9/SPET XXIV. GP

Eingebracht am 24.03.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Petititon

An die

Parlamentsdirektion

z.Hd. Herrn Mag. Gottfried MICHALITSCH

Parlament 1017  Wien

Betrifft: Petition Nr. 8 Weg mit den ORF-Gebühren"

Zu der im Betreff genannten Petition nimmt das Bundeskanzleramt wie folgt Stellung:

1.  Grundsätzliches

Mit der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für ein duales Rundfunksystem in Österreich hat sich der Gesetzgeber bewusst für die Finanzierung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks vor allem durch Beiträge durch die Rundfunkteilnehmerinnen und -teilnehmer entschieden. Von den sogenannten ORF-Gebühren" entfallen etwa zwei Drittel auf das Programmentgelt"; der Rest setzt sich aus Rundfunkgebühren und verbundenen Abgaben zusammen, die nicht der Finanzierung des ORF dienen.

Das duale Rundfunksystem Österreichs bezweckt ein Nebeneinander von öffentlich- rechtlichem Rundfunk und privaten Veranstaltern. Das Konzept des öffentlich- rechtlichen Rundfunks hat sich auf europäischer Ebene über die Jahrzehnte etabliert und bildet nach wie vor einen Eckpfeiler einer Rundfunklandschaft, die demokratie-           BALLHAUSPLATZ 2 1014 WIEN TEL.: (+43 1) 53115/0 WWW.BUNDESKANZLERAMT.AT DVR: 0000019


politischen und kulturellen Zielsetzungen verpflichtet ist. Zum Wesen des öffentlich- rechtlichen Rundfunks gehören üblicherweise neben dem öffentlichen Auftrag und der Repräsentation der Öffentlichkeit in den Organen, eben auch das System der Finanzierung durch die Öffentlichkeit.

2.  Programmauftrag

Der ORF hat, gleichsam als Gegenleistung für die Zuwendung der öffentlichen Mittel einen öffentlichen Auftrag (Programm- und Versorgungsauftrag sowie besondere Aufträge) zu erfüllen. Das in den Programmen des ORF vermisste „Objektivitäts- und Informationsprinzip", sowie die „Grundversorgung an Bildung" findet sich inhaltlich insbesondere in den Zielbestimmungen des § 4 Abs. 1 ORF-G und im Objektivitäts- gebot des § 4 Abs. 5 ORF-G wieder. Die Rechtsaufsicht über den ORF kommt dem Bundeskommunikationssenat (BKS) zu.

Das Programmangebot des ORF hat im Sinne des § 4 ORF-G unterschiedliche Ka- tegorien zu umfassen, wozu auch massenattraktive Sendungen wie Unterhaltung und Sport zählen - wobei anzumerken ist, dass sich die Begriffe „anspruchsvoll" und „massenattraktiv" nicht ausschließen müssen. Dass die Finanzierung sogenannter massenattraktiver Sendeinhalte ebenfalls aus Programmentgelt erfolgen darf, steht im Einklang mit dem auf Ebene der Europäischen Gemeinschaft geäußerten Ver- ständnis zum Wesen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der BKS stellt in seiner Judikatur zum Verständnis des Programmauftrags auch unmissverständlich klar, dass sich die Vorgaben in § 4 ORF-G auf die Gesamtheit der zu verbreitenden Pro- gramme über einen längeren Zeitraum und nicht spezifisch auf einzelne Sendungen beziehen. Der dem ORF zur Erfüllung seines Programmauftrags zukommende Ge- staltungsspielraum zeigt sich auch deutlich hinsichtlich des Objektivitätsgebots. Denn Auswahl und Gewichtung der Berichterstattung über bestimmte Ereignisse, Vor- kommnisse oder Meinungen innerhalb des rundfunkverfassungsrechtlichen Rah- mens ist - bei Sendungen, die der ORF selbst gestaltet - Sache des ORF. Ebenso wenig widerspricht es dem Objektivitätsgebot, wenn etwa ein Kommentator bei ei- nem als „Analyse" bezeichneten Beitrag, seine subjektive Meinung zum Ausdruck bringt, sofern die Inhalte an sich aus verlässlicher Quelle stammen, gut begründet sind und auch sonst dem Sachlichkeitsgebot entsprechen.

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Gerade das duale Rundfunksystem mit dem ORF, der nicht ausschließlich auf die Selbststeuerungskraft des Marktes angewiesen ist und einem gesetzlich aufgetrage- nen Binnenpluralismus unterliegt, auf der einen Seite, und den privaten Rundfunk- veranstaltern auf der anderen Seite, sind unverzichtbare Beiträge zur Schaffung ei- ner meinungsvielfältigen Medienlandschaft. Im international zunehmend auf Spar- tenangebote ausgerichteten und durch zunehmende Konzentrationen geprägten Rundfunkmarkt hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Anbieter, dessen Handeln an gesetzlich aufgetragene Programmgrundsätzen gebunden und insbesondere zu Objektivität, Unabhängigkeit und Meinungsvielfalt verpflichtet ist, nach wie vor eine wesentliche Bedeutung.

3.  Gebühren im europäischen Vergleich

Dass die Rundfunkgebühren in Österreich - gemessen in Prozent des BIP pro Ein- wohner - im europäischen Vergleich am höchsten seien, ist eine zu eindimensionale Betrachtungsweise. Gemäß einer von der Broadcasting Fee Association (BFA), dem Dachverband elf europäischer Rundfunkgebührengesellschaften, durchgeführten Studie im Jahr 2007, sind die Rundfunkgebühren, wie sie der Konsument letztlich wahrnimmt, in Dänemark, der Schweiz und in Norwegen höher als in Österreich. Darüber hinaus ist der Umstand, dass Österreich gemessen in Prozent des BIP pro Einwohner die höchsten Rundfunkgebühren habe, zu vernachlässigen, da es sich dabei um Unterschiede in Zehntel- bzw. Hundertstelprozentpunkten handelt.

4.  Digitalisierung

Der Initiator der Petition vermeint, dass aufgrund der Umstellung auf digitales Fern- sehen die Zuseher gezwungen würden, auf eigene Kosten technisch umzurüsten. Dazu ist Folgendes auszuführen: Es ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts- hofs vom 4.9.2008, 2008/17/0057 hinzuweisen, wonach die geltende Rechtslage da- hin auszulegen ist, dass keine Pflicht zur Zahlung des Programmentgelts für jene Personen in digital versorgten Gebieten besteht, die die ORF-Programme mangels technischer Ausrüstung weder digital terrestrisch noch digital über Satellit noch über ein (analoges oder digitalisiertes) Kabelnetz empfangen können. Es muss aber auch dem ORF möglich sein, zeitgemäße Übertragungstechniken zu wählen. Vergleicht man den Investitionsaufwand für die Umstellung mit dem Erneuerungszyklus bzw. Investitionsaufwand bei Fernsehgeräten und anderen elektronischen Medien, so liegt           BALLHAUSPLATZ 2 1014 WIEN TEL.: (+43 1} 53115/0 WWW.BUNDESKANZLERAMT.AT DVR: 0000019

dieser in einem vernachlässigbaren Bereich. Zudem wurden im Rahmen des Digitali- sierungsfonds mehrere Millionen Euro zur Abfederung der Umstellungskosten auf Konsumentenseite verwendet.

5.  Zusammenfassung

Zusammenfassend sei nochmals auf den im Allgemeininteresse liegenden öffentli- chen Auftrag des ORF hingewiesen, der nur mit einer umfangreichen und stabilen Finanzierung des ORF erfüllt werden kann, die nicht nur durch eigene Einnahmen des ORF in Form von Werbung und Sponsoring, sondern auch durch die Allgemein- heit getragen wird. Gerade diese solidarische Finanzierung wird dem öffentlich- rechtlichen Charakter des Angebots des ORF am besten gerecht, und sorgt dafür, dass auf lange Sicht ein umfangreiches Angebot von hoher Qualität und österreichi- scher Prägung angeboten werden kann.

24. März 2009

Für den Bundeskanzler:

MATZKA

Elektronisch gefertigt

 

 

 

 

 

 

 

 

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