Sehr geehrte Begutachtungskommission!

Mit großer Besorgnis musste ich feststellen, dass viele Inhalte des neuen Lehrerdienstrechts zu einer massiven Verschlechterung des Bildungssystems und des Schullebens führen werden. Es ist wahr, dass viele Bereiche im Bildungssystem reformiert gehören, jedoch nicht auf diese Weise. Österreichs Schulen bringen gut ausgebildete junge Menschen hervor, weshalb unser Land auch die niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU hat. Eine Sache sollte den politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern jedoch klar sein und diese wird oft ignoriert:  All dies ist vor allem engagierten Lehrerinnen und Lehrern zu verdanken, die nicht nur Dienst nach Vorschrift machen, sondern sich wirklich für die Schule und die Schülerinnen und Schüler einsetzen, auch wenn dies von Seiten der Politik und in der Öffentlichkeit oft anders dargestellt wird. In jedem Beruf gibt es schwarze Schafe, doch nur der Lehrberuf wird als Teilzeittätigkeit ohne Verantwortung und mit zu viel Freizeit abgestempelt. Denn scheinbar denken viele, die ihre Schulpflicht erfüllt haben, sie wären Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet, allen voran selbsternannte Bildungsexpertinnen und –experten, die oft selbst noch keinen einzigen Tag als Lehrkraft in einer Schule verbracht haben.

Nun ist es so, dass das gesamte Bildungssystem mit der Qualität und dem Engagement der Lehrkräfte steht und fällt. Es ist essenziell, junge Menschen dazu zu motivieren, den Lehrberuf zu ergreifen und mit Freude, Kompetenz und persönlichem Einsatz auszüben, vor allem auch, weil sich ein immer größerer Lehrermangel anbahnt. Doch mit diesem Lehrdienstrecht erreicht man genau das Gegenteil. Wie soll ein All-in-Vertrag mit höherer Lehrverpflichtung und auf ein Leben gesehen wesentlich niedrigerem Gehalt junge Menschen für diesen Beruf begeistern? Zudem werden sämtliche zusätzliche Leistungen wie Supplierungen, mehrtätige Schulveranstaltungen, Kustodiate, Mehrdienstleistungen, Nachmittagsbetreuung usw. nicht mehr und andere Leistungen wie die Ausbildung junger Lehrerinnen und Lehrer und der Unterricht an höheren Schulen unverhältnismäßig niedrig entlohnt. Es ist jetzt zum Teil schon schwierig Lehrkräfte für z.B. eine Sportwoche zu finden und für die Übernahme eines Kustodiats, bei dem jetzt schon die Entlohnung in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand steht (so etwa im EDV-Kustodiat). Es geht hier prinzipiell nicht nur um das Geld, sondern vor allem um die Wertschätzung der Mehrarbeit durch Lehrerinnen und Lehrer und den Stellenwert des Berufs, der einfach für die Öffentlichkeit und die Politik seinen Wert haben sollte. Es muss auch gesagt werden, dass Lehrkräfte an höheren Schulen Expertinnen und Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet sind und der geplante Zwang zum fachfremden Unterricht – wie er in Hauptschulen bzw. an den Neuen Mittelschulen schon seit Jahren unverständlicherweise praktiziert wird - hier in keinem Fall zur Anerkennung der Fachkompetenz der Lehrkräfte und zu einer Sicherung eines qualitativ hochwertigen Unterrichts beitragen kann. Dieses Lehrerdienstrecht ist nicht nur leistungsfeindlich, sondern stuft Lehrerinnen und Lehrer zu Arbeitsmaschinen – ohne die anfangs versprochene  Unterstützung durch zusätzliches Personal - herab. Erschwerend hinzu kommt, dass gerade durch dieses fehlende Personal, durch fehlenden (Arbeits-)Platz und fehlende Ausstattung angemessene Arbeitsbedingungen für dieses neue Dienstrecht in keiner Weise gegeben sind.

 

Ausbildung kann nicht wie am Fließband erfolgen, mit Lehrerinnen und Lehrern, die zum Teil bis zu 60% mehr Stunden halten müssen (z.B. bei zwei Sprachen in den höheren Schulen; vorher: volle Lehrverpflichtung mit 17 bis 18 Stunden, nachher: bis zu 28 Stunden reguläre Unterrichtszeit). Und auch die Lehrkräfte selbst kann man nicht als Einheitsware am Fließband produzieren, mit unverhältnismäßig langen Ausbildungszeiten, nach denen man in höheren Schulen in der Besoldung gleich eingestuft wird wie Lehrkräfte in der Primarstufe, es muss weiterhin eine Differenzierung nach Arbeitsaufwand und Umfang der Ausbildung geben. Und auch die zukünftigen „Mentorinnen und Mentoren“ junger Lehrpersonen sollen die Lehrerware nur mehr für die Einführung an der Schule fertigstellen, mit bis zu drei Unterrichtspraktikantinnen und -praktikanten gleichzeitig ohne verhältnismäßige Entlohnung. Immer wird von individuellem Unterricht gesprochen, doch wie soll dieser im Rahmen dieses Lehrerdienstrechts gewährleistet werden, das besagte Fließbandarbeit forciert? Und auch die geplante im Schnitt zehnstündige Anwesenheit der Direktorinnen und Direktoren pro Tag und Einsparungen bei der Besoldung, die dann sogar niedriger sein wird als bei den Lehrkräften, grenzt an Fließbandarbeit. Und in diesem Bereich ist es jetzt schon schwer, kompetente und engagierte Menschen zu finden, die die Leitung einer Schule übernehmen.

Abschließend kann gesagt werden, dass sich sicherlich viele junge Menschen sehr gut überlegen werden, ob sie den Lehrberuf wirklich ergreifen werden, und auch ich als engagierte Lehrperson, die jeden Tag mit Freude und vollem Einsatz in die Schule geht, würde diesen Beruf, an dem mir so viel liegt, nicht mehr ergreifen, wenn ich unter solchen Bedingungen arbeiten müsste. Dieses Lehrerdienstrecht ist ein reines Sparpaket und bringt keine einzige Verbesserung im Bildungswesen. Gerade die Schule sollte der allerletzte Ort sein, an dem gespart wird - Bildung muss uns etwas wert sein! Ich und die anderen Lehrerinnen und Lehrer in Österreich begrüßen jede Verbesserung und wir sind dazu bereit, unseren Beitrag zu leisten. Doch dieses neue Dienstrecht ist kontraproduktiv und voll und ganz abzulehnen. Es bringt nicht nur massive Verschlechterung für die Lehrpersonen, sondern wirkt sich in weiterer Folge auf eben jene aus, für die das Bildungssystem verbessert werden sollte, nämlich die Schülerinnen und Schüler. Deshalb fordere ich Sie auf, von der Richtung, die Sie mit diesem Dienstrecht einschlagen, Abstand zu nehmen und ein modernes Dienstrecht, das wirkliche Verbesserungen mit sich bringt, gemeinsam mit den Menschen auszuarbeiten, die es im Endeffekt betrifft - nicht nur im Ministerium, nicht nur mit den Landeschulräten, nicht nur mit selbsternannten Bildungsexpertinnen und –experten hinter verschlossenen Türen. Stellen Sie uns nicht wieder vor vollendete Tatsachen, sondern arbeiten Sie mit den Lehrerinnen und Lehrern zusammen, die der Grundpfeiler unseres Bildungssystems sind und die für die Schule und die Schülerinnen und Schüler ihr Bestes geben, damit sie dies in Zukunft unter optimalen Arbeitsbedingungen tun können.

 

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Stefan Hinterholzer

BG/BRG Kufstein