An das

Präsidium des Nationalrats

E-Mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Nach langer, eingehender Auseinandersetzung mit dem neuen Lehrerdienstrecht im Kollegium und einer vor kurzem stattgefundenen Dienststellenversammlung, möchte ich meinen Unmut über dieses kundtun.

Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass mein bisheriges Engagement für den Unterricht und die Schülerinnen und Schüler nicht wertgeschätzt wird – sowohl was die Qualität als auch den zeitlichen Aufwand betrifft. Tatsache ist, dass die Burnout-Rate unter Lehrerinnen und Lehrern ein großes Problem darstellt. Schon alleine deshalb ist es mir unbegreiflich, dass in Zukunft mehr Arbeit für weniger Geld geleistet werden soll.

Die Forderung nach mehr Qualität im Bildungswesen steht im krassen Gegensatz zu folgenden Punkten:

·         Wie stellen Sie sich vor, dass das Anheben der Lehrverpflichtung und dem damit einhergehenden höheren Arbeitsaufwand mehr Qualität bringen soll?

Mehr Stunden bedeutet eine höhere Anzahl an zu betreuenden Schülerinnen und Schüler und damit verbunden sind: zusätzliche Vorbereitungs- und Korrekturarbeiten, zusätzliche persönliche Betreuung, höherer Aufwand bei der Kontrolle der Heftführung und der Überprüfung des Lernfortschritts, zusätzliche Elternarbeit und Beratungsgespräche, etc.

·         Das neue Lehrerdienstrecht würde bedeuten, dass ein reines Pädagogikstudium ausreichen würde, um in sämtlichen Schulstufen bis zur Neuen Reifeprüfung jedes Fach unterrichten zu dürfen. Fachkompetenzen für die einzelnen Unterrichtsgegenstände scheinen verzichtbar zu sein, da das neue Lehrerdienstrecht vorsieht, dass jede Lehrkraft – unabhängig vom Fachstudium – gezwungen werden kann jedes beliebige Unterrichtsfach zu unterrichten.

·         Ihrer Aussage nach sollen nur die besten Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen unterrichten. Da stellt sich doch die Frage: Wie kann es dann sein, dass in den ersten fünf Unterrichtsjahren ein Bachelorstudium für einen qualitativ hochwertigen Unterricht bis hin zur Reifeprüfung ausreichen soll? Erst nach fünfjähriger Tätigkeit soll es dann eine Notwendigkeit sein ein abgeschlossenes Masterstudium vorzuweisen. Wohlgemerkt soll eben dieses Masterstudium neben einem Vollzeitjob abgeschlossen werden. Da beginnt man doch zu überlegen, in wie vielen Berufszweigen verlangt werden kann, neben einer Vollbeschäftigung auch noch ein Vollzeitstudium erfolgreich abzuschließen.

·         Das zurzeit noch übliche Unterrichtspraktikum gibt den Junglehrerinnen und Junglehrern die Möglichkeit in das Schulgeschehen hineinzuwachsen und somit sowohl mit dem Unterricht als auch den Rahmenbedingungen und zusätzlichen Aufgaben vertraut zu werden. – Ein verzichtbarer Lernprozess??

·         In meinen Augen leisten die Lehrer bereits jetzt sehr viel unbezahlte Arbeit und nun sollen auch die wenigen bezahlten Zusatzleistungen, wie z.B. Kustodiatsbetreuungen, Bibliotheksbetreuung, Netzwerkwartung, etc., nicht mehr abgegolten werden. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer werden dann noch freiwillig Engagement und Zeit in zusätzliche Aufgabenbereiche investieren?

·         Die geforderten Maßnahmen führen einem deutlich vor Augen, dass den Lehrerinnen und Lehrern in Zukunft sowohl die Zeit als auch die Energie fehlen werden, sich für Schul- bzw. Klassenprojekte freiwillig zu engagieren.

Aber: Lebt nicht gerade davon das Unternehmen Schule??

·         Obwohl eine Reform der Werteinheiten längst fällig ist, ist deren Abschaffung vehement abzulehnen. Es geht uns Lehrern nämlich nicht nur ums Geld, sondern vor allem um einen bewältigbaren Schulalltag. Denn auch mit unseren Ressourcen muss verantwortungsvoll umgegangen werden – nicht zuletzt im Sinne der Schüler.

Je länger man sich mit dem neuen Lehrerdienstrecht auseinandersetzt, desto mehr bestätigt es sich, dass die verantwortlichen Bildungspolitiker keine Ahnung von der Schulrealität und dem Lehrerdasein haben. Wir Lehrerinnen und Lehrer sind keine Reformblockierer! Wir stünden für eine echte Reform, die ihren Fokus mehr auf die Qualität der Bildung und die Entwicklung neuer Unterrichtsformen legt, anstatt sich auf die Verschlechterung der Rahmenbedingungen zu beschränken.

Ich hoffe, dass in der neuen Legislaturperiode die Reformen eine wirkliche Qualitätsverbesserung bringen und diese Anliegen gehört werden!

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Theresia Maria Obermair