Österreichische
Arbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation (ÖAR)
Dachorganisation der
Behindertenverbände Österreichs

Dr. Christina Meierschitz · DW 119

E-Mail: ch.meierschitz@oear.or.at

 

 

 

 

 

Stellungnahme der

Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs,

zu den Entwürfen der Bundesgesetze,

mit dem das Hochschulgesetz 2005

und mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das

Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz

geändert werden.

BMWF-52.220/0002-I/6b/2013

BMUKK-13.480/0006-III/13/2012

 

 

Die ÖAR erlaubt sich, zu den oben angeführten Entwürfen folgende Stellungnahme abzugeben:

Nachdem es sich bei den vorliegenden Gesetzen um ein gesamtes Maßnahmenpaket handelt und die Anmerkungen sowohl das Hochschulgesetz als auch das Universitätsgesetz gleichermaßen betreffen, wird eine gemeinsame Stellungnahme für beide Gesetzesänderungen erstellt und an beide Ministerien übermittelt werden.

Grundsätzlich begrüßt die ÖAR die Bemühungen des BMUKK und des BMWF sehr, eine einheitliche und qualitativ hochwertige Ausbildung für Pädagoginnen und Pädagogen zu sichern, sowie eine Grundlage für inklusive Bildungsangebote für alle Menschen zu schaffen.

Bereits die Vorarbeiten zu den Gesetzesentwürfen haben große Hoffnungen geweckt, dem Ziel in absehbarer Zeit näher kommen zu können, Kindern mit Behinderungen Bildung gemeinsam mit nicht behinderten Kindern in allen Bildungsbereichen zu ermöglichen.

Die vorliegenden Gesetzesentwürfe werden jedoch in einigen Punkten dem Konzept der im Vorfeld tätigen Expertengruppen, zumindest in den Bereichen einer inklusiven Pädagogik im Sinne der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, nicht gerecht.

So wird im Expertenpapier festgehalten, dass

Inklusive Pädagogik als zu entwickelndes Lehr- und Forschungsgebiet Erkenntnisse der bisher getrennten Fachgebiete Sonderpädagogik, Integrationspädagogik, Interkulturelle Pädagogik, gendergerechte Pädagogik und Hochbegabtenförderung zur Absicherung der Heterogenität in einem inklusiven Bildungssystem vereint, transferiert und entwickelt.“

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK), von Österreich 2008 ratifiziert, bestimmt, dass alle Kinder das Recht auf inklusive Bildung haben, d.h. in Schulen und Bildungsorten gemeinsam mit nicht behinderten Kindern unterrichtet zu werden. Daraus folgt, dass alle Pädagoginnen und Pädagogen jedenfalls mit den wesentlichen Grundzügen der inklusiven Bildung für Menschen mit Behinderungen vertraut sein müssen.

Die Anforderungen an die Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen im Elementar-, Primar-, und Sekundarbereich gemäß Ministerratsbeschluss und § 38 Abs. 2a HG definieren inklusive Pädagogik lediglich als eine mögliche Schwerpunktausbildung, also als Wahlmöglichkeit. Es ist jedoch unabdingbar, die verpflichtende Vermittlung inklusiver Kompetenzen in allen Studiengängen und Ausbildungsbereichen, sowohl an den Hochschulen als auch an den Universitäten, zu verankern. Inklusive Pädagogik ist in der Grundausbildung als Pflichtfach vorzusehen. Der Plan, das Sonderschullehramt abzuschaffen wird von der ÖAR begrüßt, da damit den Grundsätzen der UN-BRK entsprochen wird. Es ist jedoch sicherzustellen, dass die notwendige Spezialisierung im Bereich inklusive Pädagogik umfassend angeboten und in weiterer Folge vorhanden ist.

Ausdrücklich begrüßt wird, dass durch eine Änderung der Zulassungsbedingungen in Hinkunft die Ausbildung zu pädagogischen Berufen und somit auch die Möglichkeit, einen solchen Beruf auszuüben, für Menschen mit Behinderungen offenstehen wird. Dies geht ganz klar aus den Bestimmungen des Hochschulgesetzes hervor. Ähnliche oder gleichlautende Bestimmungen werden im  Universitätsgesetz vermisst. Die ÖAR ersucht daher, die Formulierung - wie sie dazu in den Erläuterungen zum HG erfolgt ist - auch in die Erläuterungen zu den Bestimmungen bezüglich der Zulassungsvoraussetzungen im UG in dieser Klarheit zu übernehmen.

Ausdrücklich begrüßt werden die Bestimmungen in § 42 Abs. 1b Hochschulgesetz wodurch die Möglichkeit eingeräumt wird, individuelle Curricula mit vom Standardcurriculum abweichenden Lehrveranstaltungen oder Modulen sowie abweichenden Prüfungsmethoden für Studierende mit Behinderungen vorzusehen. Bedauerlicherweise sind ebenbürtige Bestimmungen im Universitätsgesetz nicht zu finden.

Laut Pressemeldung des BMUKK und des BMWF soll die „PädagogInnenbildung NEU“, die Aus- und Weiterbildung aller Menschen umfassen, die in pädagogischen Berufen tätig sind.

Inklusion und Bildung muss jedenfalls bereits vor Schulantritt beginnen. Der Kindergarten ist als erste Bildungseinrichtung zu betrachten. Daher ist auch sicherzustellen, dass die Ausbildung von Elementar- und FrühpädagogInnen im selben Ausmaß qualitätsgesichert den Ansprüchen einer inklusiven Förderung von Kindern, mit und ohne Behinderung entspricht.

Es ist also vor allem auch im Sinne von Art 4 UN-BRK festzuschreiben, dass die Ausbildung jeder Pädagogin und jedes Pädagogen und dazu zählen auch Elementar- und FrühpädagogInnen, im Umgang und in der Ausbildung von Kindern mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen vertraut gemacht und geschult werden.

Die Prüfungstätigkeit des Qualitätssicherungsrates muss auch Aspekte der inklusiven Bildung umfassen. Denn nur unter diesen Voraussetzungen sollen Lehramtsstudien der Universitäten und der Pädagogischen Hochschulen künftig eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln erhalten dürfen. Daher wird angeregt, Expertenwissen aus dem Bereich der Menschen mit Behinderungen in die Prüfungs- und Überwachungsaufgaben, so auch in die Erstellung der Stellungnahmen des Qualitätssicherungsrates, verpflichtend mit einfließen zu lassen.

Wunschgemäß wurde diese Stellungnahme auch elektronisch an das Präsidium des Nationalrates übermittelt.

Die ÖAR ist mit der Veröffentlichung ihrer Stellungnahme ausdrücklich einverstanden.

 

Wien, am 30.4.2013