Dir. Mag. Johann Waser

BG/WRG Linz

Körnerstraße 9

4020 Linz

 

Linz, 23. 9. 2013

 

Präsidium des Nationalrates

(mit der Bitte um Veröffentlichung auf der Homepage)

per Mail

 

 

Stellungnahme zum Entwurf für ein neues Lehrerdienstrecht

 

Als Lehrer mit mehr als 30 Jahren Schulerfahrung und als Leiter einer höheren Schule gebe ich zum vorliegenden Entwurf in offener Frist folgende Stellungnahme ab:

 

Der Entwurf enthält eine Reihe von Regelungen, die aus meiner Sicht die Qualität des Unterrichts und die in Zukunft nötige personelle Ausstattung zumindest der höheren Schulen in bedrohlicher Weise gefährden.

1.       Völlig inakzeptabel und ruinös für die Unterrichtsarbeit ist aus meiner Sicht die nahezu völlige Abschaffung von Kustodiaten, insbesondere für die Schulbibliothek, für die Betreuung der EDV-Ausstattung oder der audiovisuellen Medien, für Chemie usw, zumal ja in keiner Weise vorgesehen ist, dass diese Arbeit von entsprechend qualifiziertem Nichtlehrerpersonal abgedeckt wird. Die EDV-Räume, die Schulbibliothek und diverse Kabinette werde ich als Schulleiter mit Sicherheit im wahrsten Sinn des Wortes „zusperren“ müssen, weil eine qualitätvolle Betreuung „so nebenbei“ einfach nicht möglich sein wird.

2.       Der Entwurf sieht eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit für nahezu alle Lehrenden an höheren Schulen vor, und zwar in zum Teil gravierender Weise (statt bisher 18 Wochenstunden im Fall von zwei Korrekturfächern auf 22 bis 24 Stunden). Das bedeutet, dass jede Lehrkraft bis zu zwei Klassen mehr zu unterrichten haben wird. Gerade die neuen Regelungen für die Vorbereitung und Korrektur von Schularbeiten – und demgemäß müssen auch vorbereitende Übungen erstellt und korrigiert werden -  bedeuten bereits einen enormen zeitlichen Mehraufwand, der durch zwei zusätzliche Klassen radikal vermehrt wird. Angesichts dieser Aussichten befürchte ich, dass die Zahl an Lehrkräften, die sich diese Mehrbelastung antun werden, zu einem noch wesentlich spürbareren Mangel führen wird, als dies bereits jetzt der Fall ist.

3.       Die völlige Gleichstellung aller Unterrichtsgegenstände berücksichtigt nicht, dass die Anforderungen an Vorbereitung, Differenzierung im Unterricht und Zeit für Korrekturen, schriftliche Prüfungen etc. doch sehr unterschiedlich sind.

4.       Die Änderung des Gehaltsverlaufes mit höheren Anfangs- und niedrigeren Endgehältern halte ich grundsätzlich für eine richtige und schon längst dringend gebotene Entscheidung. Sie darf jedoch nicht dazu führen, dass dadurch eine wesentliche Kürzung der Lebensverdienstsumme zustande kommt. Diese muss auch fair ermittelt werden, nämlich unter der Annahme einer gleich hohen Arbeitsbelastung (= Zahl der zu unterrichtenden Wochenstunden; Berücksichtigung der unterschiedlich hohen Anforderungen je nach Fach).

5.       Der Entwurf garantiert nicht, dass an höheren Schulen nur masterwertig ausgebildete Lehrkräfte unterrichten. Gerade die Fachkompetenz, die durch eine universitäre Ausbildung garantiert wird, gehört aber zu den Fundamenten und Erfolgsfaktoren der höheren Schulen, besonders auch in der Sekundarstufe 1.

6.       Als Schulleiter ist es für mich unvorstellbar, dass jede Lehrkraft sogar gegen den eigenen Willen an jeder beliebigen Schulart und in jedem Fach eingesetzt werden kann. Jedes Fach und jede Altersstufe verlangt eine eigene Didaktik, die ausreichend trainiert werden muss.

7.       Die de facto Abschaffung des Unterrichtspraktikums, das ich für eines der konstitutiven Elemente der bisherigen Lehrerausbildung für höhere Schulen halte, ist für mich absolut nicht zielführend. Aus meiner Erfahrung als Betreuer des Schulpraktikums im 6. Semester der Pädagogischen Akademie bzw. der PH und aus der Begleitung von Unterrichtspraktikantinnen und –praktikanten weiß ich, wie wichtig eine ganz intensive Vorbereitung des Unterrichts und eine ausreichende Betreuung durch die Einführenden ist. Mit einer vollen Lehrverpflichtung, wie dies im neuen Dienstrecht als Normalfall vorgesehen ist, sind weder ausreichende Vorbereitung noch ausreichende Reflexion des Unterrichts möglich.

8.       Die äußerst zeitaufwändige Ausbildung für die Tätigkeit als Mentor/in sehe ich zwar grundsätzlich positiv im Sinne einer möglichst umfassenden Vorbereitung auf diese Aufgabe. Sie wird aber neben dem eigenen Unterricht für viele kaum zu bewältigen sein. Schon jetzt finde ich als Leiter nur schwer Kolleginnen und Kollegen, die sich für diese Aufgabe ausbilden lassen. Mit der Einrechnung von bloß einer einzigen Wochenstunde und der umfangreichen Ausbildung fürchte ich, dass der Mangel an Mentorinnen und Mentoren drückend werden wird.

 

Ein neues Dienstrecht sollte Anreize geben, den Lehrberuf noch attraktiver zu machen und die Qualität der schulischen Arbeit wenn möglich noch zu heben. Beides sehe ich mit dem vorliegenden Entwurf keinesfalls gegeben, im Gegenteil.

Daher ersuche ich die Abgeordneten des Hohen Hauses, diesen Entwurf unter Einbeziehung aller Lehrergewerkschaften nochmals gründlich zu überarbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Dir. Mag. Johann Waser