Sehr geehrte Damen und Herrn!

 

Im Bildungsbereich geht es (spätestens seit der Aufklärung) auch darum, Sicherungsmechanismen einzubauen, die eine Rückbindung der Lehrtätigkeit auf  den als gesichert geltenden Stand der Fachwissenschaften  unter Berücksichtigung der aktuellen Forschungsergebnisse garantieren.

D.h. der Lehrende hat in seinem jeweiligen Fachunterricht eine persönliche Verantwortung, die Vorgaben der  Lehrpläne und Schulbücher im Lichte der Entwicklungen in den Wissenschaften zu illustrieren  und zu interpretieren.

 

Das kann sehr rasch dazu führen, dass als sicher geltende Denkmodelle und Anschauungen kritisch hinterfragt und angezweifelt werden müssen. Dies  gilt für Fachbereiche wie Geschichte und  Kunst ebenso wie für Mathematik und Naturwissenschaften, z.B. Biologie.

 

Nicht nur die Vergangenheit  ist in allen Fachgebieten  voll von Beispielen, wie das Infragestellen der geltenden –im wörtlichen Sinn „vorherrschenden“ - Hypothesen und Meinungen die kritischen Geister in ärgste bis existenzielle Bedrängnis gebracht hat, weil ihnen die „Ordnungshüter des gesellschaftlichen Konsenses“  das Leben zu Hölle gemacht haben.

 

Bisher hat ein für einen Großteil der Kollegenschaft geltender starker Kündigungsschutz durch Pragmatisierung  dieses Problem entschärft.

 

Ein neues Dienstrecht, das offenbar einen besonderen Kündigungsschutz nach Art der als obsolet  geltenden Pragmatisierung  nicht mehr vorsieht, hat dennoch dafür Sorge zu tragen, dass Lehrtätigkeit von einer diskussionsoffenen kritischen Suche nach Wahrheit begleitet werden kann. Dazu sind Strukturen nötig, die einen Meinungsopportunismus der Lehrenden hintanhalten oder zumindest nicht fördern.

 

Für das  von mir beschriebene potentielle Konfliktszenario bringt es  schon einen gewissen Rückhalt  für einen Lehrenden, gemäß seiner akademischen Kompetenz in angemessener Freiheit und Eigenverantwortung  unterrichten  zu können, wenn die Gelöbnis- oder Eidesformel zum Ende eines Bachelor- oder Masterstudiums einen geeigneten Passus über die persönliche Gebundenheit an die Freiheit der Wissenschaft und die den Ergebnissen der Fachwissenschaften verpflichtete Berufausübung enthält.

 

Der öffentliche Dienstgeber darf diese akademische Verpflichtung  nicht durch Dienstverträge konterkarieren, sondern hat sie explizit anzuerkennen.

Das steht auch in keinem Widerspruch zu einem angemessenen Loyalitätsgelöbnis gegenüber dem Dienstgeber bei Diensteintritt.

Der hippokratische Eid eines Arztes darf ja auch  vom Dienstgeber nicht unterlaufen werden.

 

 Die Frage eines diesbezüglich formulierten  „akademischen Eides“ für Lehrer aller Schulstufen zielt einerseits auf die Studienordnungen und wäre somit an die dort involvierten  Gremien heranzutragen. Zugleich geht es aber, wie beschrieben, um eine Vermeidung widersprechender Bestimmungen und/oder eine explizite Verankerung der Akzeptanz durch den Dienstgeber im neuen Dienstrecht.

Unter diesem Aspekt gehört das Thema auch in die Verhandlungen über ein neues Dienstrecht für Lehrende und wird deshalb mit der Bitte um Berücksichtigung auch als Kommentar zum vorliegenden Begutachtungsentwurf eingebracht.

 

Ein entsprechender akademischer Eid  kann nach Aussage eines sachkundigen Juristen in Arbeitsrechtsprozessen oder bei Privatklagen von Einzelpersonen bzw. Interessensgruppen eine erhebliche Rolle spielen.

 

Bin gerne bereit, die nicht zu unterschätzende Brisanz und Aktualität der Problematik detaillierter zu argumentieren und mit Beispielen zu illustrieren, nehme aber an, dass dies im Rahmen dieser Eingabe nicht sinnvoll ist.

 

Ich meine im gleichen Sinn Lehrerinnen und Lehrer, bitte aber  um Verständnis, dass ich im Text auf eine gegenderte Schreibweise verzichtet habe.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Otmar Öhlinger

 

Meine Anschrift:

Mag. Otmar Öhlinger, Brucknerweg 4, A­- 4780 Schärding

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