dass man das Mindestgrundkapital und die Gründungskosten senkt.
Es ist kein Anliegen des Gesellschaftsrechts, laufend die Zahl der Gesellschaften zu steigern. Der Gesetzgeber hat sich lediglich dort Gedanken zu machen, wo erkennbar ist, dass die Praxis eine bestimmte Gesellschaftsform nicht in Anspruch nimmt, so wie dies dereinst bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien der Fall war.[18] Bei der GmbH besteht angesichts einer jährlichen Zuwachsrate von rd 8.000 neuen Gesellschaften nicht der geringste Grund, über gesetzliche Maßnahmen nachzudenken, um eine Steigerung dieses Zuwachses zu erzielen.
Die Materialien führen überdies an, dass die Absenkung des bisherigen Mindeststammkapitals einem Bedürfnis der Wirtschaft entspreche.[19] Dass dem so wäre, wird seit geraumer Zeit von der Bundeswirtschaftskammer behauptet. Auch „der Wirtschaft“ kann es aber nicht lediglich darum gehen, die Zahl der Gesellschaften mbH zu vermehren. Für „die Wirtschaft“ interessant wäre lediglich, wenn durch die Gründungserleichterungen mehr Personen als bisher zu unternehmerischer Tätigkeit angeregt würden und damit erfolgreich wären.
Nun ist es gerade kleinen Unternehmern nicht verwehrt, ihr Glück als Einzelunternehmer zu versuchen. Dann ersparen sie sich alle Mehrausgaben, die mit der Gründung einer GmbH verbunden sind. Wer ausschließlich in der Rechtsform der GmbH selbständig tätig sein will, keinesfalls aber als Einzelunternehmer, erweckt den Eindruck, dass er auf jeden Fall eine persönliche Haftung vermeiden will. Sträubt er sich angesichts des derzeit erforderlichen Mindeststammkapitals, eine GmbH zu gründen, so will er offenbar nicht einmal jenes unternehmerische Risiko tragen, das ihm die GmbH-Gründung auferlegt. Das heißt: er will das unternehmerische Risiko so gut wie ausschließlich auf seine (künftigen) Geschäftspartner überwälzen. Man darf bezweifeln, dass es „für die Wirtschaft“ von Vorteil ist, Personen mit solchen „Startvorstellungen“ durch den Abbau der Marktzutrittschranken für Gesellschaften mbH entgegenzukommen.
Auch ist fraglich, ob die Wirtschaft umso mehr wächst, je billiger die Gründung einer GmbH ist. Die Wirtschaft wächst durch neue unternehmerische Ideen, Eigeninitiative und Leistungsfreude, doch ist zu all dem leider auch Kapital erforderlich. Fehlt es an Geld, verbessert sich diese Situation nicht allein dadurch, dass man auf möglichst billige Weise eine GmbH ins Leben rufen kann. Schon derzeit brechen viele Neugründungen in den ersten Jahren nicht zuletzt infolge Kapitalschwäche zusammen. Man darf getrost noch weit mehr GmbH-Insolvenzen als bisher erwarten, wenn man fortan für die Gründung einer GmbH nur mehr EUR 5.000 benötigt.
Nicht schon dadurch wird man zum erfolgreichen Unternehmer, dass man ohne eigenen nennenswerten Kapitaleinsatz eine GmbH gründet. Und es irrt, wer da glaubt, die Wirtschaft dadurch beleben zu können, dass die Seriositätsschwelle für den Marktzutritt der GmbH um mehr als zwei Drittel gesenkt wird. Das schwächt lediglich den Zweck der Seriositätsschwelle. Und am Ende werden noch mehr Gläubiger als bisher bluten, weil umso risikofreudiger agiert, wer dabei selbst nichts zu verlieren hat.
Überdies sollte es gerade der Interessenvertretung der gewerblichen Wirtschaft zu denken geben, dass es bereits angesichts der derzeit geltenden GmbH-Rechts zu beachtlichen Missbrauchsfällen gekommen ist und wohl immer noch kommt. Man denke an die über 2000 rechtsmissbräuchlich gegründeten Gesellschaften mbH, die vor allem im Bereich der Bauwirtschaft als Instrumente fragwürdigen Subunternehmertums dazu beitrugen, bestehende Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeitragspflichten zu missachten und sich, sobald sie diesbezüglich angegriffen wurden, de facto jedem Zugriff zu entziehen. Wenn derartige Praktiken heute schon möglich sind, kann man sich gut vorstellen, dass solche Vorgangsweisen eher zu- als abnehmen werden, sobald man eine GmbH noch billiger als heute gründen kann.
Diese Aspekte leiten zu einem weiteren Argument über, das – außerhalb der Materialien zum vorgelegten MinEntw – für eine Erleichterung der GmbH-Gründung ins Treffen geführt wird.
So wird dargetan, dass die GmbH-rechtlichen Kapitalaufbringungsvorschriften ohnehin nichts nützen, weil die Gründer das in die Gesellschaft einzuzahlende Geld oft gleich nach durchgeführter Gründung aus der Gesellschaft wieder abzögen. Man würde sich den erforderlichen Mindestbetrag vorerst bei der Bank ausborgen, auf das vom Geschäftsführer verwaltete Gesellschaftskonto einzahlen und die erforderliche Einzahlungsbestätigung vorlegen. Sobald über das eingezahlte Kapital namens der Gesellschaft verfügt werden kann, gibt die Gesellschaft dem Gesellschafter in Höhe des Eingezahlten zB ein Darlehen, das (um dem Verbot der Einlagenrückgewähr zu entsprechen) entsprechend verzinst wird. Die Gesellschaft bekommt weder das Darlehen jemals zurück, noch erhält es die Zinsen. So steht die Gesellschaft gleich nach der Gründung ohne jedes Kapital dar. Daher könne sich der Gesetzgeber die Vorschrift über das Mindeststammkapital letztlich sparen, weil oft davon ausgegangen werden kann, dass der Gesellschafter dieses Darlehen und die angelaufenen Zinsen nicht wieder zurückzahlen wird und im Konkursfall ein Rückgriff auf den Gesellschafter auch nichts bringen wird, weil dieser in der Zwischenzeit das entnommene Kapital ohnehin bereits unwiederbringlich verbraucht haben wird.
Auf diese Weise lässt sich freilich jedwedes Recht in Frage stellen. Auch der Gläubiger eines mittellosen Einzelunternehmers kann seinen Anspruch nicht durchsetzen, wenn der Einzelunternehmer nicht zahlt und insolvent wird. Der GmbH-Gesellschafter, der seinen Einzahlungspflichten nicht nachgekommen ist, haftet jedoch der Gesellschaft dafür und der Gesellschaftsgläubiger kann exekutionsweise auf den Anspruch der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter greifen. Die persönliche Haftung des GmbH-Gesellschafters für das einzuzahlende Stammkapital ist also jedenfalls gegeben. Immerhin. Wenn freilich gar kein oder bloß ein geringes Mindeststammkapital vorgeschrieben ist, fehlt es an einer solchen Haftung des Gesellschafters. Das schmälert auf gravierende Weise den gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz.
Dass das Mindeststammkapital ohnehin keinen ausreichenden Haftungsfonds und somit auch keinen effektiven Insolvenzschutz verschaffe und deshalb nicht vonnöten sei, ist kein relevanter Vorwurf. Denn um einen solchen Haftungsfonds geht es bei der Einrichtung des Mindeststammkapitals nicht. Eine Marktzutrittsschwelle, aber immerhin auch einen Damm gegen einen restlosen Gewinnabfluss bildet es allemal.[20]
Es besteht kein sachlich überzeugender Grund dafür, das derzeitige Mindeststammkapital der GmbH von EUR 35.000 auf EUR 10.000 abzusenken.
Sofern der Gesetzgeber dennoch diese vor allem zum Schutz der Gläubiger errichtete tragende Säule des kapitalgesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips auf gravierende Weise demontiert, sollte er den dadurch reduzierten Gläubigerschutz mithilfe anderer Schutzinstrumente wieder stärken. Diesbezügliche Regelungen hatten ministerielle Vorarbeiten durchaus enthalten.[21] Im MinEntw findet man sie leider nicht mehr.
Den Materialien zum vorgelegten MinEntw ist zu entnehmen, dass die Herabsetzung des Mindeststammkapitals insbesondere auch deshalb erforderlich sei, weil die Gefahr bestehe, dass ausländische Billiggesellschaften mbH ihren Verwaltungssitz in Österreich aufschlagen würden und auf diese Weise ein nicht entsprechend angepasstes österreichisches GmbH-Recht tendenziell an Bedeutung verlöre, weil auch österreichische Unternehmer das billigere ausländische Gesellschaftsrecht vorziehen und daher ausländische Billiggesellschaften mbH gründen würden.[22]
Die Erläuterungen zum vorgelegten MinEntw räumen allerdings selbst ein, dass es in Österreich nicht zu den vielfach befürchteten umfangreichen Gründungen insbesondere von britischen Limiteds gekommen ist.[23] Es zeigte sich jedoch bald, dass der Auftritt solcher Gesellschaften in Österreich weniger das Flair weltoffener Internationalität auslöste als vielmehr die Geschäftspartner zur Vorsicht im Umgang mit diesen Gesellschaften mahnte. Dazu kam, dass sich die erheblichen Beratungs- und Verwaltungskosten, die insbesondere im Registerland entstanden, die Attraktivität der „Billigkeit“ erheblich reduzierten. Die Gefahr, dass Limiteds die österreichische GmbH-Landschaft erheblich zu ändern drohen, ist bisher also nicht schlagend geworden.
Auch andere, billigere Gesellschaften mbH anderer Mitgliedstaaten sind bislang zu keiner Bedrohung für das österreichische Gesellschaftsrecht geworden.
Nicht einmal die deutsche Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) erweist sich als anziehend genug, um österreichische Unternehmer in hellen Scharen zu Gründern dieser deutschen „GmbH-light“ zu werden.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass in Deutschland das Mindeststammkapital immer noch – trotz des MoMiG – bei EUR 25.000 liegt. Deutschland hat sich von seiner bisherigen GmbH also nicht getrennt. Neben ihr wurde lediglich eine zweite Ausformung der GmbH geschaffen.
Die mit einem geringeren als dem Mindeststammkapital der eigentlichen GmbH gründbare „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ ist zwar günstiger zu haben als die geplante österreichische GmbH, doch sollte nicht übersehen werden, dass die „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ einer zwingenden Gewinnrücklagepflicht unterstellt ist, wobei diese Gewinnrücklage nur zur Kapitalerhöhung und zu Fällen der Verlustabdeckung zu verwenden ist. Der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ wohnt also durchaus die Tendenz inne, zu gegebener Zeit zu einer eigentlichen GmbH heranzuwachsen.
Der österreichische Gesetzesvorschlag unterscheidet sich somit erheblich von der deutschen Gesetzeslage. Er wandelt die GmbH generell in eine leichter gründbare um. Es wird also nicht zwischen der bisherigen GmbH, die fortgeführt würde, und der Sonderform einer „GmbH light“ unterschieden, sondern es soll generell nur mehr eine „leichtere GmbH“ geben.
Einen überzeugenden Grund für die generelle und durch kein Gegengewicht relativierte Herabsetzung des Mindeststammkapitals gibt es nicht.
Wenn man dessen ungeachtet nicht davon ablassen will, (werdenden) Unternehmern die Gründung einer GmbH zu erleichtern, so sollte man dennoch insofern das bisherige GmbH-Modell als das eigentlich wünschenswerte beibehalten und Vorkehrungen treffen, dass die fortan leichter gründbare GmbH im Laufe der Zeit ihr Mindeststammkapital anhebt. Eine grundsätzliche Orientierung am deutschen Modell wäre empfehlenswert. Man könnte auch den bereits erwähnten ministeriellen Vorentwurf zur Ergänzung des vorgelegten MinEntw heranziehen.
Erheblich größen Einfluss auf das österreichische GmbH-Recht wäre der Einfluss der Societas Privata Europaea (SPE). Die SPE, die – zumindest nach ihrer ursprünglichen Konzeption – lediglich ein Mindeststammkapital von einem Euro benötigen und auch sonst eine Reihe bemerkenswerter Besonderheiten aufweisen sollte, führt bislang zu heftigem Widerstand in einigen Mitgliedstaaten.[24] Inzwischen wurde der damalige Kommissionsvorschlag mehrfach bearbeitet; auch die neuen Anläufe haben bisher zu keinem abschließenden Ergebnis geführt.
Eine vorauseilende Anpassung des österreichischen GmbH-Rechts auf eine künftige SPE, deren endgültige Fassung noch gar nicht vorliegt, ist derzeit also unangebracht.
Daher ist dem Entschluss, vorerst von einer umfassenden GmbH-Reform abzusehen, beizupflichten. Die Frage ist nur, ob man nicht mit der derzeit ins Auge gefassten Novellierung zuwarten sollte.
Da die bisherigen „Bedrohungen“ durch sonstige Billiggesellschaften mbH aus dem Raum der Mitgliedstaaten bislang nicht schlagend wurden und die SPE noch nicht geschaffen wurde, erscheint es derzeit nicht erforderlich, die im vorliegenden MinEntw vorgesehene Herabsetzung des Mindeststammkapitals durchzuführen.
Der vorgelegte MinEntw berücksichtigt auch rechtspolitische Forderungen nach einer spürbaren Senkung der Gründungskosten. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Beibehaltung der Notariatsaktspflichtigkeit des Abschlusses und der Änderung des Gesellschaftsvertrages über eine GmbH. Damit ist die Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr mit Gesellschaften mbH angesprochen.
Es ist beifallswert, dass der vorgelegte MinEntw allen versuchten Einflussnahmen widerstanden hat, die darauf hinausliefen, das Erfordernis der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages durch einen Notariatsakt (§ 4 Abs 3 GmbHG) abzuschaffen. Die Ordnungsfragen einer Kapitalgesellschaft sind so komplex, dass es den Beteiligten in hohem Maße hilft, sie beim Abschluss eines GmbH-Vertrages nicht sich selbst bzw ihrem Gutdünken zu überlassen, ob sie rechtsberatende Unterstützung in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Das gilt allerdings auch für die Gründung einer möglichst einfachen „kleinen“ GmbH. Insofern ist richtig, dass es auch in solchen Fällen nicht genügen darf, sich einfach ein Vertragsformular aus dem Internet herunterzuladen und es dabei bewenden zu lassen. Vor allem bei einer Gesellschaftsgründung durch erfahrungslose Finanzschwache, die meinen, mit EUR 5.000 das Auslangen zu finden, ist es notwendig, dass ihnen einschlägig Rechtskundige beratend und erforderlichenfalls auch warnend zur Seite stehen.
Rechtsrat erlangt man freilich auch beim Anwalt; mitunter auch beim Steuerberater. Sofern der Gesetzgeber aber aus guten Gründen Wert darauf legt, das Zustandekommen des Gesellschaftsvertrages zwingend unter eine sachkundige Rechtskontrolle zu stellen, erscheint es gerechtfertigt, bei der bisherigen bewährten Regelung über die Notariatsaktspflichtigkeit zu bleiben. Eine rechtspolitische Diskussion darüber, ob man auch andere gleichwertige Formen der sachkundigen Rechtskontrolle des Vertragsabschlusses entwickeln und zulassen sollte, führe über das legistische Anliegen des vorgelegten MinEntw hinaus und würde grundlegende Diskussionen über die Zuweisung der Aufgaben, die den rechtsberatenden Berufen derzeit zukommen, auslösen.
Eine Verbilligung der Gründung wird bereits durch die Absenkung des Mindeststammkapitals erreicht, weil Notariats- und Rechtsanwaltstarife an der Höhe des Stammkapitals anknüpfen.
Es versteht sich von selbst, dass diese Tarifsenkung kein Motiv für die Verringerung des Mindeststammkapitals sein kann, sondern umgekehrt die Tarifsenkung eine automatische Konsequenz der Verringerung des Mindeststammkapitals ist, sozusagen ein „Kollateralvorteil“ für die Grün-der.
Da auch die Mindeststeuer gemäß § 24 Abs 4 KStG 1988 an die Mindesthöhe des Stammkapitals einer GmbH anknüpft, bewirkt die Absenkung des gesetzlichen Mindeststammkapitals auch eine Verringerung der diesbezüglichen Steuerlast. Der vorgelegte MinEntw sieht eine Einschleifregelung vor, die das Ziel verfolgt, den Unternehmern aus der unterjährigen Absenkung des gesetzlichen Mindeststammkapitals kein Nachteil erwachsen soll.
Zu begrüßen ist, dass in Hinkunft der Umstand, das eine neu gegründete GmbH im Firmenbuch eingetragen wurde, nur über die Ediktsdatei und nicht auch über die „Wiener Zeitung“ bekannt gemacht werden soll, wodurch eine weitere Reduktion der Gründungskosten erreicht wird.
Bei dieser Gelegenheit fragt sich allerdings, aus welchen Gründen nach wie vor andere Bekanntmachungen über die „Wiener Zeitung“ laufen müssen bzw welche sachlichen Gründe dafür sprechen, diesbezüglich die GmbH zu privilegieren.
Nur in Fällen der Gründung einer Einpersonen-GmbH mit einem unter EUR 35.000 liegenden Stammkapital wird die Möglichkeit vorgesehen, sich mit einer standardisierten Errichtungserklärung zufrieden zu geben, deren Verwendung eine weitere Tarifverbilligung mit sich bringt. Dieser Umstand wird potentielle Gründer dazu bewegen, das Mindestkapital unter der Grenze von EUR 35.000 zu halten und sich mit der „Mustersatzung“ zufrieden zu geben.
Die Förderung einer GmbH-Gründung mittels einer standardisierten Errichtungserklärung durch eine weitere Tarifverbilligung ist nicht unproblematisch.
Zum einen sollte nicht übersehen werden, dass insbesondere auch jenem, der die Einpersonen-GmbH unter Verwendung einer solchen „Mustersatzung“ gründen will, der rechtlichen Belehrung bedarf, weil die gesetzlichen Mindestinhalte einer solchen „Mustersatzung“ so manche gesellschaftsrechtliche Ordnungsfrage nicht beantwortet. Es wäre unverantwortlich, wollte sich der Notar in Fällen, in denen der potentielle Gründer darauf pocht, die billigste Gründungsvariante wählen zu wollen, vorweg jene weitere Rechtsbelehrung sparen. Der Notar ist vielmehr gerade in solchen Fällen gehalten, dem Interessenten vor Augen zu führen, welche gesellschaftsrechtlichen Nachteile es haben kann, wenn sich die Gründungserklärung ausschließlich auf die Regelungsgegenstände des § 4 Abs 1 GmbHG beschränkt.
So werden auch Gründer einer Einpersonen-GmbH nicht selten daran interessiert sein, eine Errichtungserklärung abzugeben, die ohne erhebliche neuerliche Änderungen eine Aufnahme weiterer Gesellschafter ermöglicht. Vielmehr wird in der Praxis idR die Erarbeitung einer „mehrgesellschaftertauglichen“ Errichtungserklärung verlangt. Diese ist aber nicht Gegenstand der im MinEntw vorgesehenen Tarifsenkung.
Darüber hinaus wird den Notar ganz allgemein angesichts des Anliegens des Interessenten, eine GmbH möglichst ohne Kapital zu gründen, auf die Notwendigkeit einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung und auf die Rechtsfolgen hinzuweisen haben, sollte diese ausreichende Eigenkapitalausstattung nicht vorliegen.
Die Rechtsberatung wird also angesichts des Strebens des Gesetzgebers, auch Personen, die über so gut wie kein Kapital verfügen, den Zugang zur GmbH zu eröffnen, in erheblichem Maße zunehmen. Diese Arbeit wird in so manchen Fällen dazu führen, den Interessenten von eben jenem Vorhaben wieder abzubringen, das anzustreben ohne die neue Gesetzeslage von vornherein gar nicht möglich gewesen wäre.
Die genannten Tarif- und Steuersenkungen kommen den Interessen potentieller GmbH-Gründer entgegen, haben aber gemessen an den sonst erforderlichen Investitionen, die mit einer GmbH-Gründung einhergehen, eher geringeres Gewicht. Der Anwendungsbereich standardisierter Errichtungserklärungen ist eng gezogen. Der Bedarf an Rechtsberatung wird angesichts kapitalschwacher und unerfahrener Gründer auch dann steigen, wenn nichts weiter als eine derart standardisierte Errichtungserklärung verlangt wird.
1. Der vorgelegte MinEntw sollte dem Grund nach nochmals überdacht und – sofern nicht überhaupt zurückgestellt – so doch ergänzt werden.
Angesichts der Vorgeschichte des MinEntw besteht wohl nur eine geringe Hoffnung, eine Ergänzung des Entwurfes zu erreichen, zumal diesbezügliche Überlegungen bereits in ministeriellen Vorarbeiten zur GmbH-Reform zu finden waren, enttäuschender Weise aber im nunmehrigen Entwurf fehlen, was darauf hindeutet, dass diese Ergänzungen inzwischen intern erörtert, schließlich aber doch verworfen und daher gestrichen wurden. Dieser Umstand spricht nicht gerade dafür, dass es gelingen wird, bereits Abgelehntes wieder zu beleben. Der Gesetzgeber sollte sich dennoch dazu durchringen, um das zu erfüllen, was bereits 2008 die Frau Bundesministerin Dr. Maria Berger aus guten Gründen angekündigt hat.
2. Die gravierende Herabsetzung des Mindeststammkapitals entbehrt einer sachlichen Rechtfertigung.
Es besteht kein überzeugender Grund für eine Herabsetzung des Mindeststammkapitals für Gesellschaften mbH.
Die angeführten Pro-Argumente halten einer näheren Prüfung nicht stand. Vielmehr sprechen nach wie vor all jene Gründe, die schon im Jahre 1980 zu einer erheblichen Anhebung des Mindeststammkapitals geführt haben, für deren Beibehaltung und dagegen, den Weg zurück in die Vergangenheit einzuschlagen.
Es ist befremdlich, wenn in einer Zeit, in der die Sensibilität gegenüber fragwürdigen Verhaltensweisen im Wirtschaftsleben in einer bisher kaum dagewesenen Weise zunimmt (erhebliche Verschärfung der Gesetze, Corporate Governance, Compliance), der Gesetzgeber zugleich die Tore zum Missbrauch der Rechtsform der GmbH weit öffnet, zumal gerade in den letzten Jahren gerade der Missbrauch der GmbH spürbar zugenommen hat.
3. Ausländische Gesellschaften mbH mit geringem oder keinem Mindeststammkapital bedrohen die derzeitige österreichische GmbH nicht.
Auch angesichts des derzeitigen GmbH-rechtlichen Umfelds der Mitgliedstaaten sind die ins Auge gefassten Maßnahmen nicht erforderlich. Die Effektivität des österreichischen GmbH-Rechts ist derzeit nicht durch aus Mitgliedländern einwandernde Gesellschaften mbH bedroht.
4. Die künftige Societas Privata Europaea bedroht die derzeitige österreichische GmbH noch nicht; ihre Schaffung sollte abgewartet und dann Anlass einer umfassenden österreichischen GmbH-Reform werden.
Von erheblichem Einfluss kann in Zukunft die Schaffung einer SPE insbesondere dann werden, wenn sie auch im ausschließlich nationalen Bereich einsetzbar sein sollte. Die SPE gibt es aber noch nicht.
Daher erscheint es derzeit empfehlenswert, die Schaffung der SPE abzuwarten und im Zuge ihrer Einführung auch eine grundlegende Reform des GmbH-Rechts ins Auge zu fassen. Diesbezügliche Vorarbeiten könnten bereits jetzt unter Zugrundelegung bereits vorliegender Untersuchungen ins Auge gefasst werden.
5. Selbst wenn das Mindeststammkapital herabgesetzt werden sollte, empfiehlt sich, das bisherige Mindeststammkapital als „Ansparungsziel“ aufrecht zu erhalten.
Da nicht zu erwarten ist, dass der Gesetzgeber sich von seinem derzeitigen Vorhaben abbringen lässt, sollte der vorgelegte MinEntw – dem deutschen Modell der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ folgend – dahingehend ergänzt werden, dass die bisherige GmbH mit dem Mindeststammkapital von EUR 35.000 (oder zumindest – dem deutschen Beispiel folgend – ein Mindeststammkapital von EUR 25.000) nach wie vor als das eigentlich anzustrebende Modell beibehalten und lediglich die Gründung erleichtert wird.
6. Gewinnrücklagen als „Ansparungsweg“ zur Erreichung des höheren Mindeststammkapitals.
Die Gründung der GmbH soll zwar mit einem erheblich geringeren Mindeststammkapital möglich sein (wobei man zwar bei den vorgeschlagenen EUR 10.000 bleiben kann, diese jedoch voll einzuzahlen wären), doch sollte durch laufende Rücklagen eines Teiles des von der GmbH erwirtschafteten Gewinnes eine Anhebung des Eigenkapitals der Gesellschaft auf EUR 35.000 (oder zumindest EUR 25.000, um mit Deutschland gleichzuziehen) erreicht werden.
Der Gesetzgeber sollte sich diesbezüglich am deutschen Beispiel der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ bzw an den einschlägigen ministeriellen Vorarbeiten orientieren.
7. Kapitalerhöhung auf EUR 35.000.
Das auf die genannte Art angesparte Eigenkapital von EUR 35.000 (oder zumindest EUR 25.000) sollte zu einer entsprechenden Erhöhung des Stammkapitals führen.
Diese Kapitalerhöhung könnte im Hinblick auf Tarife, Gebühren und sonstige Kosten privilegiert werden.
8. Keine Herabsetzung höheren Stammkapitals auf EUR 10.000.
Einer derartigen Regelung entspräche auch, die Möglichkeit auszuschließen, höheres Stammkapital auf EUR 10.000 herabzusetzen. Bezüglich einer Kapitalherabsetzung sollte also auch in Zukunft der Betrag von EUR 35.000 (oder zumindest EUR 25.000) die Untergrenze bilden.
Die gegenläufige Möglichkeit des vorgelegten MinEntw, auch bereits bestehenden Gesellschaften mbH die Kapitalherabsetzung auf EUR 10.000 zu ermöglichen, ist geeignet, das Standing der GmbH erheblich zu schwächen. Wenn die Meinung vorherrscht, dass einem Verbot der Kapitalherabsetzung verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstünden, so bietet sich stattdessen der hier vorgeschlagene Weg an, trotz erheblich billigerer Gründung den gewinnbringenden Gesellschaften mbH die sukzessive Ansparung auf das bisherige Mindeststammkapital vorzuschreiben.
9. Eigene Bezeichnung jener Gesellschaften mbH, die mit einem Mindeststammkapital von EUR 10.000 starten.
Überdies wäre es dem Rechtsverkehr dienlich, Gesellschaften mbH, die sich mit dem Mindestkapital von EUR 10.000 begnügen, durch einen besonderen Rechtsformzusatz zu kennzeichnen. Dritte sollten leicht erkennen können, dass sie es mit einer auffallend „kleinen“ GmbH zu tun haben. Man könnte solche Gesellschaften mbH zB „Start-GmbH“ (oder sonst wie) nennen.
10. Kein Einwand besteht gegen die Verbilligung von Tarifen, Gebühren und Steuern sowie gegen die Streichung der Pflicht zur Bekanntmachung in der „Wiener Zeitung“.
Wien, am 19.04.2013
Em. o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Krejci e.h.
[1] BMJ-Z10.010/0003-I 3/2013.
[2] BMJ-Z 10.010/0003-I 3/2013, Seite 4: „Falls…keine Stellungnahme einlangt, wird angenommen werden, dass keine Bedenken gegen den Entwurf bestehen“.
[3] Auch wenn ich mir schon im Editorial der GES 2013/3, 113 einige kritische Anmerkungen erlaubt habe.
[4] An umfassenden Anregungen für eine Kapitalgesellschaftsrechtsreform, insbesondere für eine GmbH-Reform fehlt es nicht; vgl nur Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 16. ÖJT 2006, Bd II/1.
[5] Vgl Bachner (Hrsg), GmbH-Reform. Erleichterte Gründung Gläubigerschutz Insolvenzprophylaxe (2008); vgl auch Krejci, Gegen Billiggesellschaften mbH – Zur Reformdiskussion über Gründungserleichterungen, ÖZW 2008, 39 ff.
[6] Berger, Grußworte der Frau Bundesministerin für Justiz, in Bachner aaO, 7 (8).
[7] Berger, aaO, 8.
[8] Vgl insb EuGH Rs C-212/97 (Centros), Slg 1999, I-01-1459; Rs C-208/00 (Überseering), Slg 2002, I-09919; Rs C-167/01 (Inspire Art), Slg 2003, I-10155; Rs C-210/06 (Cartesio), Slg 2008, I-09641.
[9] Dh abgesehen von den Ausnahmefällen der Durchgriffshaftung: qualifizierte Unterkapitalisierung, Vermögens- und Sphärenvermischung, Instituts- und Rechtsformmissbrauch, existenzvernichtender Eingriff, faktische Geschäftsführung, sonstiges gesetzwidriges Verhalten, das persönliche Haftpflichten des Handelnden auslöst.
[10] Zu den Kapitalaufbringungsvorschriften zählen insb das Gebot der Einbringung eines Mindestkapitals schon vor Entstehen der Gesellschaft, das Gebot der Bewertungskontrolle bei Sacheinlagen, das Verbot der Einlagenverzinsung, der Leistungsbefreiung und der Kompensation; zu den Kapitalerhaltungsvorschriften zählen das Verbot der Einlagenrückgewähr und Vermögensentnahme, das grundsätzliche Verbot des Erwerbes eigener Anteile durch die Gesellschaft, dem Gläubigerschutz dienende Beschränkungen im Falle der Kapitalherabsetzung sowie Maßnahmen für den Fall des Verlustes des halben Mindestkapitals sowie das Eigenkapitalersatzrecht. Was für Kapitalgesellschaften gilt, findet sich lediglich in abgeschwächter Form im Genossenschaftsrecht, bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, Sparkassen, Privatstiftungen und Stiftungen nach dem BSFG und bei ideellen Vereinen.
[11] Dazu zB Bachner, Die GmbH ohne Mindeststammkapital als Rezeption der Limited – Begleitmaßnahmen und Grenzen, in Bachner (Hrsg), GmbH-Reform 79 ff; vgl auch Krejci, Ein Käfig für den Tiger – Gesellschaftsrechtsreform und Gründungstheorie, FS Ruppe (2007), 314 ff,
[12] Peter Doralt in Bachner (Hrsg), GmbH-Reform 135 verweist in diesem Zusammenhang auch auf andere rechtspolitische Hintergründe, die mit dem Scheitern des Versuches des damaligen Finanzministers zusammenhingen, eine Mindeststeuerbemessungsgrundlage für Gesellschaften mbH in Höhe von ATS 1 Mo durchzusetzen, was am Widerstand des VfGH scheiterte; vgl VfGH 26.01.1978, G 67, 68/77, ÖStZB 1978, 62. Die Durchsetzung der Erhöhung des Mindeststammkapitals auf ATS 500.000 kann als Reaktion auf dieses erste Bemühen, dem Fiskus mehr Geld zu verschaffen, gesehen werden. Derlei steuerpolitische Hintergründe, die aber zugleich zeigen, dass auch der Fiskus ein entsprechendes Mindestvermögen einer wirtschaftstauglichen GmbH – trotz des damals niedrigen Mindeststammkapitals – für erforderlich erachtete, ändern aber nichts an der Plausibilität der offiziellen Begründung für die Anhebung des Mindeststammkapitals im Jahre 1980. So betonte der Abgeordnete zum NR Dr Walter Hauser (ÖVP): „500.000 Schilliing erscheint auch uns als ein Zeiterfordernis für solid fundierte Gesellschaften mbH.“ Sten Prot NR XV. GP, 42. Sitzung S 4132/4133.
[13] Allgemein zu den Argumenten gegen die Beibehaltung eines Mindeststammkapitals vgl Koppensteiner, Kapital und Kapitalaufbringung bei der GmbH aus rechtspolitischer Sicht, in Bachner (Hrsg), GmbH-Reform 97 (98) im Anschluss an Rüffler, GeS 2005, 140 (145).
[14] MinEntw S. 2.
[15] MinEntw S. 9 und 10.
[16] MinEntw S. 4.
[17] MinEntw S. 4.
[18] Die KGaA wurde durch das AktG 1965 wegen mangelnden Bedarfes abgeschafft.
[19] MinEntw S. 10.
[20] IdS auch Rüffler in Bachner, GmbH-Reform 152.
[21] Vgl dazu Krejci, Neuere Entwicklungen im österreichischen Gesellschaftsrecht - speziell zur GmbH- und GesBR-Reform, FS Jud (2012) 377 (
[22] Vgl idS MinEntw S. 9 f.
[23] MinEntw S. 9 f.
[24] Vgl zur ursprünglich vorgeschlagenen SPE ausführlich Krejci, Societas Privata Europaea – SPE. Zum Kommissionsvorschlag einer Europäischen Privatgesellschaft (2008).