An das

Bundesministerium für inneres

Abteilung III/1 – Legistik

Herrengasse 7

1014 Wien                                                                                                                        Wien, 29.05.2013

 

 

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden (SPG-Novelle 2013); Begutachtung; Stellungnahme

 

Zum obigen Gesetzesentwurf erlauben wir uns wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie begrüßt den vorliegenden Gesetzesentwurf ausdrücklich. Der Schutz von Kindern vor Gewalt durch die Ausweitung des polizeilichen Betretungsverbotes auf Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen ist eine wichtige Weiterentwicklung der österreichischen Gesetze zum Schutz vor Gewalt.  Damit wird auch die Beschränkung des polizeilichen Schutzes auf den Wohnort überwunden und es erfolgt eine Anpassung an die gerichtliche Einstweilige Schutzverfügung, die u.a. auch für Schule und Kinderbetreuungseinrichtungen gelten kann. Dies entspricht der Lebensrealität der Opfer, die sich nicht „zu Hause einsperren“ können, sondern weiterhin ihre Verpflichtungen nachgehen müssen; dazu gehört der Schulbesuch.

 

Wir begrüßen auch ausdrücklich die Möglichkeit einer raschen Reaktion auf Übertretungen von zivilrechtlichen Einstweiligen Verfügungen durch die Schaffung eine Verwaltungs-übertretung.

 

Die Wiener Interventionsstelle unterstützt die bereits übermittelte Stellungnahme der Gewaltschutzzentren Kärnten, Niederösterreich, Burgenland und Salzburg.

 

Darüber hinaus  möchten wir noch zu folgenden Punkten Stellung nehmen:

 

Problem der Einschränkung auf unmündige Minderjährige

 

§  38a Abs. 2 

 

Zur Einschränkung des Schutzes auf unmündige Minderjährige möchten wir Folgendes zu bedenken geben:  

Auch wenn keine Schulplicht mehr besteht, ist es für die Entwicklung von Kindern und Jugendliche wichtig, dass sie weiter in die Schule gehen können und dort  vor Gewalt geschützt sind.  Auch einem Fünfzehnjährigen sollte es nicht zugemutet werden, sich vor einem gewalttätigen Elternteil, der ihm bei der Schule auflauert, selbst schützen zu müssen. Die UN Kinderrechtskonvention, die Kindern Schutz vor jeder Form der Gewalt garantiert, umfasst alle Minderjährigen. Daher soll das polizeiliche Betretungsverbot bei Schulen für alle Minderjährige gelten. 

 

Die automatische Meldung an LeiterInnen der pädagogischen Einrichtungen (§ 56 Ans 1 Z 8) könnte auf unmündige Minderjährige beschränkt bleiben.

 

 

§ 38a Abs 1  Z2 und Abs 2 Z 1

 

Fragliche Praktikabilität betreffend  die fünfzig Meter Grenze

 

In der Praxis kann es hier zu Schwierigkeiten in der Umsetzung kommen, denn es stellt sich die Frage, wie es einem Gefährder möglich sein soll, die 50 Meter Grenze einzuhalten.

Daher schlagen wir vor, dass das bisherige, gut funktionierende Prinzip, nämlich dass der Bereich nach Maßgabe eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen ist, angewendet wird.

 

Konkreter Vorschlag:

Im Abs 1  Z2 sollte nach Kinderbetreuungseinrichtung der Passus „samt eines Bereiches um Umkreis von fünfzig Metern“ geändert werden in „und deren unmittelbare Umgebung“. 

 

Im Absatz 2 Z 1 sollte nach „nach Abs. 1 Z 1 „ Z 2 „ ergänzt werden.

 

In den Erläuterungen sollte festgehalten werden, dass der Schutz die Umgebung des jeweiligen Ortes bis zu einem öffentlichen Verkehrsmittel umfasst, damit Kinder sicher in Schule oder  Kinderbetreuungseinrichtung kommen. Denkbar ist auch, dass der Schutz einen Block um die Schule umfasst,  also die jeweiligen Seitenstraßen an allen Seiten der Schule beinhaltet. Diese Varianten wären leichter einzuhalten und zu überprüfen.

 

 

Überlegungen zur geplanten Checkliste

 

Die Einführung einer Checkliste ist zu begrüßen, es muss dabei jedoch darauf Bedacht genommen werden, dass  ja auch jetzt schon  eine Gefahreneinschätzung zur Abklärung der wichtigsten Gefahrenfaktoren erfolgt und dass diese sehr gut funktioniert.

 

Zu ergänzen wären unbedingt  Fragen nach  der Gefährdung der einzelnen Kinder, um auszuschließen, dass mögliche Gefährdungen, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind, übersehen werden.

 

DRINGEND warnen möchten wir vor einer zu detaillierten Checkliste, die womöglich zu einer Verzögerung der raschen Verhängung des Betretungsverbotes führt und damit den Sicherheitsstandard, der jetzt besteht, verschlechtert.  Sehr problematisch wäre auch, wenn es aufgrund einer langen Prozedur zu einer Verringerung der Anzahl der verhängten polizeilichen Betretungsverbote kommt. Eine polizeiliche Sofortmaßnahme zum Schutz von gefährdeten Personen in einer akuten Situation kann und darf keine psychologische Erhebung sein.  Auch sollten Opfer in der Akutsituation nicht überstrapaziert  und womöglich re-traumatisiert werden. Daher ist vor einer extensiven Ausweitung der Checkliste zu warnen.

 

 

Lehren aus dem Fall St Pölten – Opferschutzeinrichtungen über mit betroffene Kinder informieren

 

Der Anlassfall für die vorliegende Gesetzesnovelle ist der schreckliche Fall der Ermordung des kleinen Berk in St. Pölten vor einem Jahr. Von der Gewalt gegen die Mutter waren in diesem Fall wie so oft auch die Kinder mit betroffen. Die Gewalt gegen die Kinder kann, wie der Fall Berk zeigt, ebenso eskaliere, vor allem wenn Opfer versuchen, sich vom Gefährder zu trennen oder wenn sie rechtliche Schritte unternehmen.

 

Es ist sehr wichtig, dass Interventionsstellen und Gewaltschutzzentren auch über mit -betroffenen Kinder informiert werden, um möglichst rasch abzuklären zu können, was zu ihrem Schutz werden kann.

 

Daher regen wir dringend an, den bisherigen § 56 Abs 3 SPG zu ergänzen (vorgeschlagene Ergänzung fett gedruckt):

„an geeignete Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs. 3), soweit dies zum Schutz gefährdeter Menschen erforderlich ist, wobei personenbezogene Daten nur zu Gefährder,  und, gefährdeten Personen und mit betroffenen Minderjährigen sowie die Dokumentation (§ 38a Abs. 5) zu übermitteln sind;

 

 

Evaluation der Maßnahmenerfordert statistische Daten

 

 Schließlich möchten wir auch noch festhalten, dass für eine Evaluation von Schutzmaßnahmen die regelmäßige (jährlich) Erstellung von Statistiken erforderlich ist. Statistiken sollten sowohl über die polizeiliche Wegweisung als auch über zivilrechtliche Einsteiligen Schutzverfügungen zur Verfügung stehen.

 

Als Mindeststandards sollten die Empfehlungen der neuen Konvention des Europarates zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und familiärer Gewalt angewendet werden.

 

Statistiken sollten folgende Zahlen enthalten:

 

Zahl der

-         Polizeilichen Einsätze Gewalt in der Familie insgesamt

-         Streitschlichtungen

-         Betretungsverbote

-         Schutzbereiche von Betretungsverboten

-         Übertretungen von Betretungsverboten

-         Aufhebung von Betretungsverboten

 

Zahl der

-         Anträge auf Einstweilige Verfügungen (EV) nach § 382b, 382e  und 382g

-         Erlassene EVs nach § 382b, 382e  und 382g

-         Übertretungen und Ahndungen von EVs.

Alle Daten sollen weiter aufgeschlüsselt sein nach:

-         Alter und Geschlecht Gefährder/Täter

-         Alter und Geschlecht Gefährdete/Opfer

-         Art der Gewalt

-         Beziehungsverhältnis vom Täter zum Opfer

-         Ort der Gewalt

Es sollte auch  möglich sein, diese Kriterien miteinander zu verknüpfen um z.B. die folgenden Frage beantworten zu können:

„Wie viele minderjährige Buben und wie viele Mädchen erhielten 2014 Schutz durch ein polizeiliches Betretungsverbot?“

Durch wen ist die Gefährdung erfolgt?

Welche  Schutzbereiche wurden verhängt?

 

 

Wir danken dem Bundesministerium für Inneres im Voraus für die Erwägung und Einbeziehung unserer Vorschläge.

 

 

 

 

Rosa Logar (Geschäftsführerin)