Stellungnahme zum neuen
Lehrerdienstrecht
Sehr geehrte Damen und Herren!
Als AHS-Lehrerin im 34. Dienstjahr (Unterrichtsfächer: Deutsch/
Französisch) bin ich vor allem über folgende Punkte des neuen
Lehrerdienstrechts einigermaßen befremdet.
1. Das neue Dienstrecht sieht für alle Lehrer
einheitliche Werteinheiten vor. Mir ist nicht ganz klar, wie eine derartige
Änderung begründbar ist. Ich weiß nicht, ob Sie mir zustimmen,
dass - auch wenn die Formate sich ändern - wir Sprachlehrer den
Jugendlichen doch noch beibringen sollen, ihren Ausdruck zu schulen und Texte
zu formulieren. Diese Kompetenz kann individuell (Stichwort:
Individualisierung) nur durch entsprechendes Feed-back (= Korrektur der
Arbeiten und zwar Hausübungen und Schularbeiten) erreicht werden.
Es scheint allerdings noch immer nicht publik geworden zu sein, wie viel Zeit
es erfordert, Texte durchzuarbeiten. Ich selbst unterrichte im Schnitt 110 -
130 Schüler, es wäre nun ein schönes Experiment auszurechnen,
wie viel Zeit ich einsetzen muss, wenn ich pro Arbeit zwischen 10 Minuten bis
zu 30 Minuten - je nach Anforderung und Schulstufe - benötige.
Meist benützen Sprachlehrer für die Korrektur das Wochenende, da sie
die Arbeit während der Woche kaum bewältigen können. Eine
finanzielle Abgeltung dieser geleisteten Arbeit ist nett, kann aber den
Zusatzaufwand und vor allem den energetischen Einsatz nicht wettmachen.
Daraus ergibt sich:
2. Eine Erhöhung der Lehrpflicht auf 24 Stunden für
Lehrer - vor allem der AHS - ist unzumutbar.
Eine dermaßen undifferenzierte Sichtweise, die generell über alle
Lehrer, egal ob Volksschule, Neue Mittelschule, BHS oder AHS - immerhin besteht
die AHS-Unterstufe noch und die Oberstufe dürfte auch in Zukunft gebraucht
werden - dasselbe Dienstrecht und damit auch dieselbe Lehrverpflichtung
vorschreibt, kann jemand, der aus der Schulpraxis kommt, nur mit großer
Verwunderung und Aggression zur Kenntnis nehmen. Es scheint, als wäre den
Verfassern des neuen Dienstrechts die unterschiedliche Struktur dieser
Schulsysteme nicht bekannt.
Wenn ein AHS-Lehrer vier Stunden mehr unterrichtet, heißt das nicht
einfach, dass er "mehr Zeit mit den Kindern verbringt", es
heißt, er muss die Führung von meist mehreren Klassen
übernehmen (= Korrektur, Vorbereitung!). Vielleicht erscheint Ihnen mein
Verweis auf "Vorbereitung" nach 34 Jahren Dienstzeit seltsam, aber
die Forderung nach einem Unterricht, der sich der Dynamik der jeweiligen
Klasse (> Gruppendynamik) und der jeweiligen Schüler anpasst (=
Individualisierung) ist ein Unterrichtsprinzip, das von vielen meiner Kollegen
schon seit langem gelebte Praxis (= sehr viel Einsatz) darstellt.
3. Völlig unverständlich für einen AHS-Lehrer ist
der Passus, dass Lehrer in allen Unterrichtsfächern eingesetzt werden
können.
Speziell ausgebildete Skilehrer unterrichten Menschen, die sich für einen
Wettbewerb in Tennis angemeldet haben, oder wie...??
Anstatt Lehrer als Vertreter einer arbeitsscheuen Leidensgemeinschaft
ständig abzuwerten, sollten die Verfasser des neuen Dienstrechts sich
lieber in der Praxis umsehen.
Die Lehrer, die dieses neue Dienstrecht einfach hinnehmen, sind wohl eher jener
Gruppe zuzuordnen, die Veränderung über sich ergehen lässt, da
sie jede Forderung einfach aussitzt.
Die Lehrer, die sich engagieren und ihren Auftrag ernst nehmen, sind in Zukunft
tatsächlich gefährdet, ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr
gerecht werden zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Mag. Ursula Waldhuber-Künstner
BG/BRG Leibnitz
Wagnastraße 6
8430 Leibnitz
Folgende KollegInnen schließen sich meiner Stellungnahme an:
Aus Zeitmangel konnte ich dieses Schreiben leider nur einigen KollegInnen zur
Kenntnis bringen, außerdem unterrichten viele KollegInnen in einem
anderen Gebäude.
Ich bin mit einer Veröffentlichung dieser Stellungnahme einverstanden.