Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Auch wenn ich zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Verwirklichung des neuen Lehrerdienstrechts nicht mehr Neueinsteiger sein werde, so ist es mir trotzdem ein großes Anliegen, zu verschiedenen Punkten des Enwurfs Stellung zu beziehen und auszuführen, warum ich es für undurchführbar und qualitätsmindernd halte. Da es bei mir noch nicht lange her ist, dass ich Unterrichtspraktikantin war, kann ich mich noch lebhaft daran erinnern und weiß, wie ausgelastet man ist, da man für die Vorbereitung zu Beginn noch wesentlich länger braucht. Obwohl man "nur" 2 Klassen unterrichtet - nach dem derzeitigen Dienstrecht, ist man sehr ausgelastet, da die Vor- und Nachbereitung noch so viel Zeit aufgrund fehlender Routine beansprucht. Ich kann mir unter keinen Umständen vorstellen, wie ein Lehrer in der "Induktionsphase", wie das Unterrichtspraktikum neu heißen wird, es zeitlich schaffen soll, so wie es vorgesehen ist. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, sofort eine volle Lehrverpflichtung (also 24 Stunden reine Unterrichtszeit, wozu man noch einmal dieselbe Zahl an Vor- und Nachbereitung addieren darf!) zu haben und nebenbei zu unterrichtsfreien Zeiten (Wochenende?) noch zusätzlich die Ausbildungsseminare an der Pädagogischen Hochschule zu besuchen! Weiters steht noch im Entwurf, dass zusätzlich noch ein gewisses Stundenausmaß an Hospitationsverpflichtung dabei sein soll. Man kann sich ausrechnen, auf wieviele tatsächliche Arbeitsstunden ein Lehrer der "Induktionsphase" kommt! Will man das tatsächlich dursetzen, wird es in Kürze viel zu wenig Junglehrer geben, die in den Beruf einsteigen bzw. diejenigen, die es schon tun, werden in kürzester Zeit im Burnout landen. Das ist ein Arbeitsmaß, das nicht unter Erhaltung der Gesundheit geleistet werden kann.

 

Es ist außerdem eine absolute Irreführung der Bevölkerung bei den 24 Stunden Lehrverpflichtung von "Arbeitszeit" zu sprechen, so wie es momentan weitläufig in den Medien gehandhabt wird! Mit den 24 Stunden, die man nach dem neuen Dienstrecht vor der Klasse steht (unabhängig von massiven Unterschieden im Zeitaufwand für Korrektur- und Vorbereitung für das jeweilige Fach!), ist die Arbeitszeit eines Lehrers wohlkaum erfüllt! Man vergisst dabei Vor- und Nachbereitung, Korrekturarbeiten oder auch Fortbildungen, die im Entwurf für das neue Dienstrecht mit 15 Stunden pro Schuljahr veranschlagt sind, und zwar außerhalb der Unterrichtszeit, also wohl am Wochenende.

Die Streichung von Lehrverpflichtungsgruppen ist alles andere als gerecht, wenn man bedenkt, dass es Fächer gibt, für die KEINERLEI Korrekturarbeiten anfallen. Wie kann es gerechtfertigt sein, dass sowohl ein Deutschlehrer als auch ein Sportlehrer gleich viele Stunden abhalten müssen, wo Deutsch eindeutig ein massiver Mehraufwand durch Schularbeitenerstellung und -korrektur sowie Hausübungskorrektur ist, im Vergleich zum Sportunterricht, bei dem all das NICHT anfällt. Wie könnte die Durchsetzung einer solchen Regelung für ein angenehmes Klima im Kollegium je beitragen? Wieso soll ein Hauptfachlehrer um diese Zusatzarbeiten mehr leisten müssen für dieselbe Abgeltung? Das ist kaum zu rechtfertigen.

 

Die Streichung fast aller Zulagen wie Klassenvorstandsabgeltung oder Kustodiate ist aufgrund des eindeutigen Mehraufwandes für diese Verpflichtungen schlichtweg nicht einzusehen und wird über kurz oder lang dazu führen, dass man niemanden mehr findet, der sich dafür bereit erklärt.

 

In Punkto Lehrerausbildung steht im Entwurf, dass ein Bachelorstudium alle Anfordernisse  für alle Schultypen erfüllt, dass demnach also ein Lehrer mit einem abschgeschlossenem Bachelorstudium an allen Schultypen wie ORG, HAK zwar angestellt werden darf. Gleichzeitig heißt es aber im Entwurf, dass trotz dieser Anstellungsmöglichkeiten ein solcher Lehrer aber an derselben Schule NICHT unterrichten darf! Das ist eine absolute Irreführung und dient wohl nur dazu, über kurz oder lang dann genügend Lehrer zur Verfügung zu haben, die dann an der NMS eingesetzt werden, weil dort ohnehin Not am Mann ist und der Lehrer ja an "seiner" Schule, an der er angestellt wurde, nicht unterrichten darf.

Weiters steht im Entwurf, dass der NICHT-Erwerb eines Masterstudiums innerhalb der ersten  5 Dienstjahre einen Kündigungsgrund darstellt. Man stelle Sich dieses Szenario vor: ein Lehrer in der Induktionsphase bzw. den ersten Dienstjahren, der einen ungleich höheren Zeitaufwand für Vor-und Nachbereitung hat, in der unterrichtsfreien Zeit etlich PH-Seminare besuchen muss und zusätzlich zu den eigenen 24 gehaltenen Stunden auch noch Hospitationsverpflichtung hat, oder auch ein Junglehrer in den weiteren 4 ersten Dienstjahren mit hohem Zeitaufwand wie oben beschrieben, soll zusätzlich noch an der Universität ein vollwertiges Masterstudium NEBENBEI (-ich frage Sie, WANN das möglich sein soll-) absolviert werden.

Das kann man nur als praxisferne sowie undurchdachte Lösung ansehen, die von Leuten ohne Expertise erstellt wurde und unrealistisch und nicht machbar ist.

Zu diesem Thema muss man auch noch die "neue" Mentorenausbildung besonders hervorheben, die an Unmöglichkeit nicht zu überbieten ist. Der Mentor für einen Lehrer in der Induktionsphase soll tatsächlich neben seiner vollen Lehrverpflichtung einen vollwertigen Hochschullehrgang über 90 ECTS absolvieren! Das entspricht einem 3-semestrigen Vollstudium.

Wie soll das funktionieren? Glauben Sie wirklich, ein Vollzeit-Student könnte tatsächlich NEBENBEI noch als Vollzeitlehrer arbeiten? Das ist menschenunmöglich, um nicht zu sagen, menschenverachtend! Und in der Folge wird es keine Lehrer mehr geben, die sich für diese Ausbildung bereit erklären. Wer würde das schon tun  und noch dazu - wie der neue Entwurf es vorsieht - für eine Abgeltung von 90 bzw. 120 oder 150 Euro 14mal im Jahr? Niemand wird das mehr freiwillig machen und ein Mangel an Mentoren ist damit vorprogrammiert.

 

In Punkto Abgeltung sollte in den Medien auch einmal der Standpunkt der Lehrer dargestellt werden und nicht immer von einer "Arbeitszeit" von 24 Stunden geredet werden, da dies eine glatte Lüge ist. Das ist die Unterrichtszeit. Die Arbeitszeit ist in Summe mindestens noch einmal so viel...wenn man die Mentorenausbildung macht, wohl eher dreimal so viel.

Außerdem sollte Klartext geredet werden, was die Lebensverdienstsumme betrifft! Es ist Tatsache, dass aufgrund der vorgesehenen Bestimmungen die Lebensverdienstsumme um bis zu 500 000 Euro weniger sein wird. Unterrichtet man nur in der Unterstufe (Bachelor), dann kommen noch einmal bis zu 70 000 Euro weg. Alles in allem darf man also von einer finanziellen Einbuße der Lebensverdienstsumme um ca 20% reden, dies aber bei wesentlich mehr Arbeitsstunden, nämlich, je nach Fach und Zusatzverpflichtungen, um bis zu 40 % mehr Arbeitszeit. Das sollte auch einmal an der Öffentlichkeit ehrlich beim Namen genannt werden und zugegeben werden, dass das neue Lehrerdienstrecht massive Einbußen für Leher bedeuten würde, so wie es derzeit vorgesehen ist.

Wie sollte man das ernstzunehmend rechtfertigen können?

 

Durch die Übernahme zusätzlicher Klassen bei den beschriebenen Bedingungen kann man sich vorstellen, dass dann Individualförderung der Schüler/innen ein frommer Wunsch bleibt. Es ist nur logisch, dass man auf diese Weise noch viel weniger Zeit hätte, sich um die Anliegen einzelner Schüler/innen zu kümmern. Ist das denn für die Kinder Österreichs wünschenswert? Ich glaube nicht!

 

Würden Sie als junger Mensch mit diesen Aussichten auch nur daran denken, den Lehrberuf zu ergreifen? Ich wage es sehr zu bezweifeln! Und es wäre auch sicher die logische Folge, dass wir einen nicht auszudenkenden Lehrermangel hätten!

 

Ich stehe absolut dahinter, dass natürlich Reformen durchgeführt werden müssen und das Bildungssystem Neuerungen braucht, doch dafür braucht es vernünftige und realistische Ansätze von Experten, die wissen, wie der Schulalltag funktioniert.

 

Darum appeliere ich in aller Form an Sie und ersuche Sie, dem Entwurf unter keinen Umständen zuzustimmen!

Hochachtungsvoll,

Mag. Sarah Hörmann.