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An die Parlamentsdirektion

1017 Wien                                                                                                                     28.05.2013

 

                                                                                                                                         

 

Betrifft: Stellungnahme SPG-Novelle 2013

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Namen des Vereins Wiener Frauenhäuser und im Auftrag des Frauenhauses Graz möchte ich folgende Stellungnahme zur geplanten SPG-Novelle 2013 übermitteln:

Der vorliegende Entwurf zielt darauf ab, unmündige Minderjährige durch sicherheitspolizeiliche Maßnahmen mehr Schutz vor Gewalt in der Familie zu geben. Derzeit ist es möglich, den gefährdenden Elternteil aus der Wohnung wegzuweisen und ein Betretungsverbot zu verhängen. Nunmehr soll dies auch für betroffene unmündige Minderjährige auf Schulen und Kindergärten ausgeweitet werden.

 

§38 a (1) 2. b)

Der Schutz von Kindern ist natürlich immer prioritär zu sehen. Doch eine Regelung die Minderjährigen zu Hause und in der Schule, nicht aber am Weg dazwischen schützt, scheint doch etwas kurz gegriffen. Auch am Fußballplatz oder bei den Großeltern gilt dieser Schutz nicht. Im Übrigen gibt es Schulgelände oder Kindergartenareale, die größer als 50 Meter sind und es ist auch nicht nachvollziehbar warum Kinder über 14 Jahren nicht entsprechend geschützt werden.

Die in den Erläuterungen angeführte Argumentation der faktischen Notwendigkeit für gefährdete Minderjährige eine solche Einrichtung zu besuchen, ist in sich nicht schlüssig, da das Kind auch den Weg hin und zurück machen muss und auch ein 15 jähriger Lehrling nicht einfach dem Lehrplatz fern bleiben kann.

Besonders irritierend ist, dass der gefährdende Elternteil das Kind z. B. 60 m von der Schule entfernt abpassen und wohin auch immer verbringen kann (auch ins Ausland!), da zu diesem Zeitpunkt viele der gefährdenden Elternteile noch die (gemeinsame) Obsorge für die gefährdeten Kinder haben. Rein rechtlich könnte die Polizei in dem Fall das Kind nicht einmal wieder nach Hause zurückbringen.

So gut die Intention des vorliegenden Entwurfs ist, für die Sicherheit der Kinder, speziell, wenn diese höchst gefährdet sind, erscheint er nicht weitgreifend genug zu sein.

Wenn Kinder sehr gefährdet sind, ist es sicherer, dass sie einige Tage die Schule oder den Kindergarten nicht besuchen und das Zuhause erst verlassen, wenn sich die Situation etwas beruhigt hat und es z. B.  ein gerichtliches Kontaktverbot gibt, das die Betroffenen überall schützt, nicht nur im Schulgebäude (Kindergarten). Begleitend dazu müsste es Einrichtungen geben, die die gefährdende Person im Sinne der Täterarbeit aufsuchen um deeskalierende Maßnahmen zu setzen. Täterarbeit ist eine unerlässliche Säule des Opferschutzes, in Österreich wird Täterarbeit aber leider nicht ausreichend finanziert.

§38a (4) 2.

Die Information der Kinder- und Jugendhilfeträger begrüßen wir sehr.

(5) auch die Sorgfaltspflicht in der Dokumentation in Bezug auf die Gefährdung von Kindern begrüßen wir sehr.

§56 (1) 8.

In den meisten österreichischen Schulen und Kindergärten gibt es keine Eintrittskontrolle, dass schulfremde Personen Schulen letztendlich einfach betreten können, ist eher die Regel, als die Ausnahme.

Oft sind Eltern in den Einrichtungen nicht einmal persönlich bekannt. Wie es also zu einer in den Erläuterungen unter Z 2 (§35 Abs.1 Z8) angeführten raschen Identifizierung des Gefährders kommen soll, ist unklar.

Wenn die/ der LeiterIn einer Einrichtung unter solchen Rahmenbedingungen nun  über eine Gefährdung eines Kindes  informiert wird, sind die Möglichkeiten den Schutz dieses Kindes zu gewähren, gering. Die wahrscheinlich naheliegendste Maßnahme  ist, dass möglichst viele Menschen „die Augen offen halten“. Es steht daher zu befürchten, dass sehr viele Personen, die an der Schule tätig sind, informiert werden. Hier sehen wir ein großes datenschutzrechtliches Problem.  Es ist unserer Meinung nach sehr fragwürdig, ob hier noch der Überblick bewahrt werden kann, wer welche Information weitergeben darf und ob es nicht letztendlich zu einer – ungewollten - Stigmatisierung des betroffenen Kindes in der Betreuungseinrichtung kommt. Was, wenn andere Eltern durch eine Unbedachtheit Kenntnis über die Gefährdung eines Kindes erlangen und dann den Ausschluss des betroffenen Kindes fordern, um ihr eigenes Kind zu schützen? 

Etwas widersprüchlich scheint auch, dass nur der Name des Gefährders und der des unmündigen Kindes an die Betreuungseinrichtungen weitergegeben werden sollen, dies allerdings mündlich durch die Polizei. Wird damit nicht indirekt intendiert, dass doch weit mehr Information über die Situation der Familie von der Polizei an die Leitung gegeben wird? Um geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu erörtern, wird dies letztendlich im Sinne des Schutzes des Kindes unvermeidbar sein.

Wir hegen grundsätzlich Zweifel, ob ein Elternteil, der sich zu der unfassbaren Tat sein Kind zu töten (zu verletzen, zu entführen) entschlossen hat, sich von einem Betretungsverbot abhalten lässt. Und der Anlass für diesen Gesetzesentwurf war ja die Tötung eines Kindes in einer Schule.

Das Argument Kinderschutz über alles, auch über den Datenschutz zu stellen, ist grundsätzlich richtig. Wenn aber berechtigte Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Maßnahme bestehen, sollte doch in Ruhe darüber nachgedacht werden, wie der Datenschutz bei Gewalt in der Familie gewahrt bleiben kann und Stigmatisierungen der Betroffenen verhindert werden können. Dazu findet sich leider nichts in dem vorliegenden Entwurf.

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist unzweifelhaft eine der wichtigsten Aufgaben einer funktionierenden Gesellschaft. Der Entwurf zeigt aber deutliche Lücken, die es noch zu diskutieren und zu überlegen gilt.

 

 

Andrea Brem

Geschäftsführerin Verein Wiener Frauenhäuser

 

i.A.

Michaela Gosch

Geschäftsführerin Grazer Frauenhaus