Sehr geehrte Damen und Herren,

Als Junglehrerin fühle ich mich veranlasst, eine eigene Stellungnahme zum Entwurf des neuen Lehrerdienstrechtes abzugeben, da ich mir bei näherer Begutachtung beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie die Umsetzung in der Praxis funktionieren soll. Ich will meiner Kritik einige Worte zu meiner Person vorausschicken, damit Sie nachvollziehen können, aus welcher Position ich spreche. Ich bitte trotz längerer Ausführungen weiterzulesen, da ich alle Hintergründe möglichst verständlich darlegen will. Auf Punkte wie das neue Gehaltsschema, das Lehrer eines beträchtlichen Teils der gegenwärtigen Gesamtlebensverdienstsumme berauben soll, oder die Tatsache, dass Lehrer zum Unterricht jedes beliebigen Faches (auch ohne deren Zustimmung) eingeteilt werden können, werde ich nicht eingehen. Es sei schlichtweg festgehalten, dass ich sie für nicht vertretbar halte.

Vielmehr will ich mich auf die beiden Punkte konzentrieren, die mir am Meisten am Herzen liegen, weil sie mich in meiner derzeitigen Position am meisten betreffen und ich aus Erfahrung sprechen kann: die geplante Erhöhung der Lehrverpflichtung und den unverdient schlechten Ruf des Lehrberufs.

Ich werde den nachfolgenden Text in Unterkapitel gliedern, um ihn übersichtlicher zu gestalten. 

Persönlicher Hintergrund

Ich bin, wie bereits eingangs erwähnt, Junglehrerin und zwar eine sehr motivierte. Ich unterrichtete zwei Sprachen (Englisch und Latein) und habe mir damit bestimmt nicht das einfachste Lehrerlos gewählt, im Gegenteil. Ich halte nichts davon, im Leben stets den einfachsten Weg zu gehen, sondern wählte immer schon den, den ich – ungeachtet des Arbeitsaufwandes – aus eigener Überzeugung, eigener Motivation und eigener Begabung am besten vertreten kann.

Während des Studiums habe ich oft damit geliebäugelt, mein bereits erworbenes Wissen in andere Richtungen zu vertiefen und einen anderen Weg einzuschlagen, nicht zuletzt, weil mir das Lehrertum immer miesgeredet wurde: auf der Uni, von Bekannten, von Leuten, mit denen sich zufällige Gespräche ergaben. So ging (und geht) es vielen Lehramtskandidaten: Noch bevor sie das Studium beendet haben, wurden in ihnen, durch teilweise absolut sinnlose Lehrveranstaltungen, vor Augen geführte Horrorszenarios und eine Ankündigung einer schier unbewältigbaren Fülle an Aufgaben, die auf Lehrer zukommt)* die ersten Zweifel eingepflanzt. Die Schlechtmacherei von Seiten der hiesigen Klatschmedien helfen dagegen natürlich kaum. Schließlich bilden die die Meinungen der breiten Öffentlichkeit und selbst aus dem Munde von Bekannten, denen ich schon eine gewisse Reflektiertheit attestiere, hörte man oft pauschalisierend Negatives über Lehrer. Als Konsequenz saßen meine FreundInnen und ich oft desillusioniert beisammen und der Satz: „Ich brauche einen Plan B“ fiel nicht selten in der Runde. Die meisten von uns konstruierten sich bereits ein Ausstiegsszenario, falls wir doch nicht LehrerInnen würden oder bereits nach ein paar Jahren genug hätten. Allen erschien das sehr realistisch. So die Gefühlssituation von Lehramtsstudenten. Diese bereits gegebene Grundangst muss – so stelle ich mir das vor – durch den neuen Dienstrechtsentwurf zwangsläufig eine Massenpanik auslösen.

*Die Sprache war von nicht zu bändigenden Schülern, nicht zu überblickenden administrativen Aufgaben, einer Verantwortung, der man vielleicht nicht gewachsen ist, Eltern, die einem mit dem Anwalt drohten etc. etc. Keine besonders attraktive Aussicht.

Allen abschreckenden Faktoren zum Trotz stellte ich – zum Glück! - in den einzelnen sinnvollen Stunden, in denen wir bereits an Schulen geschickt wurden, um uns dort erstmals in einer Klasse zu versuchen, fest, dass mich die Arbeit mit den Schülern jedes Mal beschwingt die Schule verlassen ließ und ich immer motivierter wurde, endlich meine eigene Klasse zu führen, wo ich die Schüler eine Sprache lehren, sie zum kritischen Denken anregen und mit ihnen Diskussionen führen wollte. Wo ich ihnen Werte vermitteln wollte und in ihnen Wissendsdurst und die Neugier auf die Welt wecken wollte. Wo ich so unterrichten wollte, dass sie aus ihrer eigenen Lebenssituation heraus einen Sinn am Lernen sahen und Freude daran empfanden.

Das ist nach wie vor mein Ziel und die Motivation, mit der ich jeden Morgen aufstehe.

 

Punkt 1: Zu unterrichtende Stundenzahl bei voller Lehrverpflichtung NEU

Ich komme auch schon zum ersten Punkt im neuen Lehrerdienstrecht, der mir besonders missfällt. Die volle Lehrverpflichtung (von unglaublichen 24 Stunden) in der Induktionsphase als neuer Lehrer / neue Lehrerin.

Ich unterrichte selber seit einem halben Jahr an einem Gymnasium und begann dort mit einer halben Lehrverpflichtung. Das bedeutet in meinem konkreten Fall 3 Klassen oder 9 effektive Stunden, die ich wöchentlich in einer Klasse stehe (grundsätzlich immer +1, da man ja Supplierverpflichtung hat. Unbezahlt freilich, aber darüber will ich mich eigentlich nicht beschweren, es soll nur nicht unter den Tisch fallen). Diese 3 Klassen hatten 3 unterschiedliche Levels, d.h. ich konnte nicht „parallel vorbereiten“, sondern musste mir für jede der Klassen die Stunden individuell planen. (Das muss man übrigens auch, wenn man 2 Klassen parallel führt, wie ich das momentan tue, denn jede Klasse ist anders – stark abhängig von der Schülerzahl, dem Alter und der Durchmischung).

Im letzten halben Jahr bemühte mich, selbst den unmotiviertesten SchülerInnen den Unterricht schmackhaft zu machen, selbst, wenn sie vorhatten, die Schule zu wechseln und nie wieder Latein hätten und meine Kreativität wurde ziemlich gefordert. Ich überlegte mir teilweise für besonders schwierige oder auffällige Schüler besondere Mittel und Wege, sie nicht auszugrenzen oder einfach fallen zu lassen, sondern auch sie auf irgendeine Art und Weise zu motivieren und zu gewinnen (mit – für mich selbst – erstaunlichem Erfolg). Ich kürze ab: Ich bemühe mich, allen Schülern und allen Klassen gerecht zu werden und selbst für Sonderfälle und Sonderwünsche Zeit, Geduld und Kreativität aufzubringen, was im letzten halben Jahr in einer durchschnittlichen 50-Stunden-Woche resultierte. Diese 50 Stunden waren aufgeteilt auf 7 Tage, da das Wochenende meistens ebenfalls zum Arbeiten herangezogen wird bzw. werden muss, damit man, beispielsweise, eine Schularbeit rechtzeitig und ordnungsgemäß korrigiert zurückgeben kann. Bei – wohlgemerkt – einer halben Lehrverpflichtung oder „lächerlichen“ 9 Unterrichtsstunden. (Die schlaflosen Nächte, bei denen ich über einzelne Schülersituationen oder Ideen für interessantere Stunden nachdenke, will ich eigentlich gar nicht erwähnen. Viele meiner KollegInnen nehmen Schlaftabletten, habe ich gehört, um mit diesen Problemen nicht kämpfen zu müssen.)

Als Junglehrerin muss ich mir die Ressourcen, die ich noch nicht habe, erst schaffen und die sollen qualitativ hochwertig sein und nicht aus Zeitnot schlampig und notdürftig erledigt! Ich will mich nicht über eine Stunde „drüberretten“ können, sondern diese Stunde gut planen. Dafür benötige ich Zeit. Hätte ich nicht das Glück gehabt, dass man mich an meiner Schule so gut aufnahm und mir bei Fragen und Problemen sofort helfend zur Seite stand (das soll ja nicht Standard sein), hätte ich mich kaum so gut geschlagen.

Jetzt befinde ich mich im Unterrichtspraktikum und stehe - mit Zusatzstunden – 14 Stunden pro Woche in der Klasse. Dazu kommen mindestens 4 Stunden, die ich an Observationsarbeit bei Kollegen abzuleisten habe und einige Seminare, die auf der Universität zu besuchen sind. Ich komme bei diesen 14 Rohstunden bereits in Zeitnot, obwohl ich so effizient wie möglich arbeite. Ich notiere meine Arbeitszeit: 44 Wochenstunden arbeite ich momentan. Die Schularbeitszeit hat noch nicht begonnen und ich blicke der Zahl der dann zu leistenden Wochenstunden mit Spannung entgegen. 60-70 scheint mir realistisch. Wie jemand 24 effektive Unterrichtsstunden (+ ≥1 Supplierstunde) schaffen soll weiß ich nicht. Ich könnte es nicht - kann es mir nicht einmal vorstellen.

Diese 24 Unterrichtsstunden PLUS Supplierstunde PLUS Seminare PLUS Hospitationsstunden bei Fachkollegen sind aber laut neuem Dienstrecht vorgesehen. Wie gesagt, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie dieses Maß von einem normalen Menschen durchführbar sein soll.

Nachdem Betreuungslehrer für Unterrichtspraktikanten für ihren Mehraufwand neuerdings nicht mehr entlohnt werden sollen, kann ich mir schwerlich vorstellen, dass man in Zukunft gut betreut wird. Gerade diese Betreuung, Unterstützung und Ermutigung sind jedoch notwendig, um Junglehrer zu motivieren. (Wann die Vor- und Nachbereitungsgespräche, für die man ohnehin schon schwer Zeit findet, bei einer Vollbeschäftigung nach neuem Dienstrecht stattfinden sollen, frage ich mich).

 

Punkt 2: Der schlechte Ruf des Lehrberufs:

Wie bereits eingangs erwähnt sehe ich ein Grundübel an der momentanen Situation für Lehrer und angehende Lehrer darin, dass ihnen der Beruf von der Öffentlichkeit derart verleidet wird.

Unterschätzt werden dabei, meiner Meinung nach:

·         der dauernde Lautstärkepegel einer Schule – selbst in einer ruhigen und braven Klasse

·         die permanent notwendige Aufmerksamkeit des Lehrers, die ihm ermöglicht

o    das Unterrichtstempo so zu steuern, dass die Klasse weder über- noch unterfordert ist

o    die Klasse unter Kontrolle zu halten (je nach Alter und jeweiliger Unterrichtszeit stark schwankend)

o    seine administrativen Aufgaben zu überblicken und ihnen nachzukommen (Klassenbucheintragungen, Schularbeitskoordination und Zusammensprache mit Fachkollegen, wenn das Sprachfach geteilt ist → ein Marathon, Einhaltung von Fristen, Ankündigungen, korrekte Buchführung des behandelten Stoffes, der Hausübungen, der Ergebnisse der Lernzielkontrollen, der Mitarbeit) WÄHREND, VOR und NACH der Stunde

o    Eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen und die Schüler zu motivieren, wofür man im Idealfall selber gute Laune hat – bei Erschöpfung durch 2 vorhergegangene Unterrichtsstunden oft bereits schwierig

·         die Tatsache, dass man in den Pausen nicht einmal Zeit hat, sich auf die nächste Stunde einzustellen und vermutlich in der Pause selbst noch von 3 Schülern und 4 Kollegen um Information oder Hilfe gebeten wird: Man steht unter Dauerstress

·         die unheimliche emotionale Belastung, die durch den intensiven Umgang mit einer großen Menge an Menschen entsteht, deren Interessen man alle unter einen Hut bringen muss

·         nicht zuletzt, die körperliche (und stimmliche) Anstrengung, die damit einhergeht

 

Leider wird all das von den meisten Menschen nicht in Betracht gezogen, wenn sie sich darüber echauffieren, dass Lehrer „ja nur einen Halbtagsjob haben und außerdem ständig Ferien“. Das ist schnell entkräftet:

·         Der Halbtagsjob kann sich nur auf die effektiv unterrichtete Zeit beziehen – mit der Vorbereitungszeit jedoch schlägt die Arbeit eines (Schularbeitsfach-)Lehrers (und ich kann nur diese Position wirklich beleuchten) jeden 40-Stunden-Job.

·         Der Ruf des Halbtagsjobs entsteht auch aus der Tatsache, dass viele Lehrer zu Mittag nach Hause gehen um dort weiter zu arbeiten, möglicherweise erst abends, nachdem sie ihre eigenen Kinder betreut, beschäftigt und schließlich schlafengelegt haben.

·         Lehrer gehen unter Anderem deshalb so früh nach Hause, weil die Arbeitsplätze vielenorts eine Zumutung sind. Das ist ein bekanntes Faktum und ich schätze mich glücklich, dass die Schule, an der ich arbeite, dem durch einen Umbau Abhilfe geschaffen hat. Von groß sind die Schreibtische noch weit entfernt, doch ich sehe mich vorerst halbwegs in der Lage, meine Arbeit vor Ort zu verrichten und bemühe mich auch, das zu tun – um zu testen wie gut diese öffentliche Forderung umsetzbar ist. Dass ich dabei meinen Laptop mitschleppen muss, weil es nicht genug Computer für Lehrer gibt und dass der Laptop dann den gesamten Platz einnimmt und für etwaige Hausübungshefte, die ich nebenbei korrigieren will nur schwer Platz gefunden wird, damit kann ich irgendwie leben, doch wirklich angemessen sind die Plätze dennoch nicht. (Andererseits verstehe ich mich dennoch als privilegiert im Gegensatz zu KollegInnen an anderen Schulen, die sich einen halb so großen Platz auch noch zu zweit oder dritt (!) teilen müssen).

·         Die Ferien zwischendurch benötigt man, um längst überfällige Hausübungen, Portfolios etc. zu korrigieren, die man im normalen Alltag nicht mehr untergebracht hat. Weiters, um zukünftige Stunden, Ausflüge, etc. vorauszuplanen UND (wieder ein vergessener Aspekt) sein eigenes Wissen wieder zu aktivieren und zu erweitern. (Als Englischlehrerin sehe ich mich gezwungen, meine Sprache vor dem Einrosten zu bewahren und tue das u.a. mit der Lektüre entsprechender Literatur, wofür ich im Alltag keine Zeit habe oder mit Reisen in ein entsprechendes Land, um meine mündliche Sprachkompetenz aufrecht zu erhalten. Die Wichtigkeit dessen ist nicht zu unterschätzen, denn wenn man jahrelang nur das „Schulniveau“ einer Sprache spricht, kann man SchülerInnen nach einiger Zeit nur mehr schwer authentische Sprachkenntnisse vermitteln, da man selber das Gefühl dafür verliert. Dies ist ein Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt.)

 

Meine KollegInnen und ich sind täglich darum bemüht, unseren SchülerInnen so viel wie möglich an Wissen mitzugeben und uns nebenbei noch im Gebrauch moderner Medien, die immer wichtiger werden, weiterzubilden. Wir kommen all diesen an uns gestellten Forderungen nach, auch wenn die Latte hoch liegt, und die meisten von uns arbeiten mit Idealismus, Motivation und Elan. Die Belohnung, für die ich arbeite (und vermutlich die meisten anderen auch) ist die Motivation und Dankbarkeit der SchülerInnen, wenn ihnen eine Stunde besonders gut gefällt oder wenn man sich mal wieder Zeit genommen hat, um einzelnen weiter zu helfen.

Ja, ich arbeite primär für Wertschätzung. So arbeite ich am liebsten und so will ich weiterarbeiten. Ich will Ressourcen haben (= genug Zeit und Energie), um das Beste aus mir und meinen SchülerInnen herauszuholen, um mich weiterzubilden und mein frisches Wissen an Klassen weiter zu geben. Ich will und keine Frontalunterrichtsmaschine werden, die die Schüler massenabfertigen muss, weil sie zu viele Klassen unterrichtet, um Unterricht gut zu planen und zu strukturieren. Ich will mir die Zeit nehmen können, Aufgaben nicht nur abzuhaken, sondern detailliert zu kommentieren, sodass die SchülerInnen das bestmögliche Feedback erhalten. Mit dem neuen Lehrerdienstrecht werden diese – momentan noch halbwegs realistischen - Forderungen zu einem Wunschtraum.

Ich will weiterhin, dass die Gesellschaft, die Politiker und die Medien, die so große Meinungs- und Stimmungsträger sind, erkennen, was Lehrer leisten, mit wie viel Engagement sie das tun und wie viel Verantwortung und Fürsorge sie für Kinder übernehmen, die nicht ihre eigenen sind, aber deren Wohl ihnen so sehr am Herzen liegt, dass sie auch in diese emotional investieren. Ich will, dass das anerkannt und geschätzt wird und dass man uns nicht mehr mit so viel Feindschaft begegnet, wie man es momentan Trend und Volkssport ist.

Ich fordere faire Arbeitsbedingungen, einen würdigen Arbeitsplatz und ein Arbeitspensum, das bezwingbar ist und nicht entmutigt.

Kann das in Zukunft nicht gegeben werden, dann werde ich entweder aus Liebe zum Beruf und den Schülern dahinwurschteln, bis ich ausbrenne, oder – um ebendieses zu vermeiden – einen anderen Weg einschlagen. Vor diese Weggabelung sehe ich mich durch den Entwurf des neuen Lehrerdienstrechtes in seiner momentanen Form gestellt.

Ich denke, ich spreche nicht nur für mich, sondern auf für andere junge Kollegen und Lehramtsstudenten, wenn ich ersuche, dass man uns anhört und anstatt uns zu entmutigen, uns ermutigt weiterzumachen und unsere Energien in die Gestaltung wirklich guten Unterrichts steckt, anstatt sie in Angst vor der Zukunft, Frustration und Depression verpuffen zu lassen. Wir können viel geben – nehmen Sie uns das nicht.

Ich hoffe, dass Sie diese Stellungnahme, die nur eine unter vielen ist, sowie auch alle anderen Stellungnahmen der betroffenen Personen berücksichtigen und in die Planung und den Entwurf eines fairen Lehrerdienstrechtes einbeziehen.

Vielen Dank.

Mag. Kristina Hammer

 

 

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