Sehr geehrter Herr Bundesparteivorsitzender Faymann!

Sehr geehrter Herr Bundesparteiobmann Dr. Spindelegger!

Sehr geehrter Herr Bundesparteiobmann Strache!

Sehr geehrte Frau Bundessprecherin Mag. Dr. Glawischnig!

Sehr geehrter Herr Bündnisobmann Bucher!

Sehr geehrter Herr Parteiobmann Stronach!

Sehr geehrtes Ausarbeitungsteam des Gesetzesentwurfs zum Lehrerdienstrecht neu!

 

Mit großer Sorge habe ich den Gesetzesentwurf zum neuen Lehrerdienstrecht zur Kenntnis genommen. Wenn man wie ich schon weit über 20 Jahre im Lehrberuf tätig  ist, kann man nur allen, die sich mit dem Gedanken spielen, den Beruf des Lehrers/der Lehrerin zu ergreifen, dringend davon abraten.

Ich orte in sehr vielen praktischen Bereichen Verschlechterungen, die durch dieses neue Lehrerdienstrecht Gesetzeskraft erlangen würden.  

Konkrete Beispiele (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

1)      Mehr Arbeitszeit zum gleichen Lohn wie vorher bedeutet, dass der Lehrer mehr Stunden zu unterrichten hat in mehr Klassen, wodurch für die Betreuung des einzelnen Schülers nicht mehr, sondern weniger Zeit bleibt!!! (mehr Stunden bedeutet mehr Vor- und Nachbereitungszeit!)

2)      Streichung von Zulagen (z.B. Kustodiate, Betreuung von Studenten im Schulpraktikum,…)

3)      In der Induktionsphase ein Masterstudium machen dürfen – wie soll das bitte neben einer vollen Lehrverpflichtung, neben  der Hospitationsverpflichtung und neben den Lehrveranstaltungen zur Induktionsphase machbar sein???

4)      Der Universallehrer (§ 45), der – auch gegen seinen Willen!!! – in allen Fächern, an allen Standorten, in allen Schultypen, in allen Altersstufen eingesetzt werden darf. Das wäre ungefähr so, wie wenn ich einen Politiker mit Wirtschafts-Studium im Ministerium für Landesverteidigung und Sport zum Einsatz bringe, weil er schon mal bei einem Fußballspiel zugeschaut hat… Qualitätssicherung schaut anders aus!!!

5)      Versprochenes Unterstützungspersonal ist nicht einmal mehr angedacht, was bedeutet, dass Jahr für Jahr immer mehr Verwaltungsarbeit beim Lehrer hängenbleibt.

6)      Vergatterung in der Hauptferienzeit vor Ort, um die „Abwicklung der Schlussgeschäfte“ (§ 48) abzuwarten, weil ab Sept. 2014 statt Berufungen Einsprüche vorgesehen sind , die bis zu sechs Wochen Bearbeitungszeit in Anspruch nehmen können.

7)      Da der Dienstgeber nur Gehaltsstaffeln vergleicht, werden Birnen mit Äpfeln verglichen – eine etwas unfeine Art, Gehaltskürzungen zu tarnen und sie als Einkommenszuwachs anzupreisen.

Diese kleine Auswahl aus der Verschlechterungs-Palette soll als pars pro toto stehen für viele weitere Reduktionen, Einschränkungen, Kürzungen usw., die zukünftige PädagogInnen treffen würden.

Auch wenn mich persönlich diese Änderungen nicht unmittelbar betreffen würden, muss ich schon aus Solidarität mit zukünftigen KollegInnen gegen diese Änderungen protestieren. Faktum aber ist wohl auch, dass über kurz oder lang diese 2-Klassen-Lehrerschaft zu „Anpassungen“ führen würden, deren Richtung ich nicht lange ausführen muss…

Zusätzlich möchte ich auf folgende Missstände hinweisen:

a)      Ignorierung der „LehrerIn 2000-Studie“ und Weigerung des Arbeitsgebers (BM Schmied), eine neuerliche Untersuchung in Auftrag zu geben. Diese Studie besagt, dass die Arbeitsstundenzahl der Lehrer erheblich ist  (1900 Arbeitsstunden pro Jahr!!) und den Stammtischvorwurf vom Halbtagsjob des Lehrers in den Bereich der unverschämten Diffamierung rückt.

b)      Keine Weiterführung der OECD-Studie TALIS 2008. Diese Studie belegt, dass in Österreich den LehrerInnen so wenig  Unterstützungspersonal zur Seite steht wie in keinem einzigen der anderen teilnehmenden Staaten. Diese Weiterführung wurde von Seiten des Bundesministeriums trotz Kostenfreiheit und trotz dringenden Anratens von verschiedenen Seiten (u.a. des BIFIE) ausgesetzt. Ich denke, der Grund dafür liegt auf der Hand.

c)      Ebenfalls keine Weiterführung der WHO-Erhebung HBSC. Frühere Ergebnisse dieser Studie, die vom L.-Boltzmann-Institut durchgeführt wurde, erbrachten eine wöchentliche Arbeitszeitsteigerung der LehrerInnen von durchschnittlich 42,93 Stunden (2006) auf 44,88 Stunden (2010). Auch hier ist wohl offensichtlich, dass diese Ergebnisse nicht ins Argumentationskonzept des Ministeriums passen und deswegen ignoriert werden.

d)      Ebenfalls keine Teilnahme mehr an der OECD-Studie „Education at a glance“. Darin wird der Anteil der öffentlichen Ausgaben für das Schulwesen ausgewiesen. Fazit: Der OECD-Durchschnitt lag bei 8,6%, Österreich lag bei 7% (Datenstand 2010). Dass unser Schulsystem in den Medien immer wieder als eines der weltweit teuersten dargestellt wird, liegt wohl nicht nur an den „bösen“ Medien, sondern hat wohl System…

Noch zwei Bitten:

-          Es ist ja im Zusammenhang mit Schulreformen häufig von Bildungsexperten die Rede, die Konzepte entwerfen und Verbesserungen andenken sollen. Eine Expertengruppe wird hierbei mit großer Beharrlichkeit ausgeklammert, nämlich die Pädagoginnen und Pädagogen, die Tag für Tag ihre Kompetenzen unter Beweis stellen.

-          Wenn Sie als Verantwortliche/r Ihrer Partei nach dem 29. September 2013 Regierungsverantwortung bzw. die Oppositionsrolle tragen, darf ich Sie bitten, Sachverstand bei der Behandlung des Lehrerdienstrechts neu walten zu lassen – zum Wohle nicht nur der LehrerInnen sondern v.a. der SchülerInnen.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Dr. Robert Brunbauer

AHS-Lehrer