Parlament Österreich

 

 

 

V-4 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Donnerstag, 17. September 2009

 


Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode     Donnerstag, 17. September 2009

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

1.        

 

KOM (09) 338 endg. - Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren

(15573/EU XXIV.GP)

und

 

SEK (09) 916 - Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen

Begleitdokument zu dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über das Recht auf Beiziehung eines Dolmetschers und Übersetzers in Strafverfahren

Zusammenfassung der Folgenabschätzung

(15572/EU XXIV.GP)

 

 

 

2.

           

RAT 11300/09

Preparing the Stockholm Programme - Organisation of discussions in the Council

(14684/EU XXIV.GP)

und

 

KOM (09) 262 endg.

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat

Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der Bürger

(14104/EU XXIV.GP)

 

 

 


Der EU-Unterausschuss des Nationalrats beschäftigte sich in seiner Sitzung vom 17. September 2009 mit dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rats über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren sowie mit dem geplanten so genannten "Stockholm Programm", das dem vom Europäischen Rat im November 2005 angenommenen "Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der EU" folgen soll. Ein konkreter Vorschlag zu einem solchen "Post-Haag-Programm 2010-2014" liegt zwar noch nicht vor, die Europäische Kommission hat jedoch Ende Juni 2009 dazu die Mitteilung "Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienst der Bürger" vorgelegt. Das Haager Programm bildete in den letzten Jahren die Basis für die Kooperation im Bereich Justiz und Inneres.

 

Die Debatte um das "Stockholm-Programm" wurde einstimmig vertagt. Die Abgeordneten wollen die Vorlage des konkreten Programms abwarten und darüber ausführlich mit den betroffenen Ressorts diskutieren. Dies auch deshalb, weil es seitens der Fraktionen, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung, Bedenken gegen einige in der Mitteilung angekündigte Vorhaben gibt. Ein weiterer EU-Unterausschuss dazu wurde für Oktober in Aussicht genommen.

 

Was den Rahmenbeschluss über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren betrifft, so wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ mehrheitlich ein Antrag auf Ausschussfeststellung, eingebracht von den Abgeordneten Johannes Jarolim (S) und Wolfgang Schüssel (V), beschlossen. Die Abgeordneten begrüßen zwar grundsätzlich die Intentionen der Vorlage, sie bezweifeln jedoch, ob eine dringende Notwendigkeit für den Erlass des Rahmenbeschlusses besteht, da die Mitgliedstaaten ohnedies allgemein verpflichtet sind, sich nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu richten. Der Vorschlag erscheint insgesamt im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip problematisch, heißt es im Antrag, weil er die Mitgliedstaaten einseitig mit Kostenfolgen belastet, ohne endgültig den Nachweis zu erbringen, dass die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses neben den ohnedies nach Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK garantierten Rechten notwendig und erforderlich ist, um die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden zu verbessern.

 

Als Ressortzuständige stand Justizministerin Claudia Bandion-Ortner den Abgeordneten für Fragen und Erläuterungen zur Verfügung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rahmenbeschluss

über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren

 

 

 

Mit dem geplanten Rahmenbeschluss über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren sollen gemeinsame Mindestnormen innerhalb der EU auf diesem Gebiet festgelegt werden. Damit will man seitens der EU die Rechte von verdächtigen Personen, die die Verhandlungssprache des Gerichts weder sprechen noch verstehen, stärken und gleichzeitig die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung erleichtern. Verdächtige Personen sollen während des gesamten Strafverfahrens das Recht auf Simultanübersetzung haben, auch während ihrer Gespräche mit dem eigenen Anwalt. Darüber hinaus sollen von allen maßgeblichen Schriftstücken schriftliche Übersetzungen angefertigt werden.

 

Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner informierte die Abgeordneten, dass man beabsichtige, den Rahmenbeschluss in der EU Ende des Jahres zu verabschieden. Sie begrüßte die geplanten Angleichungen der Standards, schränkte aber ein, dass der Begriff "maßgeblich" etwas unklar sei. Außerdem, so die Justizministerin, entspreche die österreichische Rechtsprechung den Standards des EGMR. Es stelle sich auch die Frage, ob jede Übersetzung vom Steuerzahler getragen werden muss, bemerkte Bandion-Ortner und verwies gleichzeitig auf die Gefahr der Verfahrensverzögerung. Sie stellte auch fest, dass sich die Dolmetscherkosten aufgrund des Rahmenbeschlusses verdoppeln würden.

 

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) stimmte der Ministerin zu und unterstrich die hohen rechtsstaatlichen Standards in Österreich, die auf alle Fälle aufrecht erhalten werden müssen. Im Justizsystem dürfe aber nicht immer die Schnelligkeit Priorität haben, wandte er ihr gegenüber ein.

 

Differenziert zum vorliegenden geplanten Rahmenbeschluss äußerte sich auch Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V). Selbstverständlich habe man Interesse daran, dass Österreicherinnen und Österreicher ihre Rechte in anderen Staaten wahrnehmen, sagte er. Es stelle sich jedoch die Frage, was man unter Mindeststandards versteht. Keinesfalls sollte man über das Ziel schießen. Beschuldigte müssten in der Lage sein, dem Verfahren in jeder Phase zu folgen und so werde das auch in Österreich gehandhabt. Unpräzise Formulierungen, Schüssel sprach von "Gummiformulierungen", seien zu vermeiden, denn diese könnten die Basis für Nichtigkeitsbeschwerden sein. Er hinterfragte auch, ob alles, was zwischen Beschuldigtem und Anwalt gesprochen wird, tatsächlich gedolmetscht werden müsse, und mahnte, eine unterschiedliche Entwicklung durch derartige Rahmenbeschlüsse zwischen EGMR und der EU zu vermeiden. Wie die Justizministerin warnte Schüssel vor einer eklatanten Verteuerung der Dolmetscherkosten.

 

Abgeordneter Ewald Stadler (B) hielt es für wichtig, auf die Bremse zu steigen, da er keinen Verbesserungsbedarf sehe. Die österreichische Strafrechtspflege sei in der Lage, dem Vergleich mit anderen Ländern Stand zu halten, sagte er.

 

Ebenso wenig Handlungsbedarf sah Abgeordneter Johannes Hübner (F). Er nannte den Vorschlag ein "klares Produkt der Selbstbeschäftigung der EU-Bürokratie". Dem Antrag auf Ausschussfeststellung fehlt ihm zufolge zwar eine klare Aussage, dennoch wurde er von der FPÖ unterstützt.

 

Im Gegensatz zu den anderen Fraktionen lehnten die Grünen den Antrag auf Stellungnahme ab. Abgeordneter Albert Steinhauser (G) unterstützte die Zielsetzungen des Rahmenbeschlusses uneingeschränkt. Die Kostenfrage könne nicht das Ende der qualitativen Messlatte sein, merkte er an. Er teilte auch nicht die Bedenken von Abgeordnetem Schüssel wegen unpräziser Formulierungen, da man innerstaatlich die Präzisierungen nachholen könne.

 

Zum Abschluss der Debatte betonte die Justizministerin nochmals die hohen österreichischen Standards und meinte, dass aufgrund des Rahmenbeschlusses andere Mitgliedstaaten ihre Standards anheben müssten. Zur Kostenfrage hielt sie fest, dass Österreich das einzige Land sei, wo die Justiz mit knappen Mitteln zu kämpfen hat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stockholm-Programm

 

 

 

Kritisch verlief auch die Diskussion über die Mitteilung der Kommission mit dem Titel "Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienst der Bürger", worin eine tiefere Zusammenarbeit im Bereich Inneres und Justiz angestrebt wird. Der Ansatz der Kommission, die Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt zu stellen, wurde jedoch grundsätzlich begrüßt.

 

Das Stockholm-Programm liegt noch nicht vor und wird laut Aussage von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner in der zweiten Oktoberhälfte erwartet. Dies war unter anderem ein Grund dafür, dass die Diskussion darüber heute nicht beendet wurde, sondern im Oktober fortgesetzt werden soll. Die Abgeordneten hegen teils große Bedenken gegen die Vorhaben und wollen daher mit allen beteiligten Ressorts ausführlich über die einzelnen Aspekte diskutieren.

 

 

 

In ihrer Mitteilung nennt die Kommission vier politische Prioritäten: Die Förderung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger – Europa als Garant der Grundrechte und Grundfreiheiten; Erleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger – Europa als Raum der justiziellen Zusammenarbeit; Schutz der Bürgerinnen und Bürger – Europa, das Schutz bietet (Intensivierung der Zusammenarbeit der Polizei- und Justizorgane); Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts – Europa der Solidarität.

 

Zu jedem Bereich listet die Kommission konkrete Maßnahmen auf, beispielsweise den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), bessere Ausschöpfung der finanziellen und rechtlichen Mittel im Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie und umfassende und einheitliche Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten. Weitere Vorschläge betreffen das Zivil- und das Strafrecht im Hinblick auf Mindestnormen, Angleichung von Verfahren und gegenseitige Anerkennung, aber auch eine Erweiterung des Bildungsangebots für alle Rechtsberufe. Ein besonderes Anliegen stellt die Bekämpfung der organisierten Kriminalität dar (Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung und Kinderpornographie, Cyberkriminalität, Wirtschaftskriminalität, Drogenbekämpfung, Verringerung der terroristischen Bedrohung). Die Kommission spricht in diesem Zusammenhang von der Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheitskultur, von einer wirksameren Zusammenarbeit der Polizeibehörden und einem Informationsmanagement. Schließlich befasst sich die Mitteilung mit Asyl und Einwanderung und fordert eine dynamische Einwanderungspolitik, die im Einklang mit Arbeitsmarktbedürfnissen steht, die Einführung eines Einwanderungskodex, der legalen Einwanderern einen einheitlichen Rechtsstatus garantiert, und eine wirksamere Eindämmung der illegalen Einwanderung.

 

 

 

Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner begrüßte das Ziel der Kommission, Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum Recht grenzüberschreitend zu erleichtern. Es wäre ein Vorteil, wenn jeder einen leicht verständlichen und effizienten Rechtsrahmen innerhalb der EU vorfindet, sagte sie. Bevor man jedoch neue Rechtsakte schafft, sollte in den Mitgliedstaaten und in der EU eine Bestandsaufnahme gültiger Rechtsakte vorgenommen werden. Erst aufgrund von Erfahrungen sollte man neue Rechtsakte schaffen.

 

Für sie habe die Verbesserung des Zugangs zum Recht absolute Priorität. Bandion-Ortner sah in diesem Zusammenhang vor allem im Bereich der modernen Technologien eine enorme Chance. So sei beispielsweise ein E-Justice-Portal geplant, wo man unter anderem ein Register für Dolmetscher und Sachverständige finden kann oder Firmenbücher abrufbar sind. Auch Einvernahmen über Videoaufnahmen würden mehr Effizienz bringen. Sie befürwortete weiters den Beitritt der EU zur EMRK.

 

Gleichzeitig müsse man sich aber auch auf eine wirksamere Strafverfolgung im grenzüberschreitenden Bereich konzentrieren, stellte die Justizministerin fest. Das betreffe beispielsweise die Wirtschaftskriminalität und den Internetbetrug, weshalb eine gute Vernetzung notwendig sei. Man habe jedoch darauf zu achten, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gewahrt bleiben, dass eine Balance zwischen den Interessen des Einzelnen und des Datenschutzes einerseits und einer effektiven Strafverfolgung andererseits gewahrt wird, unterstrich die Justizministerin.

 

Abgeordneter Johann Maier (S) hielt eingangs fest, dass er eine umfassende Diskussion unter Einbeziehung des Justiz-, des Innen- und des Sozialressorts für unumgänglich halte. Ziel dieser intensiven Diskussion müsse es sein, eine Ausschussfeststellung unter breitem Konsens zu formulieren, da durch die Vorhaben der EU neue politische Felder berührt würden, die in Österreich noch nicht entsprechend diskutiert wurden. Maier sprach vor allem das datenschutzrechtliche Problem an und vertrat die Auffassung, dass zwischen dem begrüßenswerten Ansatz der Kommission in der gegenständlichen Mitteilung und der legistischen und politischen Praxis der letzten Jahre ein Widerspruch besteht. Man müsse sich angesichts der unterschiedlichen Standards in den Mitgliedsländern auch eingehend mit der Frage befassen, wie der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung verwirklicht werden kann, betonte Maier. Ein zentrales Problem liegt für ihn auch in den Passagen der Mitteilung zur Beweisanordnung.

 

Als eines der spannendsten und kontroversiellsten Themen bezeichnete Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) das geplante Stockholm-Programm. Einerseits sei es für die mobilen Bürgerinnen und Bürger außerordentlich wichtig, ihre Rechte auch in anderen Staaten leichter wahren zu können. Andererseits bestehe aber die große Gefahr neuer Gemeinschaftsrechte, die das Subsidiaritätsprinzip untergraben. In den Mitgliedstaaten seien traditionell unterschiedliche Rechtssysteme gewachsen, und die EU-Vorhaben könnten zu einem Einfallstor für Zentralismus werden, befürchtete er. Schüssel nannte in diesem Zusammenhang die Frage des Status legaler Zuwanderer und die Asylverfahren. Österreich müsse sich daher in die Europäische Diskussion stark einbringen, und zwar seitens aller Ministerien. Ihm schien daher die Schaffung einer "interministeriellen Task-Force" unbedingt notwendig.

 

Daraufhin reagierte Abgeordneter Johannes Jarolim (S) mit dem Hinweis, man solle nicht so zögerlich diskutieren, sondern die Chance, in den internationalen Dialog einzutreten, erfassen und sie dazu nützen, eine Optimierung der Ist-Situation vorzunehmen. Jarolim hielt zum Beispiel die Rechtsdatenforschung in Österreich für wichtig. Er thematisierte auch die Abschöpfungen, die man als eine Einnahmequelle heranziehen könne, um weitere Verbesserungen im Justizbereich zu erzielen. Das könnte sich laut Jarolim wieder positiv auf die Senkung der Kriminalitätsrate auswirken.

 

Eine weitere Vertiefung innerhalb der EU wurde von Abgeordnetem Johannes Hübner (F) strikt abgelehnt. Das geplante Stockholm-Programm würde seiner Meinung nach zu einem Zentralisierungsschub führen und die nationalen Rechtssysteme zerstören. Seitens der FPÖ komme daher ein klares Nein zu diesem Vorschlag, unterstrich Hübner. Für ihn sind insbesondere die Passagen des Papiers, die die Gleichstellung betreffen, problematisch. Man würde das heimische System einer fremden Bürokratie angleichen, sollten die Vorhaben zur Antidiskriminierung Realität werden, mutmaßte Hübner. Die Punkte zu Einwanderung und Asyl klängen schön, sie kämen aber einer Einwanderungseinladung gleich, so sein Resümee.

 

Ähnlich ablehnend äußerte sich Abgeordneter Ewald Stadler (B). Der in der Mitteilung angekündigte Beitritt der EU zur EMRK nehme den Lissabon-Vertrag vorweg, stellte er fest. Erst dadurch würde die EU zu einem völkerrechtlichen Subjekt und könne als solches Verträgen beitreten. Diese Vorgangsweise der Kommission, vor dem irischen Referendum den Vertrag von Lissabon als gegeben anzusehen, sei inakzeptabel. Außerdem sei die EMRK schon jetzt anwendbar und Rechtsstandard der EU. Stadler kritisierte auch scharf die Vorhaben zur Antidiskriminierung, denn damit drehe man jede Debatte über den Missbrauch von Asylrecht ab. Auch die Forderung nach finanzieller Unterstützung von Alternativen zu den Haftanstalten ist Stadler zufolge nichts als Sozialromantik pur. Stadler warf dem Papier weiters vor, unter dem Vorwand der Antidiskriminierung die Meinungsfreiheit zu untergraben und dabei der Kriminalisierung bestehender Werteordnungen Tür und Tor zu öffnen. So könnten etwa Geistliche, die sich auf die Lehre der christlichen Kirche berufen, angeklagt werden, warnte er. Er lehnte auch das angedachte EU-weite Verfahren zur Sperrung von Bankguthaben ab. Alles in allem trägt die Mitteilung der Kommission für Stadler die Handschrift der "libertären" schwedischen Ratspräsidentschaft. Seitens seiner Fraktion brachte er im Sinne des vorher Gesagten eine Ausschussfeststellung ein.

 

Vorbehalte gegen die Pläne der EU, die Migrationspolitik vorwiegend an sich zu ziehen, kamen von Abgeordneter Marianne Hagenhofer (S). Diese Fragen sollten ihrer Meinung nach weiterhin der Entscheidung der Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben, zumal dies große Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte habe, die derzeit mit schweren Problemen zu kämpfen haben. Insbesondere müsse das Thema der zirkularen Migration mit dem Sozialminister diskutiert werden. Ihre Aussagen wurden auch von Abgeordnetem Stadler unterstützt.

Weitaus positiver wurden die Pläne der EU von den Grünen bewertet. Abgeordneter Albert Steinhauser (G) befürchtete lediglich eine Fehlentwicklung im Bereich Datenschutz und Datenaustausch. Für ihn besteht die Gefahr einer europäischen Überwachungsstruktur, und er begründete dies mit den Aussagen der Kommission in der Mitteilung, die Zusammenarbeit mit den USA als Vorbild für die Datenübermittlung zu nehmen. Skepsis ist laut Steinhauser auch gegenüber einem europäischen Informationsmodell mit verstärkter Analysekapazität angebracht. Offensichtlich, vermutete der Grüne Abgeordnete, will man eine zentrale Plattform zum Datenaustausch schaffen. Die Folge davon sei, dass das Bedürfnis, noch mehr Daten zu speichern, steige, womit auch die Missbrauchsgefahr immer größer werde. In diesem Sinne brachte er einen Antrag auf Stellungnahme ein.

 

Trotz positivem Zugang kamen auch von Abgeordnetem Alexander Van der Bellen (G) kritische Bemerkungen. So hielt er vor allem die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Strafsysteme für naiv, zumal nicht einmal im Strafrecht einheitliche Grundprinzipien innerhalb der EU-Mitgliedstaaten herrschen. Er hinterfragte auch den Plan, im Reiseverkehr Privat- und Geschäftsreisende zu trennen. Für besonders bedenklich hielt er die Vorstellung, bei Visa-Anträgen die Bewertung des Risikos vorzunehmen, was seiner Meinung nach einer Umkehr der Unschuldsvermutung gleich kommt.

 

In einer kurzen Replik auf die Diskussion stellte Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner fest, dass sich die europäische Beweisanordnung als schwerfällig erwiesen habe. Der Rahmenbeschluss über den Schutz personenbezogener Daten sei bis 2011 umzusetzen, informierte sie, gleichzeitig bekräftigte sie die Notwendigkeit einer stärkeren Vernetzung bei der Strafverfolgung.

 

Die Diskussion über das Stockholm-Programm wurde abschließend einstimmig vertagt.

 

 

 

 

 

Folgender Antrag von SPÖ und ÖVP auf Ausschussfeststellung wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ mehrheitlich angenommen:

 

 

 

 

Ständiger Unterausschuss des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 17. September 2009

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

 

betreffend COM KOM (2009) 338 endg. vom 8.7.2009,

Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren

 

 

Der EU-Unterausschuss wolle beschließen:

 

 

I. Stellungnahme an die Europäische Kommission

 

Der gem. Art. 23e des Bundes-Verfassungsgesetzes in Verbindung mit § 31e des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates bevollmächtigte Ständige Unterausschuss des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union hat den Vorschlag der Kommission COM KOM (2009) 338 endg., vom 8.7.2009 betreffend einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren in öffentlicher Sitzung am 17. September 2009 beraten und kommt zu folgendem Ergebnis:

 

 

  1. Zur Frage der Subsidiarität beschränkt sich der Vorschlag der EK auf die Behauptung, dass der Rechtsakt das Vertrauen in die jeweils andere Rechtsordnung stärken und damit zu einer Verbesserung der gegenseitigen Zusammenarbeit beitragen würde.

 

  1. Wenn man berücksichtigt, dass der Vorschlag im Wesentlichen eine Festschreibung der Rechtssprechung des EGMR beinhaltet, so ist fragwürdig, ob eine dringende Notwendigkeit für den Erlass des Rahmenbeschlusses besteht, da die Mitgliedstaaten ohnedies allgemein verpflichtet sind, sich nach den Urteilen des EGMR zu richten.

 

  1. Die geringe Anzahl der Urteile des EGMR, die sich mit einer Verletzung des Artikels 6 Abs. 3 lit. a und e EMRK befassen, deutet auch nicht auf einen unbedingt erforderlichen Bedarf eines Rechtsaktes auf diesem Gebiet hin (10 Urteile, die sich mit Recht auf Beiziehung eines Dolmetschers auseinandersetzen und 37 Urteile, die sich mit dem aus Artikel 6 Abs. 3 lit. a ergebenden Recht befassen, in möglichst kurzer Frist in einer für den Beschuldigten verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden.).

 

  1. Im Zusammenhang mit dem Umfang der durch den RB gewährten Rechte werden den MS erhebliche Kosten auferlegt. Das betrifft insbesondere die Erstreckung des Rechts auf den der verdächtigen Person gewährten Rechtsbeistand, sofern der Verteidiger eine Sprache spricht, die die verdächtige Person nicht versteht. Es besteht kein Grund, in Fällen, in denen der Beschuldigte über einen frei gewählten Verteidiger verfügt, die Kosten der Übersetzung der zwischen ihnen geführten Gespräche auf den Staat zu überwälzen; das ist nur in Situationen gerechtfertigt, in denen dem Beschuldigten Verfahrenshilfe gewährt wird.

 

  1. Die Verpflichtung nach Artikel 3 Abs. 2 des Vorschlags zur schriftlichen Übersetzung derselben geht unter Berücksichtigung der EGMR Rechtsprechung entschieden zu weit. Man denke nur an eine mögliche Verlängerung der Untersuchungshaft, weil eine schriftliche Übersetzung der Anklageschrift erfahrungsgemäß in wenigen Tagen nicht zu bewerkstelligen ist. 

 

  1. Unklar ist auch, was unter der Verpflichtung der Schulung von Richtern und Staatsanwälten gemäß Artikel 5 des Vorschlags zu verstehen ist; auszugehen davon ist, dass in jedem MS entsprechende Fortbildungsangebote bestehen; will man jedoch erreichen, dass die Fremdsprachenkenntnisse der Richter und Staatsanwälte auf ein Niveau angehoben werden, welches die Beiziehung eines Dolmetschers erübrigt, so wird in die nationale Aus- und Fortbildungsvorschriften eingegriffen.

 

  1. Insgesamt erscheint der Vorschlag daher im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip problematisch, weil er die MS einseitig mit Kostenfolgen belastet, ohne endgültig den Nachweis zu erbringen, dass die Bestimmungen des RB neben den ohnedies nach Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK garantierten Rechten notwendig und erforderlich ist, um die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden zu verbessern. Dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss über das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren kann daher in der vorliegenden Form nicht zugestimmt werden.

 

 

 

II.

 

Der EU-Unterausschuss geht davon aus, dass der/die österreichische Vertreter/in im Rat bei den Verhandlungen und Abstimmungen betreffend den vorliegenden Vorschlag für einen Rahmenbeschluss die vorstehende Stellungnahme an die Europäische Kommission entsprechend berücksichtigen wird.

 

 

 

III. Kommuniquè

 

Der EU-Unterausschuss beschließt, diese Ausschussfeststellung gem. § 39 Abs. 1 und 3 GOG-NR als Kommuniqué zu veröffentlichen und der Auszugsweisen Darstellung anzuschließen. Der EU-Unterausschuss ersucht die Präsidentin des Nationalrates, diese Ausschussfeststellung an die österreichische Bundesregierung sowie an die Verbindungsstelle der Bundesländer und die unter Pkt. I. beschlossene Stellungnahme an die Europäische Kommission, an den Ausschuss der Regionen, an die COSAC bzw. IPEX und an das Europäische Parlament zu übermitteln.