246/SPET XXIV. GP

Eingebracht am 15.11.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Petition


 

Sehr geehrte Frau Vorsitzende!

Gerne kommt die Volksanwaltschaft dem Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürger­initiativen nach, eine Stellungnahme zur gegenständlichen Petition abzugeben. Weil das verfas­sungsgesetzliche Mandat der Volksanwaltschaft seit Inkrafttreten des OPCAT- Durchführungsgesetzes, BGBl. I Nr. 1/2012, zum Schutz und Förderung der Menschen-rechte deutlich erweitert wurde, wird das Ersuchen zum Anlass genommen, darin berührte menschen­rechtliche Aspekte ausführlicher zu beleuchten.


In der Petition Nr. 169 wird gefordert, davon abzusehen, „in Österreich Asylwerberinnen und Asylwerber in Kasernen unterzubringen“. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass die Zahl von Asylsuchenden in Österreich 2011 im Vergleich zu 2010 gestiegen ist. Im Hinblick auf das „Dub­lin-Abkommen“ (gemeint dürfte das Dubliner Übereinkommen (97/C 254/01) sein, welches wiede­rum durch die Dublin-Il-Verordnung Nr. 343/2003 ersetzt worden ist) sei zu hinterfragen, ob Ös­terreich, für „diese Asylwerber“ zuständig sei. Andererseits wird erwähnt, dass „Bürger von betrof­fenen Gemeinden vorab zu befragen seien und eine Entwicklung wie bei dem geplanten Projekt Asylzentrum Eberau vermieden werden solle“.

 




Aus Sicht der Volksanwaltschaft stellen sich damit in Zusammenhang zwei Fragen:

1.      Ist Österreich verpflichtet Asylbewerbern Unterkunft zu gewähren?

2.      Sind Kasernen geeignete Orte für die Unterbringung von  Asylwerberinnen und Asylwer­bern?

Ad 1:

Gemäß Art 13 iVm Art 2c und 3 der EU-Aufnahmerichtlinie (2003/9/EC - „AufnahmeRL“) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet Asylbewerbern unter anderem Unterkunft, Verpflegung und Kleidung zu gewähren, die einem Lebensstandard entspricht, der die Gesundheit und den Lebensunterhalt gewährleisten. Dies gilt für alle Asylbewerber ab Antragsstellung und den von dem Antrag mitumfassten Familienmitgliedern. Das bedeutet, dass nach herrschender Rechtslage die Repub­lik Österreich verpflichtet ist, Asylwerberinnen und Asylwerbern Unterkunft zu gewähren. Die Auf­nahmerichtlinie gilt aber auch für Asylbewerberinnen und Asylwerber, die unter den Anwen­dungsbereich der Dublin-Il-Verordnung fallen (vgl. UNHCR Statement on the reception conditions of asylum-seekers under the Dublin procedure). Demnach ist es für die Frage, ob Österreich Asylwerbern (zumindest zeitlich begrenzt) Unterkunft gewähren muss oder nicht, irrelevant, ob Österreich in weiterer Folge auch für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist oder nicht. Es ist deshalb festzuhalten, dass eine eindeutige Verpflichtung besteht. Asylbewerberinnen und Asvlwerbern im Bedarfsfall Unterkunft zu gewähren.

Dies wird sich auch in näherer Zukunft nicht ändern. Der Entwurf der Europäischen Kommission für eine neue Aufnahmerichtlinie („Entwurf AufnahmeRL neu“) enthält ebenfalls diese Regelung. Auf diesen Entwurf wird in der Stellungnahme wiederholt verwiesen, weil er ein starker Indikator für die zukünftige Entwicklung ist.

Die Verpflichtung zur Gewährung von Unterkunft besteht aber nicht nur aufgrund des Gemein­schaftsrechts, sondern auch gemäß internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Österreichs. Falls Österreich dieser Verpflichtung nicht nachkommt, würde es Gefahr laufen gegen das Verbot von erniedrigender Behandlung gemäß Art.3 der Europäischen Menschenrechtskonvention („EMRK“) zu verstoßen. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof für Men­schenrechte („EGMR“) Griechenland und Belgien im Jahr 2011 verurteilt (M.S.S. v. Belgium and Greece).

Ad 2.:


Grundlage jeder Beurteilung, ob eine bestimmte Form der Unterbringung von Asylwerberinnen und Asylwerbern legitim ist, muss die Anerkennung und der Respekt vor ihrer menschlichen Wür­de sein. Abgesehen von moralischer Kritik würde eine Nichtrespektierung zu einer Verletzung von Art. 3 der EMRK führen. In diesem Sinne hat der EGMR ausgesprochen, dass, unter Berücksich­tigung der Verletzlichkeit von Asylwerbern, die Nichterbringung von menschenwürdigen Versor­gungsleistungen -zB Unterkunft- eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (M.S.S. v Belgium and Greece). Dieser Basisgrundsatz muss folglich bei der Unterbringung in Kasernen immer beachtet werden.

Gemäß § 11 Abs. 2 des Grundversorgungsgesetzes -Bund (GVG-B 2005), idgF BGBl. I Nr. 100/2005, kann die Verwendung von Kasernen als Betreuungsstelle und damit als Unterkunft für Asylwerber in Betracht gezogen werden. Die Bundesministerin für Inneres und der Bundesminis­ter für Landesverteidigung haben die gesetzliche Ermächtigung, Kasernen durch eine im Einver­nehmen erlasse Verordnung zu Betreuungsstellen zu erklären. Trotz dieser einfachgesetzlichen Grundlage könnte es aber Gründe geben, die gegen diese Form der Unterbringung sprechen. Insbesondere ist auch die Unterbringung in Kasernen im Lichte der AufnahmeRL zu beurteilen, welche einen verpflichtenden Kriterienkatalog für die angemessene Versorgung von Asylwerbe­rinnen und Asylwerbern enthält. Die Verordnungsermächtigung gem. § 11 Abs. 2 GVG-B 2005, ist vor dem Hintergrund, dass der Bund verpflichtet ist Vorsorgekapazitäten zu schaffen, zu sehen. Von der Gewährleistung der materiellen Verpflichtungen der AufnahmeRL ist der Bund nicht schon deshalb entbunden ist, weil die Gewährleistung entsprechender Leistungen auf Landes­ebene in der Mehrheit der Bundeländer zurzeit unzureichend funktioniert. Unter der Vorausset­zung, dass allgemeine menschenrechtliche Grundsätze dabei beachtet werden können, ist die in der österreichische Rechtsordnung vorgesehene Verordnungsermächtigung zur Verwendung von Kasernen als Unterkunft für Asylwerberinnen und Asylwerbern bei Kapazitätsengpässen daher prinzipiell als europarechtskonform anzusehen.

Tatsächlich werden Kasernen als Unterkünfte für Asylwerberinnen und Asylwerber in anderen EU-Staaten bereits herangezogen bzw. ist die Unterbringung dieses Personenkreises dort aktuell geplant, wie zum Beispiel im Vereinigten Königreich, Irland, Ungarn, Griechenland, Litauen oder Deutschland. Mitgliedsstaaten haben einen gewissen Entscheidungsspielraum, ob sie Asylwerbe­rinnen und Asylwerber in Unterbringungszentren, privaten Häusern, Wohnungen, Hotels Unter­kunft gewähren oder Ihnen ausreichende finanzielle Unterstützungen zukommen lassen, um selbst eine Unterkunft wählen zu können. Gleichzeitig muss aber bei der Wahl der zugewiesenen Unterkunft beachtet werden, dass die Rechte der Asylbewerberinnen und Asylbewerber gewahrt werden. Eine Beurteilung, ob dies bei einer bestimmten Unterkunftsform in einer dafür ausge­wählten Kaserne gegeben ist, kann nur im Rahmen einer Einzelprüfung beurteilt werden. Dies auch insbesondere deshalb, weil Kasernen in Österreich unterschiedlichste Strukturen in Hinblick auf Größe, Alter, geographische Lage, Ausstattung und Verwendung aufweisen.

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Neben der Gewährung allgemeiner Rechte, die keinen direkten Einfluss auf die Wahl der Unter­künfte haben - wie zB Informationserteilung, Aushändigung von Dokumenten, Zugang zu Be­schäftigung und beruflicher Bildung oder medizinischer Versorgung - müssen laut AufnahmeRL neben sonstigen menschenrechtlichen Verpflichtungen insbesondere folgende Aspekte beachtet werden:

A.      Privatsphäre wird nicht beeinträchtigt

B.      Wahrung der Einheit der Familie

C.     Grundschulerziehung und weiterführende Bildung Minderjähriger

D.     Maßnahmen zur Gewaltprävention in Unterbringungszentren

E.      Möglichkeit mit Verwandten, Rechtsbeiständen, Vertretern des UNHCR und anerkannten NGOs in Verbindung zu treten

F.      Gewährleistung eines  ausreichenden Lebensstandards  für besonders  bedürftige Perso­nen, wie Minderjährige, Behinderte, Älteren, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minder­jährigen Kindern und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben („Folteropfer - Im Entwurf AufnahmeRL neu umfasst diese Gruppe auch explizit die Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen psychischen Störungen oder post­traumatischen Belastungsstörungen)

Um diese Verpflichtungen zu erfüllen, werden für die Aufnahme von Asylwerbern in Kasernen zumindest strukturelle und bauliche Anpassungen nötig sein. Im Folgenden wird auf die einzelnen Punkte eingegangen:

Punkt A., B. und F.:

Die Infrastruktur von Kasernen in Österreich ist auf die militärische Aufgabenerfüllung von ca. 14.500 Berufssoldatinnen und Berufssoldaten (davon 340 im Ausland geboren), zum anderen Teil aber auch auf die zeitlich eingegrenzte Verpflichtung von derzeit ca. 12.000 volljährigen, männli­chen, gesunden Grundwehrdienern, von denen 440 im Ausland geboren wurden, ausgerichtet


Militärische Anlagen bestehend daher aus unterschiedlichen Zwecken gewidmeten Gebäude­komplexen, welche auf unterschiedliche Gruppenverbände Bedacht nehmen, nicht aber darauf ausgerichtet sind, den einzigen Lebensmittelpunkt für Zivilpersonen zu bilden. Die Volksanwalt­schaft verweist in diesem Zusammenhang auf ihre auch öffentlich in zahlreichen Berichten geäu­ßerte Kritik, wonach auf Grund  jahrzehntelanger Versäumnisse und knapper Budgets die zuwei­len Vorgefundenen Wohn- und Hygienestandards alters-  sowie  nutzungsbedingt aktuell weder  den Anforderungen noch den Bedürfnissen von Grundwehrdienern und dem Kaderpersonal noch einschlägigen wehrrechtlichen Erfordernissen entsprechen. Ohne alle Kasernen im Detail zu ken­nen und den aktuellen baulichen Zustand zum Verkauf anstehender, seit längerem leer stehender Objekte einschätzen zu können, kann auf Grund der bisherigen Wahrnehmungen der Volksan­waltschaft ausgeschlossen  werden, dass man  Zweckänderungen  ohne Adaptierungen vorneh­men kann. Dies betrifft beispielsweise den erforderlichen barrierefreien Zugang, zeitgemäße klei­nere Wohneinheiten mit funktionellen sanitären Voraussetzungen oder die Gewährleistung von Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre, die ein zentralen Aspekt menschenwürdigen Wohnens darstellen, im Allgemeinen. Es gibt Kasernen, die etwa auch über Sport- und Freizeitanlagen ver­fügen; genereller Standard ist dies nicht. Obwohl aufgrund der Tatsache, dass auch weibliche Soldatinnen und weibliches Zivilpersonal in Kasernen ihren Dienst versehen, bislang schon ein­zelne geschlechterspezifische Baumaßnahmen umgesetzt wurden, so  ist  doch davon auszuge­hen, dass in den Unterkunftstrakten von Kasernen ein krasses Ungleichgewicht zwischen der für Männer und Frauen gewidmeten Infrastruktur besteht. Auch darauf hat die Volksanwaltschaft in ihren Berichten  bereits hingewiesen.  Auf  kindergerechte Lebenswelten sind Kasernen naturge­mäß gar nicht ausgerichtet.

Dies erweist sich in Hinblick auf die Wahrung der Einheit der Familie und der damit verbundenen Unterbringung  von  zahlreichen weiblichen oder minderjährigen Asylwerbern als problematisch. Aus diesem Grund dürfte auch im Entwurf AufnahmeRL neu unter Art. 18/3 explizit vorgesehen sein, dass in Unterbringungszentren die geschlechts- und altersspezifischen Aspekte sowie die Situation von schutzbedürftigen Personen zu berücksichtigen ist. Die AufnahmeRL sieht weiters vor, dass unbegleitete Kinder prioritär bei Verwandten oder Pflegefamilien untergebracht werden sollen, jedenfalls aber nur in Unterkünften, die für Minderjährige geeignet sind. Dass große Unter­bringungszentren diese Voraussetzungen oft nicht erfüllen, zeigt die Studie der Europäischen Grundrechtsagentur über unbegleitete, minderjährige Asylwerber aus dem Jahr 2010. Es ist da­her festzuhalten, dass Kasernen für unbegleitete Kinder und Jugendliche niemals ein bevorzugter Ort der Unterbringung sein können.

Punkt C.:

Ein Zugang zu Bildungsmaßnahmen könnte entweder in einem am Kasernengelände befindlichen Unterbringungszentrum oder in externen Einrichtungen gewährt werden und wäre im Zusammen­hang - insbesondere was die geographische Lage konkret in Aussicht genommener militärischer Objekte - speziell zu beachten. Es kann nicht ohne weitere Vorabprüfung von einer Eignung aller Kasernenstandorte auch diesbezüglich ausgegangen werden.

Punkt D.:


Vor einer Unterbringung wird ebenfalls die Frage zu klären sein, welche geeigneten Maßnahmen zur Gewaltprävention in Kasernen getroffen werden können. Der Gewaltbegriff umfasst im Ent­wurf AufnahmeRL neu explizit auch die geschlechtsbezogene Gewalt und sexuelle Übergriffe. Viele Kasernen sind für die Unterbringung hunderter, vor allem männlicher, Soldaten konzipiert. Ein solches Umfeld könnte schon aufgrund der Größe und der oben erwähnten Infrastruktur ne­gative Auswirkungen auf einen gewaltfreien Umgang zwischen Asylwerberinnen und Asylwerbern aus unterschiedlichsten Herkunftsländern haben. Jedenfalls sollte aus Gründen der Gewaltprä­vention und zum Schutz der Privatsphäre die Anzahl der Betten pro Zimmer auf ein sinnvolles Maß begrenzt sein („not excessive“ - vgl. den Bericht der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zur Ingewahrsame von Asylwerbern [,,ER-Bericht 2010“]).

Punkt E.:

Die Möglichkeit der Kontaktaufnahme müsste auch in Kasernen gewährt werden und dies müss­ten in Hinblick auf die geographische Lage oder des Risikos von Freiheitsbeschränkungen - zu diesem Punkt vgl. weiter unten - zu beachten sein.

Punkt F. (Folteropfer):

Am schwierigsten erscheint die Eignungsprüfung für die Unterbringung von Folteropfern und an­deren traumatisierten Personen. In vielen Fällen werden Asylwerberinnen und Asylwerber nach Gewalterfahrungen durch Soldaten, Polizisten, bewaffnete Gruppen oder ähnliche nach Öster­reich geflüchtet sein. Ob für diese Menschen ehemalige militärische Kasernen geeignete Orte der Unterbringung wären, ist zumindest streng zu prüfen. Die Eignung hängt sicherlich auch von Er­scheinungsbild der ausgewählten Kasernen und nach ihrer Konzipierung durch die bauliche Struktur ab. Es ist zumindest denkbar, dass ein solches Umfeld und die dadurch geweckten As­soziationen auf Folteropfer und ihre Gesundheit einen negativen Einfluss hätte und zu Retraumatisierungen beiträgt.


In diesem Zusammenhang sei sowohl auch auf Art. 13/2 der AufnahmeRL verwiesen („...Lebensstandard..., der die Gesundheit...gewährleistet) als auch auf Art.11/1 des Entwurfs AufnahmeRL neu, der im Zusammenhang mit der Ingewahrsame von schutzbedürftigen Perso­nen verlangt, dass „ihre Gesundheit, einschließlich ihrer psychischen Gesundheit, und ihr Wohl­ergehen infolge des Gewahrsams nicht erheblich verschlechter[t] werden“. Wenn dieser Grund­satz für die Ingewahrsame gelten soll, wird er ebenso für alle anderen Formen der Unterbringung anwendbar sein. Auch der EGMR betonte im Fall Amuur v France, dass bei der Beurteilung der Bedingungen der Ingewahrsame von Asylwerbern beachtet werden muss, dass diese oft Todes­ängsten ausgesetzt waren bzw. flüchten mussten weil sie an Leib und Leben verfolgt waren. Es ist deshalb festzuhalten, dass Kasernen, aufgrund ihrer baulichen Struktur und ihres Erschei­nungsbildes, für die Unterbringung von Folteropfern und anderen traumatisierten Personen nicht geeignet erscheinen.

Freiheitsbeschränkungen und andere menschenrechtliche Aspekte:

Sammelunterkünfte sind prinzipiell eine legitime Form der Unterkünfte von Asylwerbern und wer­den auch häufig für die Unterbringung herangezogen (vgl. Evaluierungsbericht der Europäischen Kommission zur AufnahmeRL COM (2007) 745 final). Trotzdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch bei offenen oder halboffenen Unterbringungszentren menschenrechtliche Be­denken bzw. Risiken zu beachten sind. Dies betrifft insbesondere das Recht auf Freiheit. (vgl. ER-Bericht 2010).

Aufgrund der erwähnten Konzipierung von Kasernen könnte auch ein höheres Risiko für die (inof­fizielle) Auferlegung von Freiheitsbeschränkungen oder sogar Freiheitsentziehungen bestehen. Dieser Aspekt schließt die Verwendung von Kasernen als Unterkunft nicht aus, aber er ist jeden­falls zu beachten. Für den Fall, dass Freiheitsentziehungen stattfinden, könnte die Art der Unter­bringung unter Umständen als Verletzung von Art. 3 EMRK qualifiziert werden (vgl. ECHR, Ah­made v Greece)

Aber auch abgesehen vom Recht auf Freiheit besteht die prinzipielle Gefahr, dass die Bedingun­gen der Unterbringung von Asylwerbern in Sammelunterkünften, menschenrechtlichen Geboten widersprechen. Im Zusammenhang mit Hafteinrichtungen für Asylwerber wurde im ER-Bericht 2010 erwähnt, dass die Rahmenbedingungen für diese oft schlechter wären als für Insassen in Gefängnissen. Auch wenn Kasernen in Österreich nicht als Hafteinrichtungen für Asylwerber die­nen sollen, so wäre doch zu beachten, dass die Wohnsituation keinesfalls schlechter sein darf als für Gefängnisinsassen. Die Sicht der ER-Berichterstatterin geht aber noch weiter: Sie betont ex­plizit, dass stillgelegte Kasernen keinesfalls für die Gewahrsame von Asylwerbern geeignet wä­ren. Ob Sie trotzdem für Unterbringungen, ohne Freiheitsentziehungen, geeignet sind, muss des­halb - wie oben erwähnt - zumindest im Einzelfall streng geprüft werden.


Außerdem dürfte bei Sammelunterkünften ein größeres Risiko der Überbelegung bestehen. Im Zusammenhang mit Haftzentren wurde dies im ER-Bericht 2010 explizit festgestellt. Ein Grund dafür wären die hohen Errichtungskosten für solche Zentren. Auch wenn diese Argumentation nicht direkt auf Unterbringungszentren angewendet werden kann, so scheint dieses Risiko zu­mindest plausibel. Die dokumentierten Überbelegungen im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen stützen diese Annahme.

In diesem Zusammenhang weist die Volksanwaltschaft auch darauf hin, dass die AufnahmeRL explizit die Förderung einer harmonischen Beziehung zwischen den Kommunen und Unterbrin­gungszentren verlangt. Daher wäre es in der Tat sinnvoll, die umliegende Bevölkerung schon vorab in einem diskursiven Prozess einzubeziehen und zu informieren.

Zusammenfassung:

Auch wenn Kasernen prinzipiell legitime Formen der Unterbringung von Asylwerberinnen und Asylbewerbern sind, so möchte die Volksanwaltschaft betonen, dass diese Unterkünfte deshalb nicht auch notwendiger Weise auch bestens geeignet sind. Vor allem von NGOs gibt es Forde­rungen andere Formen der Unterbringung, wie zum Beispiel durch private Unterbringung, zu be­vorzugen sind. (vgl. ECRE AD3/11/2005/EXT/SH oder JRS: „Alternatives to Detention“). Jeden­falls müssten aber zahlreiche Kriterien vor einer Unterbringung im Einzelfall beachtet und geprüft werden. Sollte dies nicht geschehen, würde eine Unterbringung in Kasernen gegen EU-Recht, österreichisches Verfassungsrecht und menschenrechtliche Verpflichtungen verstoßen.

Für die Volksanwaltschaft:

Volksanwältin Dr. Gertrude BRINEK e.h.