Sehr geehrte Nationalratsabgeordnete!

Sehr geehrte Parteivorsitzende!

 

Im Zuge der laufenden Begutachtungsfrist für den Entwurf des neuen LehrerInnendienstrechts möchte ich die Gelegenheit ergreifen, als Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Deutsch für die Tiroler AHS einiges anzumerken, was im Speziellen die DeutschlehrerInnen betrifft, ohne dabei die Leistungen anderer Fächer bzw. FachkollegInnen und die Unbillen, mit denen diese auch bereits jetzt zu kämpfen haben, zu schmälern.

In meiner Funktion als ARGE-Leiterin stehe ich jedoch besonders in der Verantwortung gegenüber meinen FachkollegInnen, die vom jetzigen System bereits stark benachteiligt werden. In diesen Zusammenhang sind auch die folgenden Ausführungen einzuordnen:

 

Zur jetzigen Situation (altes Dienstrecht):

1) Die DeutschlehrerInnen gehören jenen Fachgruppen an, die wir gemeinhin als Korrekturfächer (oder auch Schularbeitenfächer) bezeichnen. Innerhalb der mit vielen Korrekturen (Hausübungen, Schularbeiten, Referate, Portfolios, ...) belasteten Schularbeitenfächer wiederum zählt  Deutsch fast gleichauf mit Englisch auch in der KollegInnenschaft annerkannterweise zu den arbeitsintensivsten. Die Korrekturarbeit kann zwar durch Routine verkürzt werden, doch nach einiger Zeit und Übung  ist jede/r am Plafond angelangt: Es dauert eben einfach seine Zeit, verschiedenste, jeweils individuelle Texte zu lesen (vor allem solche, die nicht immer gut geschrieben sind), diese dann nach verschiedenen Kriterien (die nicht nur nach falsch oder richtig fragen) zu bewerten und zu beurteilen. Außerdem ist zu dieser Arbeit höchste Konzentration nötig und sollte auch nicht wie am Fließband erledigt werden, denn dann ist die Gefahr groß, dass SchülerInnenarbeiten nicht angemessen beurteilt werden.

 

2) Das alte Dienstrecht hat dieser deutlichen Mehrbelastung immerhin dahingehend Rechnung getragen, dass Deutschstunden, zumindest im Bereich der AHS und BMHS eine höhere Wertigkeit als andere haben (1,17 für eine Unterrichtsstunde). Zwar ist die jetzige Situation aus unserer Sicht schon jetzt nicht befriedigend, weil die tatsächliche Mehrbelastung dadurch nicht wirklich abgegolten wird, jedoch stand dahinter zumindest der gute Wille des Dienstgebers, diese aufwendige Arbeit anzuerkennen und halbwegs gerecht zu entgelten. Diese gute Absicht des Dienstgebers kann schon jetzt durchkorrigierte Wochenenden, Feiertage und Teile von Ferien für DeutschlehrerInnen nicht verhindern.

Dieser Sinn für Gerechtigkeit wird im angedachten neuen Dienstrecht allerdings nun völlig konterkariert, indem man die Werteinheiten abschaffen will und den DeutschlehrerInnen (die manchmal auch noch ein zweites Korrekturfach haben) gleich viele gehaltene Stunden wie anderen Fächern zumuten möchte.

Einer solchen Vorgangsweise können wir nicht zustimmen, da dadurch die Qualität unserer Arbeit für die SchülerInnen gefährdet ist, ganz abgesehen von noch mehr Gehaltsbenachteiligung gegenüber anderen Fachgruppen.

 

3) Da das Fach Deutsch sowohl bei der bisherigen Maturaregelung als auch bei der neuen standardistierten Reife- und Diplomprüfung zu den drei verpflichtend zu wählenden Fächern gehört (zumindest in der AHS und in weiten Teilen der BMHS), stehen wir in besonderer Verantwortlichkeit gegenüber unseren SchülerInnen, die wir möglichst gut auf die Reifeprüfung vorbereiten möchten. Dafür haben wir schon bisher, besonders bei schwachen SchülerInnen, viel Zusatzkorrektur geleistet, damit diese auch die Chance hatten, die Reifeprüfung zu bestehen.

Auf dieses besondere Pflichtgefühl dem/r einzelnen SchülerIn gegenüber - man kann es auch Masochismus und Dummheit nennen -  hat der Dienstgeber bereits jetzt gezählt, ohne dass WIR die Stunden an Mehrarbeit, die uns die Unterstützung der uns Anvertrauten kostete, zählten.

BEI EINER weiteren ABWERTUNG DER DEUTSCHSTUNDEN WIRD ES ALLERDINGS NICHT MEHR MÖGLICH SEIN, dass wir durch unseren persönlichen Einsatz die Missstände des Systems und der Arbeitsbedingungen kompensieren. DENN AUCH WIR MÜSSEN EINMAL SCHLAFEN!

Die letzte Aussage wird Ihnen weniger polemisch vorkommen, wenn Sie wissen, dass das angedachte neue Modell vorsieht, dass ein/e DeutschlehrerIn zwei Klassen (bis zu ca. 60 SchülerInnen) mehr unterrichten müsste (derzeit mit 17 gehaltenen Stunden vollbeschäftigt), um auf die 23/24 Stunden Lehrverpflichtung zu kommen, die nach neuem Dienstrecht als Vollbeschäftigung gelten soll.

 

4) Der letzte Punkt machte hoffentlich Folgendes deutlich: HIER geht es nicht (nur) ums GELD, SONDERN UM DIE NICHT VORHANDENE ZEIT! Das heißt auch: Zusatzzahlungen für Korrekturfächer nützen nichts. Weder den von Burnout oder dauerhaft schlechtem Gewissen betroffenen LehrerInnen (weil sie ja nicht so dumm sind, um nicht zu sehen, dass mehr Übung und Korrektur nötig wäre, sie diese aber nicht mehr im bisherigen Umfang leisten können!).

Dabei wurde in meinen bisherigen Ausführungen noch nicht einmal angesprochen, dass JunglehrerInnen, die nach neuem Dienstrecht arbeiten müssen, eigentlich weniger Korrekturroutine haben und so genau genommen mehr Zeit bräuchten, um diese Arbeit seriös zu erledigen.

MAN GEWINNT ALLERDINGS DEN EINDRUCK, dass das gesamte neue LehrerInnendienstrecht auf SERIÖSE ARBEIT KEINEN WERT LEGT. Wiederum etwas, was auf Kosten der Schwachen und Schwächsten geht, die es sich nicht leisten können, Nachhilfe zuzukaufen. Das wäre von einer - zumindest Parteibuch nach - sozialdemokratischen Bundesministerin nicht zu erwarten gewesen.

 

5) Dass das Fach Deutsch insgesamt in Zeiten zunehmender Migration und vermehrter Anzahl nichtmuttersprachlicher Kinder und Jugendlichen in den Klassen aufgewertet und nicht abgewertet gehört, ist eigentlich jedem/jeder mit Hausverstand ausgestatteten BetrachterIn einleuchtend. Doch liegt es mir und jedem echten Pädagogen/jeder wirklichen Pädagogin fern, für diese Argumentation eine Gruppe von Menschen zu "benutzen", die es sowieso nicht leicht hat und von manchen politischen Gruppierungen sowieso schon missbraucht wird. Wir alle wissen aus diversen fachlichen Veröffentlichungen, dass das sprachliche Vermögen, besonders im schriftlichen Bereich der Standardsprache, aufgrund der zunehmenden Bilderwelt der neuen Medien (Computerspiele, Internet, etc.) und elektronischer Kurzkommunkation bei ALLEN SchülerInnen, egal, welcher Herkunft,  abnimmt. 

Ein Grund mehr, das Fach Deutsch zu stärken. Ein Grund weniger, dem neuen Dienstrecht zuzustimmen, denn:

DAS NEUE DIENSTRECHT IST FÜR DEUTSCHLEHRERINNEN EINE finanzielle, aber vor allem eine qualitative ABWERTUNG IHRES FACHES UND IHRER  INDIVIDUELLEN ARBEIT, die im neuen System sicherlich nicht mehr zur Zufriedenheit der SchülerInnen und der Eltern derselben ausgeführt werden kann.

 

6) Dass auch die vom Bundesministerium eingeführte standardisierte, kompetenzorientierte schriftliche Reifeprüfung, die das Spektrum an zu beherrschenden Texten in Deutsch vervielfacht hat, sowie die Einführung der vorwissenschaftlichen Arbeit für alle MaturantInnen das Fach Deutsch, d. h. die DeutschlehrerInnen,  besonders fordert, muss an dieser Stelle auch noch gesagt werden. Auch deshalb muss eine weitere Belastung der DeutschlehrerInnen verhindert werden.

 

6) Die - aufgrund der täglichen und steigenden Herausforderungen - von der Bundesarbeitsgemeinschaft der DeutschlehrerInnen über Jahrzehnte geforderte Teilung in Deutsch (analog zu den Fremdsprachengruppen) fand leider auch in dieser Chance zu einer echten Reform keinen Widerhall.

Dass nun aber selbst der - im Vergleich zu anderen Fächern, die nicht so sehr mit Korrekturarbeit belastet sind -  schlechte Status quo  noch drastisch verschlechtert werden soll, schreit - in diesem Fall -  zum Bundesministerium und zu Ihnen, sehr geehrte Nationalratsabgeordnete!

 

Mit ernsthafter Besorgnis

 

Prof.in Mag.a Martina Frick, M. A.

Leiterin der ARGE Deutsch/AHS Tirol