Sehr geehrte Nationalratsabgeordnete!

 

Seit 17 Jahren arbeite ich als Deutsch- und Englischlehrerin und bin prinzipiell allen Reformen gegenüber, die zu einer Verbesserung der Qualität der Schule und des Unterrichts dienen, aufgeschlossen.

 

Allerdings muss ich sagen, dass ich im Entwurf zum neuen LehrerInnendienstrecht keine Anzeichen einer Verbesserung des Unterrichts und der Arbeitsbedingungen für SchülerInnen und LehrerInnen orten konnte. Denn dass zwischen den Arbeitsbedingungen von LehrerInnen und denen von SchülerInnen ein immanenter Zusammenhang besteht, ist jedem einsichtig, der in diesem Beruf gearbeitet hat und der über ein entsprechendes Vorstellungsvermögen darüber verfügt, welche Herausforderungen die schulische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in sich birgt.

 

Dass LehrerInnen in Zukunft prinzipiell mehr Unterricht halten sollen (und das ist der Kern unserer Arbeit, auch wenn rundherum immer mehr anfällt, was zusätzlich bewältigt werden muss und nicht adäquat entlohnt wird), entbehrt jeglicher zu rechtfertigender Grundlage. Die Arbeitszeitstudie von 2000 (von Gewerkschaft UND Bundesministerium initiiert) hat eindeutig bewiesen, dass wir - alle Ferien eingerechnet - im Vergleich zu durchschnittlichen Arbeitszeiten überdurchschnittlich viel arbeiten. Seither ist die Arbeit auch nicht weniger geworden, wenn man an die Einführung von vorwissenschaftlichen Arbeiten, Bildungsstandards etc. denkt. Dass Unterrichtsstunden sich nicht alleine vorbereiten und auch Korrekturen anfallen, müsste jedem/jeder, der/die einmal in der Schule war (in welcher Rolle auch immer) einsichtig sein. Dass Lehrpersonen in Korrekturfächern schon jetzt geschätzte 60Stunden-Wochen haben, zumindest was Deutsch und Fremdsprachen anbelangt (da kenne ich mich besser aus - aber ich bin mir sicher, dass auch die anderen FachlehrerInnen genügend ausgelastet sind). Aber auf die 47 Stunden, die wir als Lehrpersonen pro Woche an Arbeitsleistung erbringen sollen (damit alle zusätzlichen Ferien abgedeckt werden), kommt jede/r seriöse LehrerIn (schwarze Schafe gibt es in JEDEM Beruf und bei den Lehrpersonen eher weniger als anderswo!).

Eine Reform, die noch dazu junge KollegInnen,  die erst Erfahrungen sammeln müssen, besonders belastet, ist nicht nur eine unzumutbare Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für diese Gruppe, sondern auch eine VERHÖHNUNG der Arbeit, die wir alle, auch die bereits im Dienst Befindlichen, bisher seit Beginn unseres Berufslebens leisteten. Es ist eine Desavouierung einer ganzen Berufsgruppe, die durch ihr persönliches Engagement und ihre Motivation das leistet, was im bisherigen System gut funktioniert hat, was viel mehr ist, als allgemein oft kolportiert wird. Nichts gegen Verbesserungen! Aber alles gegen Verschlechterungen - wie sollen denn dann die SchülerInnen besser auf ihr berufliches und persönliches Leben vorbereitet werden, wenn mehr SchülerInnen von einer Lehrperson betreut werden sollen???

 

Dass eine "Reform", die so deutlich die Arbeitsbedingungen verschlechtert, keine Verbesserung des Unterrichts und so auch keine Verbesserung der schulischen Leistungen und der Betreuung der einzelnen SchülerInnen darstellt, muss hier - offensichtlich - auch ganz deutlich gesagt werden. Und man wird auch nicht die Besten unter den jungen Menschen für diesen Beruf begeistern können, denn diese werden sich andere Wege ihrer beruflichen Erfüllung und Karriere suchen. Nur diejenigen, die keine andere Wahl haben, werden sich der verantwortungsvollen Aufgabe sowie den großen psychischen Belastungen in diesem Beruf noch stellen.

 

Das neue Dienstrecht wird zu einer Nivellierung nach unten führen, sowohl bei der Qualität der Arbeit der Lehrpersonen (Zeitmangel!) als auch bei der Qualität der Ausbildung und Kompetenzen bei den SchülerInnen. So wie dies übrigens auch die sog. "LehrerInnenausbildung neu" bereits getan hat. Beide Reformen, Letztere und die Dienstrechtsreform, sind zwei Schritte in die falsche Richtung.

Das Einzige, was ein solches Dienstrecht in Koppelung mit der "LehrerInnenausbildung neu" (Bachelor genügt als vorübergehendes Anstellungserfordernis auch in höhern Schulen) leisten wird, ist eine extreme ERSPARNIS für die öffentliche Hand.

Dass Länder wie Österreich, deren ökonomische Stärke in der guten Ausbildung ihrer Menschen (ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen) liegt, gerade in den Bereichen Schule, Bildung (und Wissenschaft) nicht sparen sollten, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, ist auch Konsens von WirtschaftsexpertInnen. - Abgesehen davon hat die Schule nicht nur die Aufgabe, funktionierende ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen zu produzieren, sondern sich dem Menschen in all seinen Persönlichkeitsfacetten zu widmen.

 

Das Allerschlimmste an diesem neuen Dienstrecht ist, dass es uns allen (nicht nur den Jüngeren, die noch mehr davon betroffen wären)  die Motivation und die Möglichkeiten nimmt, uns in unserem Beruf für die jungen Menschen so zu engagieren, wie sie es verdient haben. Wir Lehrpersonen haben viele Verschlechterungen und Sparpakete im Laufe der Zeit hingenommen und mit eigenem, übermäßigem Einsatz kompensiert, sodass für die Öffentlichkeit oft kaum spürbar war, dass an der Schule schon seit geraumer Zeit immer wieder gespart wird. Dieses Mal sind die Grenzen des Erträglichen jedoch erreicht - die Burnout-Zahlen in unserem Beruf sprechen schon jetzt eine deutliche Sprache.

 

Was das neue Dienstrecht angeht, kann man nur sagen, dass die Gesellschaft - sollte dieses beschlossen werden - wirklich die LehrerInnen bekommt, die sie verdient: FließbandarbeiterInnen ohne Raum und Zeit für Intellektualität, Kreativität, Reflexion, zusätzliches Engagement, Persönlichkeitsbildung etc. - Wie sie all dies dann bei den SchülerInnen fördern sollen, bleibt dahingestellt.

 

Der Mangel an Wertschätzung und gesellschaftlicher Akzeptanz,  unter dem alle pädagogischen Berufe in diesem Staat seit Jahrzehnten leiden, hat nun einen mehr als bedenklichen Höhepunkt erreicht.

 

Dieses Dienstrecht muss unbedingt von allen Kräften im Lande, die eine qualitätsvolle Bildung und Ausbildung für junge Menschen wollen, verhindert werden. Zwar trifft man damit vordergründig "nur" die Lehrpersonen (was von all denen gewollt ist, die lieber auf Stammtischhoheiten als auf ihren Verstand hören), aber im Grunde wird es deutlich negative Konsequenzen für die SchülerInnen, die Kinder und Jugendlichen dieses Landes, haben.

 

Mit sehr ernsten Grüßen und dem ausdrücklichen Wunsch, die Stellungnahme auf die Hompage des Parlaments zu stellen

 

 Mag. Michaela Lechner

Lehrerin für Deutsch und Englisch