Parlament Österreich

 

 

 

V-10 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 29. Juni 2010

 


Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode     Dienstag, 29. Juni 2010

 

 

 

Tagesordnung

 

 

1.    KOM (09) 694 endg.

Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen

Gleichstellung von Frauen und Männern - 2010

(24522/EU XXIV.GP)

und

 

KOM (10) 78 endg.

Mitteilung der Kommission

Ein verstärktes Engagement für die Gleichstellung von Frauen und Männern

Eine Frauen-Charta

Erklärung der Europäischen Kommission anlässlich des Internationalen Frauentags 2010 sowie des 15. Jahrestags der Verabschiedung einer Erklärung und einer Aktionsplattform auf der Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Peking und des 30. Jahrestags des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

(27579/EU XXIV.GP)

 

 

 

2.    KOM (10) 226 endg.

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat

ITER: aktueller Stand und Zukunftsperspektiven

(30666/EU XXIV.GP),

SEK (10) 571

Commission staff working document - Status of the ITER Project

accompanying the communication from the Commission to the European Parliament and the Council : ITER status and possible way forward

(32396/EU XXIV.GP)

und

 

RAT 10001/10

ITER-Projekt: aktueller Stand und Zukunftsperspektiven

            Annahme von Schlussfolgerungen des Rates

(32369/EU XXIV.GP)

Gleichstellung von Frauen und Männern

 

 

Um die Gleichstellung von Frauen und Männern innerhalb der EU zu erreichen, bedarf es noch großer Anstrengungen. Trotz der Fortschritte gibt es nach wie vor geschlechtsspezifische Ungleichheiten, etwa bei den Beschäftigungsquoten, beim Gehalt, bei der Arbeitszeit, bei den Führungspositionen, bei der Übernahme von Betreuungsaufgaben und Pflichten im Haushalt sowie beim Armutsrisiko. Das geht aus dem Bericht der EU-Kommission zum Thema Gleichstellung hervor, der gemeinsam mit einer Mitteilung der Kommission zu einem verstärkten Engagement für die Gleichstellung von Frauen und Männern und zu einer "Frauen-Charta" im EU-Unterausschuss des Nationalrats am 29. Juni 2010 diskutiert wurde.

 

 

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek befürwortete die Initiativen der EU, bedauerte jedoch, dass es nicht gelungen ist, eine eigene gesellschaftspolitische Leitlinie explizit in die Strategie "EU 2020" hinein zu verhandeln. Dennoch sei das Thema "Gleichstellung von Frauen und Männern" sowohl in den fünf Kernzielen als auch in den sieben Leitinitiativen enthalten, bestätigte sie.  

 

Für die "Road Map 2011 – 2015" seien sechs Aktionsschwerpunkte vorgesehen:

§  gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit für Frauen und Männer

§  Wiedervereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben

§  gleichberechtigte Teilnahme von Frauen und Männer an Entscheidungsprozessen

§  Abbau von Geschlechterstereotypen

§  Bekämpfung von geschlechterbezogener Gewalt und Menschenhandel

§  Förderung von Geschlechtergleichstellung außerhalb der EU.

 

Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ wurde mehrheitlich ein Antrag auf Stellungnahme angenommen, in dem die Bundesregierung ersucht wird, Bestrebungen zur Förderung der umfassenden Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Politikbereichen der EU aktiv zu unterstützen und sich für die Verankerung der Gleichstellung als politikfeldübergreifendes, horizontales Prinzip im europäischen Handeln einzusetzen. Die Abgeordneten halten die Schwerpunktsetzung der EU-Kommission für richtig und vertreten die Auffassung, dass die Aufnahme einer geschlechtsspezifischen Komponente in die gemeinsame Außenpolitik der EU wesentlich dazu beitragen kann, Gleichstellung auch über die europäischen Grenzen hinaus zu fördern.

 

 

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek zeichnete einen ähnlichen Befund für Österreich wie der Kommissionsbericht. Es habe Fortschritte gegeben, sagte sie, aber es gebe auch noch großen Nachholbedarf. Die Frauenbeschäftigungsquote liege in Österreich bei 65,8%, was deutlich über dem EU-Durchschnitt sei. Dass ein hoher Prozentsatz der Frauen nur Teilzeit arbeite, müsse in diesem Zusammenhang als ein Wermutstropfen betrachtet werden. Das sei auch auf mangelnde Kinderbetreuungseinrichtungen zurückzuführen, ergänzte sie, aber auch auf die Tatsache, dass Frauen stark in die Pflege von Angehörigen eingebunden sind.

 

Auch wenn es in Österreich weniger armutsgefährdete Frauen als in der EU gibt, könne man nicht zufrieden sein, stellte die Ministerin fest. Der beste Schutz vor Armut sei noch immer eine eigenständige Absicherung und ein eigenständiges Einkommen.

 

Heinisch-Hosek kündigte den Ausschussmitgliedern an, das Ergebnis des einjährigen Diskussionsprozesses mit über 100 ExpertInnen demnächst zu präsentieren. Diese hätten zahlreiche Maßnahmen erarbeitet, für die es zwar noch keinen Konsens gibt, aber sie sehe es als eine der wesentlichen Aufgaben für die nächste Zeit an, in die entsprechenden Verhandlungen mit den Sozialpartnern und den zuständigen Ministerien zur Erstellung eines nationalen Aktionsplans zu gehen.

 

Als einen wesentlichen Schritt bezeichnete die Ministerin die Einigung mit den Sozialpartnern zur Einkommenstransparenz. Damit werde man dem Ziel, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, näher kommen, zeigte sie sich überzeugt. Der Gesetzesentwurf werde bald in Begutachtung gehen, informierte sie die Abgeordneten. Sie unterstützte auch den Vorschlag des WIFO, den Alleinverdienerabsetzbetrag für jene, die keine Kinder betreuen, auf den Ausbau der Betreuungseinrichtungen umzuschichten. Sie hoffte auch, dass durch die Selbstverpflichtung privater Unternehmen mehr Frauen in Führungspositionen gelangen.

 

Die Frauenministerin wies auch auf den Zusammenhang zwischen Kinderbetreuungseinrichtungen und Geburtenrate und damit auf die demografische Entwicklung hin und unterstrich die positive Wirkung einer hohen Frauenerwerbsquote auf das Wirtschaftswachstum.

 

 

 

Auch die Kommission stellt in der genannten Mitteilung fest, dass wirtschaftlicher Zusammenhalt, nachhaltiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Bewältigung der demografischen Herausforderung von wirklicher Gleichstellung der Geschlechter abhängen.

 

Die Kommission plant daher, im Laufe des Jahres 2010 eine Gleichstellungsstrategie zu verabschieden, die nahtlos an den derzeitigen Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern anschließt. Sie warnt davor, unter dem Vorwand der Wirtschafts- und Finanzkrise die Mittel für Gleichstellungsmaßnahmen einzufrieren oder sogar zu kürzen. Viel eher sollte man der Kommission zufolge wirksame Gleichstellungsmaßnahmen als Bestandteil des Lösungsansatzes zur Überwindung der Krise und als einen Faktor zur Wachstumsförderung sehen. Gleichstellungsmaßnahmen sollten nicht als kurzfristiger Kostenfaktor, sondern als langfristige Investition betrachtet werden, unterstreicht der Kommissionsbericht. Es sei unerlässlich, dass der Fahrplan der Kommission sowie der vom Europäischen Rat verabschiedete Europäische Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter und der von den europäischen Sozialpartnern vereinbarte Aktionsrahmen für die Gleichstellung von Frauen und Männern ihre Fortsetzung in einer Nachfolgestrategie findet. Zudem müsse Gleichstellung ein Kernelement der EU-Strategie für 2020 bleiben und Gender Mainstreaming wirksam als Instrument der Politikgestaltung eingesetzt werden. Voraussetzung dafür seien unter anderem die Entwicklung von nach Geschlechtern differenzierten Statistiken, Indikatoren, Instrumenten und Leitfäden, einschließlich des Austauschs vorbildlicher Modelle.

 

Anlässlich des internationalen Frauentags 2010 und des 15. Jahrestags der Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Peking hat die Kommission auch ihr Engagement bekräftigt, die Gleichstellung von Frauen und Männern umfassend zu verwirklichen und die zur Umsetzung dieses Ziels nötigen Ressourcen bereitzustellen. So soll das Potenzial von Frauen voll ausgeschöpft werden, um so eine bessere Geschlechterverteilung auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen. Der Abbau des geschlechterspezifischen Lohngefälles durch die Mobilisierung aller legislativen und nichtlegislativen Instrumente ist laut Kommission ebenso Ziel wie die faire Vertretung von Frauen und Männern in Führungspositionen im öffentlichen Leben und in der Wirtschaft. Mit entsprechenden Maßnahmen will die Kommission auch der geschlechterspezifischen Gewalt ein Ende setzen.

 

Gleichstellungspolitik soll auch in die Außenpolitik integriert werden, um die soziale und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen und Männern gleichermaßen weltweit zu fördern. Dieses Engagement sei nicht nur in den Beziehungen mit Drittländern zu forcieren, sondern auch im Rahmen der Zusammenarbeit mit internationalen und regionalen Organisationen.

 

Wie dem Bericht zu entnehmen ist, konnte die Frauenerwerbsquote im EU-Raum in den letzten zehn Jahren um 7,1 Prozentpunkte gesteigert werden, sie lag 2008 bei 59,1 %, wobei die Quoten in den einzelnen Mitgliedstaaten zwischen unter 40 % und über 70 % schwanken. Frauen haben aber ein höheres Risiko, nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes keinen anderen Arbeitsplatz zu finden. Sie sind auch weitaus häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen und in unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigungen zu finden. Groß ist nach wie vor das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, dieses belief sich im EU-Durchschnitt zum Nachteil der Frauen auf 17,6 %. Frauen arbeiten auch weiterhin hauptsächlich in traditionell weiblichen und oft schlecht bezahlten Branchen. Sie besetzen trotz des erheblich gestiegenen Bildungsniveaus – 59 % der HochschulabgängerInnen sind Frauen – in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft seltener Führungspositionen.

 

Die Kommission drängt daher darauf, die Anstrengungen zur Beseitigung der Ungleichheit in der Arbeitswelt zu intensivieren, damit die bestehenden Unterschiede in Bezug auf Beschäftigung, Entgelt und Führungspositionen durch Schaffung besserer Arbeitsplätze sowie durch Abbau der Segregation auf dem Arbeitsmarkt und des Armutsrisikos erheblich reduziert werden können. Insbesondere sollte nach Ansicht der Kommission die Verringerung des Lohngefälles weiterhin Priorität haben, die Vollzeitbeschäftigung müsste gefördert werden, denn sie sei die beste Garantie gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Steuer- und Sozialleistungssysteme sollten für Frauen und Männer die gleichen Anreize zur Aufnahme von Erwerbstätigkeit haben.

 

Die Kommission übt auch Kritik an mangelnden Kinderbetreuungseinrichtungen in den Mitgliedstaaten und fordert die EU-Staaten auf, mehr Maßnahmen zur Vereinbarkeit des Berufs-, Privat- und Familienlebens von Frauen und Männern zu ergreifen. Auf EU-Ebene selbst soll die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub mit dem Ziel der Verlängerung des Elternurlaubs und dem Anspruch auf flexible Arbeitszeiten für einen bestimmten Zeitraum nach dem Elternurlaub geändert werden. Geplant ist ebenfalls, die Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, sowie von mithelfenden Ehegatten zu novellieren.

 

Außerdem hat die Kommission einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rats zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz von Opfern vorgelegt. Den Mitgliedstaaten wird nahegelegt, präventive Methoden der Bekämpfung sexualisierter Gewalt, wozu auch Menschenhandel zum Zweck der sexuellen oder wirtschaftlichen Ausbeutung zählt, zu intensivieren. Besonderes Augenmerk sollte nach Ansicht der Kommission auf gezielte Maßnahmen gegen Genitalverstümmelung, Früh- oder Zwangsehen und so genannte Ehrendelikte gelegt werden.

 

 

Diskussion

 

In der Diskussion kamen grundsätzliche Auffassungsunterschiede zwischen SPÖ, ÖVP und Grünen einerseits und FPÖ und BZÖ andererseits zutage. Während die Abgeordneten der Regierungsfraktionen und der Grünen die Pläne der EU unterstützten, forderten FPÖ und BZÖ, die Stereotypen zu überdenken. Sie sahen in den vorliegenden Papieren nur eine Summe von Glaubenssätzen, die Frauen ein bestimmtes Verhalten aufzwingen wollen. 

 

Abgeordnete Gisela Wurm (S) zeigte sich zufrieden über die Initiativen der EU in Bezug auf die Gleichstellungspolitik. Sie forderte vor allem mehr Betreuungseinrichtungen für Kinder bis zum dritten Lebensjahr. V-Abgeordnete Dorothea Schittenhelm urgierte einen nationalen Aktionsplan.

 

Abgeordnete Ursula Plassnik (V) brachte die außenpolitische Komponente der Gleichstellungspolitik in die Diskussion ein. Die EU sei eine Wertegemeinschaft, sagte sie, und Gleichstellung ein wesentlicher Teil davon. Dies müsse sich auch in der Außenwirkung der EU widerspiegeln. Sie erinnerte an die UNO-Resolution 1325, die im Herbst 2000 beschlossen worden war und in der der UN-Sicherheitsrat die Mitglieder auffordert, für eine stärkere Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen der institutionellen Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten Sorge zu tragen. Angesichts des zehnten Jahrestages sollte das Parlament seine Stimme erheben und Initiativen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sowie der Außen- und Sicherheitspolitik setzen, verlangte Plassnik. Es sei auch notwendig, meinte die ehemalige Außenministerin, mehr Frauen in Führungspositionen bei internationalen Missionen zu bestellen. Sie regte auch an, innerhalb der Regierung eine Person zu bestellen, die sich mit dem Thema und der Umsetzung der Resolution speziell befasst. Auch sollte die Ablehnung der Genitalverstümmelung und der Gewalt an Frauen an sich mehr Gewicht in der Außenpolitik haben, forderte Plassnik.

 

In der Beurteilung der Lage sowie in den angestrebten Zielen und Maßnahmen ging Abgeordnete Judith Schwentner (G) mit der Frauenministerin konform. Sie betonte die Wichtigkeit des Gender-Budgeting und sprach sich für die Schaffung qualifizierter Teilzeitarbeitsplätze aus, da Teilzeit von Frauen durchaus auch selbst gewählt sei, ihnen dadurch aber Aufstiegschancen nicht verwehrt werden dürften.

 

Völlig anders bewertete Abgeordnete Heidemarie Unterreiner (F) die Pläne der Kommission und zweifelte, ob man damit den Frauen wirklich etwas Gutes damit tue. Man sollte darüber nachdenken, meinte sie, ob Frauen tatsächlich volle Berufstätigkeit wollen und ob man ihnen nicht vielmehr die Chance geben sollte, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es wollen. Es könne doch nicht sein, dass Frauen voll arbeiten müssen, damit sie nicht in die Armutsfalle geraten. Frauen müssten so abgesichert werden, dass sie sich es leisten können, Kinder zu bekommen und auch nicht gezwungen sind, ihre Kinder sofort einer Betreuungseinrichtung zu überantworten. Betrachtet man die von der EU und von der Regierung vorgesehenen Maßnahmen, so sehe es so aus, als ob sich Frauen mehr und mehr männlichen Verhaltensmustern unterordnen müssten, bemerkte Unterreiner. Wirtschaftswachstum könne in der Gleichstellungspolitik nicht alleiniges Kriterium sein.

 

Unterreiner wurde in ihrer Auffassung von ihrem KlubkollegInnen Johannes Hübner und Carmen Gartelgruber unterstützt. Gartelgruber warf der EU vor, den Frauen keine Wahlfreiheit geben zu wollen. Die Frauen-Charta stellt nach Meinung des Abgeordneten Hübner die Summe von Glaubenssätzen dar, die mit pseudowirtschaftlicher Argumentation untermauert wird. Außerdem sah er in dem Vorhaben der EU das Subsidiaritätsprinzip verletzt, da sämtliche Maßnahmen die Mitgliedstaaten selbst regeln können.

 

Dem wiedersprachen die Abgeordneten Gisela Wurm und Christine Muttonen (beide S) heftig. Es gehe um Gleichstellung im Sinne von Gerechtigkeit, bemerkte Wurm, und die Freiheit steige mit der Zahl der Möglichkeiten. Muttonen verwies auf das gute Netz der Kinderbetreuung und das Instrument der Väterkarenz, womit die Gesellschaft in den skandinavischen Ländern positiv verändert worden sei. Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek stellte klar, es gehe nicht um Bevormundung. Sie wolle den Frauen gleiche Chancen eröffnen und ihnen ein Angebot machen.

 

Um der Armutsgefährdung, vor allem jener der Alleinerziehenden, entgegenzuwirken, forderten die Abgeordneten Carmen Gartelgruber (F) und Ewald Stadler (B) die Einführung einer generellen Unterhaltsbevorschussung sowie steuerrechtliche Maßnahmen.

 

Der Antrag der FPÖ auf Ausschussfeststellung, die Frauen-Charta und die Mitteilung der Kommission zur Gleichstellung von Frauen und Männern strikt abzulehnen, fand bei den anderen Fraktionen keine Unterstützung und blieb somit in der Minderheit.

 

Abgeordneter Ewald Stadler (B) unterstützte Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit dann, wenn es um den Abbau sozialrechtlicher Unterschiede geht. Glaubenssätze seien aber der falsche Weg, meinte er. Stadler kritisierte insbesondere die Diskussion im Europarat um den Begriff Mutter, den einige Abgeordnete als sexistisch eingestuft hatten. Eine Erhöhung des Frauenanteils bedeute auch lange noch nicht mehr Geschlechtergerechtigkeit, argumentierte er, denn dann könnten in der Justiz, wo der Frauenanteil besonders hoch sei, keine Urteile gefällt werden, die Gewalt an Frauen mit dem Hinweis auf kulturelle Traditionen geringer bestrafen.

 

Abgeordnete Martina Schenk (B) fehlten konkrete Lösungsvorschläge in den vorliegenden Papieren. Sie kritisierte auch die letzte Steuerreform, die ihrer Ansicht nach dem Auseinandergehen der Einkommensschere zusätzlich Vorschub geleistet hat. Ihr Antrag auf Ausschussfeststellung, wonach Frauen mit niedrigen nicht lohnsteuerpflichtigen Einkommen künftig auch jene Unterstützungen lukrieren können sollen, die mit der Steuerreform 2009 insbesondere den in der Mehrzahl männlichen Beziehern höherer Einkommen zugutekommen, fand ebenfalls nicht die erforderliche Zustimmung der anderen Fraktionen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender S-V-Antrag auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ mehrheitlich angenommen:

 

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art 23e Abs 2 B-VG

 

 

der Abgeordneten Maga Christine Muttonen, Dorothea Schittenhelm, Maga Gisela Wurm

 

betreffend Gleichstellung von Frauen und Männern in der Europäischen Union

 

 

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 29.06.2010

 

 

 

 

Der EU-Unterausschuss begrüßt ausdrücklich das neuerliche Bekenntnis der Europäischen Kommission zur umfassenden Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Kommission kann sich dabei auf eine starke Grundlage in den europäischen Verträgen berufen, die an mehreren Stellen das Eintreten für eine Gleichstellung der Geschlechter als Ziel der Europäischen Union definieren. Die wesentliche Aufgabe ist es nun, diese Absichtserklärungen auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.

 

Nach wie vor belegen die von der Europäischen Kommission vorgelegten Zahlen, dass das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in vielen Bereichen weiterhin besteht. Besonders groß ist dieses Ungleichgewicht bei der Beschäftigungs- sowie der Teilzeitquote, beim Einkommensniveau, bei unbezahlter Arbeit (wozu insbesondere Haus- und Betreuungsarbeit zählt), bei Entscheidungsprozessen sowie in Hinblick auf die Gefahr, Opfer einer Gewalttat zu werden.

 

Der EU-Unterausschuss hält die von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung festgelegten Schwerpunkte daher für richtig. Diese decken sich weitgehend mit den genannten Problembereichen. Die Aufnahme einer geschlechtsspezifischen Komponente in die Gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union kann außerdem wesentlich dazu beitragen, Gleichstellung auch über die europäischen Grenzen hinaus zu fördern.

 

Die Ausführungen der Europäischen Kommission belegen außerdem, dass sie bereit ist, auch weiterhin die Gleichstellung der Geschlechter als politikfeldübergreifendes, horizontales Prinzip zu würdigen. Dies bedeutet, dass Maßnahmen in allen Bereichen des Handelns der europäischen Institutionen nach Möglichkeit die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern haben. In diesem Bestreben ist die Europäische Kommission mit voller Kraft zu unterstützen. Bedauerlich ist, dass der Gleichstellungspolitik im Rahmen der Europa 2020-Strategie keine eigene integrierte Leitlinie gewidmet ist. Auf sie wird im Rahmen diverser anderer Leitlinien immer wieder verwiesen.

 

Im Rahmen der neu zu schaffenden Gleichstellungsstrategie muss dafür gesorgt werden, dass die oben genannten Schwerpunkte durch konkrete Maßnahmen ergänzt werden. Denn erst anhand der tatsächlich zu treffenden Maßnahmen lässt sich beurteilen, ob das Bekenntnis zur umfassenden Gleichstellung von Frauen und Männern auch Ernst gemeint ist.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art 23e Abs 2 B-VG

 

 

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird ersucht, Bestrebungen zur Förderung der umfassenden Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Politikbereichen der Europäischen Union aktiv zu unterstützen und sich für die Verankerung der Gleichstellung als horizontales Prinzip im europäischen Handeln einzusetzen.

 

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen oder auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Ausschussfeststellung wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

des Abgeordneten Dr. Hübner, Gartelgruber und Mag. Unterreiner

 

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

 

Ausschussfeststellung

 

betreffend Ablehnung des Berichtes der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Gleichstellung von Frauen und Männern 2010“

und

der Mitteilung der Kommission „Ein verstärktes Engagement für die Gleichstellung von Frauen und Männern – Eine Frauen-Charta“

 

 

eingebracht in der Sitzung des EU-Unterausschusses am 29. Juni 2010 im Zuge der Debatte zu TOP 1

 

 

 

 

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union hält im Sinne der Begrenzung von Bürokratie auf EU-Ebene und der Forcierung einzelstaatlicher Regelungen, sowie im Sinne der Ablehnung von Fragmentierungen der europäischen Gesellschaften nach Geschlechterlinien, bzw. Ablehnung einer grundlegenden Veränderung der europäischen Gesellschaften durch politische Maßnahmen fest, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung auf europäischer Ebene den Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Gleichstellung von Frauen und Männern 2010“, sowie die Mitteilung der Kommission „Ein verstärktes Engagement für die Gleichstellung von Frauen und Männern – Eine Frauen-Charta“ strikt ablehnen sollen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag des BZÖ auf Ausschussfeststellung wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

der Abgeordneten Schenk, Mag. Stadler

 

betreffend Verringerung des geschlechterspezifischen Lohngefälles

 

 

eingebracht im Zuge der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 29. Juni 2010

 

 

zum Tagesordnungspunkt 1:

Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen

Gleichstellung von Frauen und Männern - 2010(24522/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

„Um der im Bericht der Kommission „Gleichstellung von Frauen und Männern – 2010“ festgeschriebenen Zielsetzung, wonach die Steuer- und Sozialleistungssysteme für Frauen und Männer gleichermaßen finanzielle Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und zum Verbleib im bzw. zur Rückkehr ins Erwerbsleben bieten sollten und diese Systeme gegebenenfalls reformiert werden sollten, um finanzielle Fehlanreize zu beseitigen, geht der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union davon aus, dass im Sinne einer Verringerung des geschlechterspezifischen Lohngefälles in Österreich die Bundesregierung raschest entsprechende Gesetzesvorschläge vorbereitet, die sicherstellen, dass gerade Frauen mit niedrigen nicht lohnsteuerpflichtigen Einkommen künftig auch jene Unterstützungen unter anderem im Bereich der Kinderbetreuung lukrieren können, die mit der Steuerreform 2009 insbesondere den in der Mehrzahl männlichen Beziehern höherer Einkommen zugute kommen.“

 

 

 

 

 

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union beschließt weiters, diese Ausschussfeststellung gem. § 39 Abs. 1 bzw. 3 GOG als Kommuniqué zu veröffentlichen und der auszugsweisen Darstellung beizufügen.“

 

 

Wien, 29. Juni 2010

 

 

 

 

 

 

 

Kernfusionsprojekt  " ITER"

 

 

Thema des EU-Unterausschusses vom 29. Juni 2010 war auch das internationale Projekt "ITER", mit dem Ziel, durch die Nutzung der Kernfusion die Energieversorgung zu revolutionieren und für die Zukunft sicherzustellen. Der Versuchs-Fusionsreaktor ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) wird im südfranzösischen Cadarache gebaut. Dort sollen Wasserstoffkerne zu Helium fusioniert werden, indem man den Wasserstoff auf bis zu 200 Millionen Grad aufheizt, damit die Kerne verschmelzen können. In der Mitteilung der EU-Kommission heißt es dazu, mit der erfolgreichen Verwirklichung des Projekts ließe sich ermitteln, ob die Fusion zu einer wichtigen zukunftsfähigen Energiequelle werden kann. Die Kernfusion biete die Aussicht auf eine schier unerschöpfliche Quelle für sichere und saubere Energie ohne CO2-Ausstoß.

 

ITER wird auf der Grundlage eines internationalen Übereinkommens vom November 2006 (in Kraft seit Oktober 2007) zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) und  China, Indien, Japan, Korea, Russland sowie den USA ausgeführt. Zuständig für die gemeinsame Durchführung ist die ITER-Organisation (IO), die über uneingeschränkte Rechtspersönlichkeit verfügt. Das Übereinkommen hat zunächst eine Laufzeit von 35 Jahren. Der EURATOM-Beitrag wird von dem im März 2007 gegründeten gemeinsamen europäischen Unternehmen "Fusion for Energy" (F4E) verwaltet, das seinen Sitz in Barcelona hat und in dem EURATOM, die 27 Mitgliedstaaten sowie die Schweiz vertreten sind.

 

Die Kosten des gemeinsamen Unternehmens F4E bis 2020 liegen nach derzeitigen Schätzungen bei 7,2 Mrd. €, davon entfallen auf EURATOM 5,9 Mrd. € und auf Frankreich 1,3 Mrd. €. Damit übersteigen sie deutlich die ursprünglichen Annahmen, sodass sich EURATOM mit einer Finanzlücke von 1,4 Mrd. € konfrontiert sieht.

 

Laut einem Entwurf der ITER-Task Force für Schlussfolgerungen des Rats der EU soll die Kommission dafür sorgen, dass die Tätigkeiten von F4E auf allen Ebenen mit der Politik der strikten Haushaltskontrolle sowie der Kostenreduzierung in Einklang stehen.  Darüber hinaus will man im Hinblick auf den europäischen Beitrag eine Obergrenze von 6,6 Mrd. € festlegen.

 

 

 

Der zuständige Abteilungsleiter des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Daniel Weselka, sprach von einem großen internationalen Experiment, um die Frage zu klären, ob man Kernfusion als Energiequelle auf der Erde nutzen kann. Die Komponenten für ITER müssten extra gebaut, manche sogar noch erfunden werden, bemerkte er. Durch die Zusammenarbeit so vieler Länder sei es immer wieder zu Abstimmungsproblemen gekommen, erläuterte Weselka, es habe Fehler gegeben und man habe auch die auftretenden Schwierigkeiten unterschätzt. Es sei daher eine enorme Kostensteigerung eingetreten, die nun einen zusätzlichen Bedarf von 1,4 Mrd. Euro allein für die Jahre 2012 und 2013 ergeben. Der Europäische Rechnungshof habe die Situation genau geprüft, und nun gebe es eine überarbeitete Kostenschätzung, die tragfähig sein dürfte. Auch im Management seien Konsequenzen gezogen worden, berichtete Weselka.

 

Österreich habe immer abgelehnt, zusätzliches Geld für ITER flüssig zu machen, bekräftigte der Vertreter des Ministeriums. Die von der EU-Kommission zum Zweck der Finanzierungssicherung eingesetzte "ITER-Task Force" habe nun Entwürfe für die Schlussfolgerung des Rats vorgelegt, wonach die 1,4 Mrd. Euro durch interne Umschichtungen aufzubringen sind und auch dem Management Auflagen auferlegt werden. Sollte der Rat dem folgen, dann könne die Kommission Ende Juli damit beginnen zu prüfen, wie man die Finanzlücke durch Umschichtungen schließen könne.

 

Den kritischen Stimmen zu ITER hielt Weselka entgegen, dass man die Ausstiegskosten auf rund 4,5 Mrd. Euro schätze. Wenn man ITER begrabe, dann fließe das ganze Geld in die Kernspaltungsenergie, stellte er fest.

 

Der Experte unterstrich, dass die CO2-Problematik mit der Kernfusion nicht bewältigt werden könne, da ITER ein langfristig ausgelegtes Projekt darstelle. Auch für Österreich mit seinem großen Reichtum an erneuerbaren Energiequellen werde die Technologie der Kernfusion, sollte sie gelingen, keine große Bedeutung haben.

 

 

 

Widerstand gegen das Projekt kam von den Grünen. Angesichts der Tatsache, dass der frühest genannte Zeitpunkt für die Einsetzbarkeit der Kernfusion das Jahr 2050 ist, nütze das Projekt nicht, um rechtzeitig die Klimaschutzziele zu erreichen, argumentierte Abgeordnete Christiane Brunner (G). Man müsste daher die Gelder in die Entwicklung erneuerbarer Energien investieren, die absehbar den Hauptanteil der Energieversorgung übernehmen können. Auch Abgeordneter Johannes Hübner (F) meinte, dass vor diesem Zeithorizont die Fortsetzung des Projekts nicht vertretbar ist. Der Antrag der Grünen auf Stellungnahme, das ITER-Abkommen zu kündigen, wurde von SPÖ, ÖVP und BZÖ abgelehnt und fand daher nicht die erforderliche Mehrheit.

 

Dem gegenüber meinte Abgeordneter Ewald Stadler (B), der Kernfusion gehöre die Zukunft. Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) machte darauf aufmerksam, dass man die Kernfusion strikt von der Kernspaltung trennen müsse und das Interesse an den Fortschritten der Kernfusion groß sei. Sie machte auch geltend, dass die am Projekt beteiligten Staaten die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren und verteidigte die Beteiligung der EU an dem Projekt. Man werde kein zusätzliches Geld flüssig machen, außerdem habe es aufgrund des Rechnungshofberichts Änderungen im Management gegeben, argumentierte sie. Ähnlich äußerte sich Abgeordneter Josef Muchitsch (S).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der Grünen auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und BZÖ abgelehnt und blieb damit in der Minderheit:

 

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG

 

 

der Abgeordneten Christiane Brunner und Judith Schwentner betreffend

 

§  KOM (10) 226 endg.

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat

ITER: aktueller Stand und Zukunftsperspektiven (30666/EU XXIV.GP),

 

§  SEK (10) 571

Commission staff working document - Status of the ITER Project accompanying the communication from the Commission to the European Parliament and the Council : ITER status and possible way forward (32396/EU XXIV.GP)

 

§  RAT 10001/10

ITER-Projekt: aktueller Stand und Zukunftsperspektiven

Annahme von Schlussfolgerungen des Rates (32369/EU XXIV.GP)

 

 

eingebracht im Zuge der Sitzung des EU-Unterausschusses des Hauptausschusses am 29.Juni 2010  zu TOP 2

 

 

 

 

Seit Jahrzehnten forschen die Kernphysiker an der Stromgewinnung aus Kernfusion. Das Hauptprojekt der Kernfusionsforschung wird mit dem Fusionsreaktor ITER derzeit im südfranzösischen Cadarache gebaut. Dort soll erstmals mit brennendem Fusionsplasma bewiesen werden, dass durch Fusionsprozesse mehr Energie gewonnen werden kann, als für die Zündung der Plasmareaktion aufgebracht werden muss. Beteiligt sind die EU, Japan, die USA, Russland, China, Südkorea und Indien. 2026 ist die erste Fusionsreaktion geplant. Schätzungen von Zukunftsenergieforschern gehen davon aus, dass kommerziell nutzbare Fusionsreaktoren, die tatsächlich Strom liefern, frühestens im Jahr 2055 Wirklichkeit werden - wenn überhaupt. Bis dahin werden allein die Forschungskosten insgesamt wohl auf 100 Milliarden Euro geklettert sein.

 

Das Versprechen einer zukünftig unendlich verfügbaren Energie ignoriert, das der früheste genannte Zeitpunkt für die Einsetzbarkeit der Kernfusion zu spät ist. 2050 müssen die industrialisierten Nationen der Welt ein Energiesystem installiert haben, das mit einem Minimum der heutigen CO2-Emissionen auskommt, um die internationalen Vorgaben für die Klimaschutzziele zu erreichen. Dazu wird neben dem Umsteuern auf Erneuerbare Energien ein völlig anderer Umgang mit Energieverbrauch gehören. Eine neue Technologie, die unendlich viel Energie zu vermutlich höchsten Preisen liefert, wird 2050 nicht das sein, was industrialisierte Gesellschaften brauchen.

 

Vor diesem Hintergrund ist es geboten, öffentliche Mittel lösungsorientiert in Technologien zu investieren, die absehbar den Hauptanteil der Energieversorgung übernehmen werden und die Anstrengungen der Energieforschung stärker auf weltweit anwendbare Lösungen zu fokussieren.

 

Darüber hinaus stellt der Bau des Kernfusionsreaktors ITER mit seinen explodierenden Kosten eine unkalkulierbare Gefahr für die öffentlichen Haushalte der EU und Österreichs dar, das gesamte Projekt ist technisch und finanziell sehr unsicher.

 

Nach dem ITER-Abkommen trägt Europa von den Gesamtbaukosten einen Anteil von 45,5%, alle anderen Partner von je 9,1 %. Die Kostenschätzungen für das ITER-Projekt haben sich zwischenzeitlich nahezu verdreifacht, statt ursprünglich angenommener 5,9 Milliarden Euro werden mittlerweile Zahlen in Höhe von 16 Milliarden genannt - wohlgemerkt nur für den Bau eines Versuchsreaktors, dessen möglicher Betriebsbeginn sich immer weiter verzögert und damit auch verteuert.

 

Bereits vor Beginn der Konstruktionsphase des ITER-Versuchsreaktors gibt es eine absehbare Budgetlücke von 1,4 Milliarden Euro allein für die Jahre 2012 und 2013. Der von der EU Kommission zum Zweck der Finanzierungssicherung im Mai eingesetzten "ITER-Task Force" ist es bis heute nicht gelungen, die kurzfristig fehlenden 1,4 Milliarden Euro aufzutreiben. Der Rat der EU möchte nun dem ITER-Projekt einen Blankoscheck ausstellen ( Draft Council Conclusions on ITER Status an possible way forward, Brüssel 28.6.2010) und fordert die Mitgliedstaaten auf, sich trotz der fehlenden Lösungsvorschläge die Finanzierung betreffend, langfristig und verbindlich zum ITER-Projekt zu bekennen.

 

Vor dem Hintergrund der genannten Kostenexplosion ist ein Festhalten an ITER nicht mehr tragbar. Das ITER Abkommen ist daher zu beenden.

 

Europäischer Vertragspartner von ITER ist EURATOM. Die Republik Österreich als Mitglied bei EURATOM muss daher in den entsprechenden Gremien darauf hin wirken, dass EURATOM mit den weiteren ITER Vertragspartnern eine Beendigung des Projektes und eine Aufkündigung des ITER Abkommens vereinbart.

 

Ist dies nicht möglich, sollte EURATOM den ITER Vertrag einseitig und außerordentlich kündigen. Allgemeines Völkervertragsrecht sieht ausdrücklich außerordentliche Kündigungs- oder Rücktrittsrechte vor. Nach Artikel 62 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge kann von einem Vertrag zurückgetreten werden, wenn eine Änderung der bei Vertragsabschluss gegebenen Umstände das Ausmaß der noch zu erfüllenden Verpflichtungen tiefgreifend umgestaltet. Die erheblichen Kostensteigerungen sind eine tiefgreifende Umgestaltung der zu erfüllenden Pflichten. Dies war bei Abschluss des Vertrages nicht abzusehen. EURATOM kann das ITER Abkommen daher außerordentlich kündigen. Die Bundesregierung muss unverzüglich für eine Beendigung des Projektes sorgen.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art 23e Abs. 2 B-VG

 

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

Die zuständigen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung - insbesondere die Ministerin für Wissenschaft und Forschung - werden aufgefordert, auf EU-Ebene folgende Positionen zu vertreten:

 

1.    Die Zuteilung von zusätzlichen Finanzmitteln für das ITER-Fusionsreaktor-Projekt zu verhindern;

 

2.    darauf hinzuwirken, dass das ITER-Abkommen einvernehmlich aufgehoben oder, falls dies nicht kurzfristig erreicht werden kann, außerordentlich gekündigt wird;

 

3.    den Nationalrat zeitnah und umfassend über die Entscheidungen und Ergebnisse der Sitzungen des ITER-Councils oder anderer mit dem ITER-Projekt befasster Gremien zu unterrichten.

 

 

 

 

 

Diese Vorhaben sind durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre.